Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsit-
zender der Kassenärztlichen Bundesver-
einigung (KBV), lässt ein Konzept
„KBV 2020“ erarbeiten, wohl in der
Hoffnung, dass die durch interne Quere-
len und unprofessionelles Verhalten
mancher Mandatsträger schwer ange-
schlagene KBV wieder arbeitsfähig wird.
Mit Recht weist er darauf hin, dass
die Kassenärztliche Bundesvereini-
gung in unserem Gesundheitssystem
notwendig ist. Denn was würde die
Politik ohne die Selbstverwaltung an-
fangen? Die Kassenärztliche Vereini-
gung sorgt dafür, dass nicht nur die
Institution, sondern auch noch der
letzte Vertragsarzt nicht nur medizini-
sche, sondern auch ökonomische Ver-
antwortung übernimmt. Sie kann die-
se Vorgaben via Budget definieren und
damit für Beitragsstabilität sorgen.
Geht etwas bei der Versorgung schief,
dient automatisch die Selbstverwal-
tung als Sündenbock. Mit Problemen
wie Priorisierung und Rationierung
im Gesundheitswesen bei zu knappen
Ressourcen hat sich der Politiker be-
sonders in Deutschland nicht herum-
zuschlagen. In staatlichen Gesund-
heitswesen übernehmen dies tatsäch-
lich die politisch Verantwortlichen. In
der deutschen Selbstverwaltung hinge-
gen erledigen dies die sogenannten
Leistungserbringer.
KBV hat die Probleme erkannt
Die Hoffnung der Vertragsärzte und der
Kassenärztlichen Vereinigungen, dass
auch noch ein Rest an Interessenvertre-
tung für die Mitglieder übrig bleibt, wird
durch immer neue gesetzliche Vorgaben
erstickt. Von der Janusköpfigkeit mit
Übernahme sowohl einer öffentlich-
rechtlichen Verantwortung als auch der
Interessenvertretung der Mitglieder lebt
das Selbstverwaltungsprinzip. Die letzten
Gesetze scheinen dies nicht zu berück-
sichtigen.
Die KBV hat deshalb als Punkt 1
der Klausurtagung der Vertreterver-
sammlung die strategische Ausrich-
tung, den Sicherstellungsauftrag und
die Interessenvertretung der Ärzte mit
auf die Tagesordnung gesetzt. Sie hat
die systemimmanenten Probleme of-
fensichtlich erkannt. Im Interesse ei-
ner funktionierenden Selbstverwal-
tung ist dieser Tagesordnungspunkt
mehr als wünschenswert. Es ist dabei
jedoch zu befürchten, dass es unwei-
gerlich zu Konflikten mit der Politik
kommt.
Der zweite Tagesordnungspunkt ist
genauso wichtig. Man braucht eine
Satzungsdiskussion, um endlich die
Risse, die durch die Einführung der
Hauptamtlichkeit der Vorstände durch
die KBV-Institution verlaufen, wieder
zu schließen. Was ist Aufgabe und
Verantwortung eines hauptamtlichen
Vorstandes? Welche Position hat eine
Vertreterversammlung einzunehmen?
Will man die Hausarzt-/Facharzt-
Trennung auch in der KBV lupenrein
umsetzen, gerade in einer Zeit, in der
ansonsten versucht wird, die Sekto-
rengrenzen zu überwinden?
Die Aufgabe „KBV 2020“ ist schwie-
rig und setzt den Willen bei den han-
delnden Personen voraus, persönliche
Streitigkeiten und Eigeninteresse zu-
rückzustellen und zu einer sachbezoge-
nen Diskussion zurückzukehren. Ob dies
gelingt, wird von manchen Beobachtern
bezweifelt. Schließlich sind die handeln-
den Personen die gleichen geblieben.
Hoch her ging es in den
vergangenen Monaten in-
nerhalb der KBV. Aber auch
das Verhältnis zum Bundes-
gesundheitsministerium ist
derzeit nicht das beste.
KBV-Chef Gassen will nun
das Ruder herumreißen.
KBV 2020 – ein
Befreiungsschlag?
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen – hier bei der Vertreterversammlung (VV) im Mai 2015 –
will mit seinem Konzept „KBV 2020“ einige Veränderungen anstoßen.
© ALEX KRAUS
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1863-9216
Berufspolitik
BDI aktuell
März 2016
9
Das Bundesgesundheitsministerium
(BMG) hat per Gesetz verfügt, dass
hausärztliche Belange nur noch allein
von hausärztlich tätigen Mitgliedern
der Vertreterversammlung (VV)
wahrgenommen werden dürfen. Dies
kommt einem Teilungsbeschluss in
hausärztlich und fachärztlich tätige
Ärzte gleich. Die KBV ist als Körper-
schaft des öffentlichen Rechts ver-
pflichtet, eine gesetzliche Vorgabe
umzusetzen. Bisher hat sich die VV
aber in ihrer Mehrheit geweigert, die-
ser Aufforderung nachzukommen.
Das Ministerium hat deshalb eine
Ersatzvornahme vorgenommen, ge-
gen die die KBV gerichtlich vorgeht.
Dabei ist die Kritik der Vertreterver-
sammlung durchaus berechtigt. Ihre
derzeitige Zusammensetzung macht
eine funktionierende Umsetzung des
Teilungsbeschlusses
grundsätzlich
nicht möglich. In dieser Versamm-
lung sitzen hauptamtlich tätige KV-
Vorstände und ehrenamtlich bestellte
Vertragsärzte, die weder als Hausärzte
noch als Fachärzte differenziert wer-
den können. Nur mit Mühe gelingt
dies bei den hauptamtlichen Ärzten.
Schon gar nicht möglich ist es bei den
nicht ärztlichen KV-Vorständen.
Der KBV-Vorstand wäre klug be-
raten gewesen, diese strukturellen
Probleme der VV dem Aufsichtsmi-
nisterium sachlich zu erläutern. Ohne
eine Reform der VV selbst ist der Be-
schluss des BMG und des Gesetzge-
bers eben nicht umsetzbar. Hinter
diesen Querelen stehen aber auch in-
terne Unstimmigkeiten im Vorstand
und weiterer Gremien der KBV, mit
teils personengebundener Lagerbil-
dung. Auch scheinen die Zuständig-
keiten zwischen dem 1. Vorsitzenden
und der 2. Vorsitzenden der KBV
nicht mehr einvernehmlich geregelt
zu sein, sodass eine kooperative Füh-
rungskultur nicht mehr zustande
kommt. Eine Reform der gesamten
KBV tut Not.
(HFS)
Die KBV-VV muss reformiert werden
Sehr geehrter Herr Dr. Spies!
Danke für Ihre ehrlichen fachkundi-
gen Kommentare in der Februar-
Ausgabe von BDIaktuell. Der ASV-
Artikel in BDIaktuell ist aber leider
genauso wenig konkret wie das neue
Gesetz (noch im Entwurf) selber.
Wichtige Änderungen wurden inte-
griert, das ist anzuerkennen.
Sicher, auf Veranlassung des Ge-
setzgebers wurden auch die „schwe-
ren Verläufe“ verbal gestrichen, nach-
dem der GBA fast zwei Jahre dazu
benötigte, diese möglichst genau zu
definieren. In der neuen Konkretisie-
rung werden allerdings die besonde-
ren Verlaufsformen ohne schweren
Verlauf definitiv ausgeschlossen, d.h.
justament dieselben schweren Verläu-
fe wie vorher sind betroffen. Deshalb
ist eine Fallzahlerhöhung nicht ge-
rechtfertigt.
Zitat aus der Richtlinie des GBA:
„Die Konkretisierung umfasst die Di-
agnostik und Behandlung von Patien-
tinnen und Patienten ab dem vollen-
deten 18. Lebensjahr mit gastrointes-
tinalen Tumoren und Tumoren der
Bauchhöhle, wenn diese auf Grund
der Ausprägung der Tumorerkran-
kung einer multimodalen Therapie
oder Kombinationschemotherapie
benötigen. ... Für die Berechnung der
Mindestmenge ist die Summe aller
Patientinnen und Patienten in den je-
weils zurückliegenden vier Quartalen,
maßgeblich, die zu der in dieser Kon-
kretisierung näher bezeichneten Er-
krankung zu rechnen sind und von
den Mitgliedern des Kernteams im
Rahmen der ambulanten oder statio-
nären Versorgung, der IV nach §140a
SGB V oder einer sonstigen, auch
privat finanzierten Versorgungsform
behandelt wurden.“
Es handelt sich also wieder um
schwere Verläufe gem. initialer Defi-
nition. Unklar ist, was systemische
Therapie bzw. Kombinationschemo-
therapie bedeutet.
Zum Anderen zählt die Summe
der Patienten in 4 Quartalen, die vom
Kernteam behandelt wurden. Nach
meinem Verständnis der deutschen
Sprache sind das Teamfälle pro Jahr
und nicht etwa Arztfälle des Kern-
teams als Summe der einzelnen
Quartale, d.h. derselbe Patient in
mehreren Quartalen. Nimmt man die
„scharfe“ Definition, sind 250 Fälle
unerreichbar.
Hier besteht ein dringender zu-
sätzlicher Konkretisierungsbedarf.
Dr. Wolfgang Abenhardt,
stellv. Vorstandsvorsitzender des
Bundesverbands ASV
Schwere
Verläufe nur
verbal gestrichen
Die vom GBA vorgenom-
mene Konkretisierung bei
der ASV – wir berichteten
in der Februar-Ausgabe –
ist tatsächlich gar keine,
kritisiert ein Leser.
LESERBRIEF
Wird der umstrittene Passus im
Antikorruptionsgesetz, wonach Be-
stechung und Bestechlichkeit auch
im Zusammenhang mit der Verlet-
zung berufsrechtlicher Unabhängig-
keitspflichten strafrechtlich verfolgt
werden sollen, gestrichen? Darüber
wird unter Rechtspolitikern der Ko-
alition derzeit ausgiebig diskutiert.
Eine Entscheidung sei bis dato
noch nicht gefallen, bestätigte auf
Anfrage das Berliner Büro des
CDU-Abgeordneten Dr. Jan-Marco
Luczak. Luczak ist stellvertretender
Vorsitzender des Rechtsausschusses
im Bundestag und Berichterstatter
der CDU/CSU-Fraktion für das
Antikorruptionsgesetz. Auch eine
eindeutige Tendenz, die Meinungs-
bildung der Parlamentarier betref-
fend, sei noch nicht zu erkennen,
heißt es weiter. Es bestehe durchaus
die Möglichkeit, dass die fragliche
Formulierung aus dem Gesetzent-
wurf wieder herausgenommen wird.
Nach der Expertenanhörung En-
de 2015 seien erhebliche verfas-
sungsrechtliche Bedenken gegen die
Verknüpfung von Strafrecht und Be-
rufsrecht deutlich geworden. Luczak
selbst hatte in einem Positionspapier
etwa auf das im Grundgesetz veran-
kerte Bestimmtheitsgebot hingewie-
sen aber auch auf ein mögliches Le-
gitimationsdefizit der Berufskam-
mern, Strafbarkeitsrisiken selbst zu
definieren. Darüber hinaus, so der
CDU-Politiker, „darf es nicht dazu
kommen, dass das gleiche Verhalten
eines Arztes in einem Bundesland
erlaubt, in einem anderen Land aber
als Korruption strafbar ist“.
(cw)
Korruption: Fällt
der Verweis aufs
Berufsrecht?
GESETZGEBUNG
Die EU-Medizinprodukteverord-
nung, die voraussichtlich spätestens
im Sommer beschlossen werden
soll, stößt in Politik und Industrie
auf massive Kritik. Die ursprüngli-
chen Vorschläge der Kommission
seien zu stark beschnitten worden,
monierten Akteure bei einer Podi-
umsdiskussion des GKV-Spitzen-
verbandes im Februar in Berlin.
Über einige Punkte wie eine ver-
bindliche Haftpflichtversicherung
für Hersteller von Medizinproduk-
ten wird noch verhandelt. Einig
sind sich Europäische Kommission,
Parlament und Rat in der Frage ei-
ner strengeren Überprüfung der be-
nannten Stellen wie TÜV und
DEKRA und einer fortlaufenden
Produktüberprüfung, die auch die
Zeit nach dem Verkauf der Produk-
te einbezieht. Die Industrie be-
fürchtet durch die Umstellung mas-
sive Mehrkosten.
(aze)
Kritik an
geplanter
EU-Verordnung
MEDIZINPRODUKTE