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BDI aktuell
März 2016
Berufspolitik
EU-Vorhaben brauchen oft einen lan-
gen Atem – so auch der Europäische
Berufsausweis
(EU-Berufsausweis),
der für mehr Mobilität im europä-
ischen Arbeitsmarkt sorgen und damit
den Fachkräftemangel dämpfen soll.
Vor über fünf Jahren stellte die EU-
Kommission den entsprechenden Ge-
setzentwurf für das vereinfachte beruf-
liche Anerkennungsverfahren vor. In
seiner letzten Januarsitzung hat der
Bundesrat nun dem EU-Berufsausweis
für Deutschland grünes Licht gege-
ben.
Dabei betrifft das neue Verfahren
unter den Heilberuflern zunächst nur
Apotheker,
Krankenpfleger
und
-schwestern sowie Physiotherapeuten.
Allerdings sollen Ärzte in einem
nächsten Schritt profitieren. Das zuge-
hörige Gesetz zur Umsetzung der
EU-Richtlinie sieht bereits Änderun-
gen in der Bundesärzteordnung vor.
Ebenso wie Anpassungen der Ausbil-
dungs- und Prüfungsordnungen ande-
rer Gesundheitsberufe, wie die der Er-
gotherapeuten oder Logopäden.
Info geht an alle EU-Staaten
Wie die Bundesärztekammer auf
Nachfrage erklärt, handelt es sich
nicht um einen physischen Ausweis.
Vielmehr werde ein rein elektronisches
Verfahren für die Anerkennung der
Berufsqualifikationen zwischen EU-
Mitgliedsstaaten aufgesetzt. Dieses soll
auch einen Vorwarnmechanismus be-
inhalten, über den andere EU-Staaten
schneller über verhängte Berufsverbote
oder -einschränkungen informiert wer-
den. Das Gesetz sieht hierzu vor, dass
die Stelle eines Mitgliedstaates, die
zum Beispiel einem Arzt oder Apothe-
ker die Berechtigung zur Berufsaus-
übung komplett oder temporär unter-
sagt hat, dies unverzüglich in ein spezi-
elles
Binnenmarkt-Informationssys-
tem, das sogenannte IMI, eingibt. Und
darüber die jeweils zuständigen Behör-
den aller anderen EU-Mitgliedsstaaten
informiert.
Gleiches gilt, wenn Personen wegen
gefälschter Qualifizierungsnachweise
verurteilt werden. Oder wenn die Be-
rufsausübung anderweitig beschränkt
wurde. „Der Vorwarnmechanismus
soll sicherstellen, dass Patienten und
Verbraucher in der EU ausreichend
geschützt sind“, erläutert Samir Rab-
bata von der Pressestelle der Bundes-
ärztekammer.
Das Antragsverfahren wird für Heil-
berufler, die im EU-Ausland tätig wer-
den wollen, tatsächlich einfacher. Sie
können ihren Antrag komplett online
stellen. Bereits hochgeladene Unterlagen
können dabei für weitere Anträge wie-
derverwendet werden. Außerdem kann
der Heilberufler online verfolgen, wie es
mit seinem Antrag vorangeht.
Geht es nur um eine vorübergehende
Auslandstätigkeit und ist keine Überprü-
fung des Aufnahmelandes notwendig,
muss die Behörde des Herkunftslandes
innerhalb von drei Wochen eine Ent-
scheidung treffen, ob die Genehmigung
zur Berufsausübung im Ausland erteilt
wird oder nicht. Stehen weitere Prüfun-
gen im Aufnahmeland an, muss inner-
halb von vier Monaten die Entscheidung
fallen. Bei Ärzten werden die Approba-
tionsstellen der jeweiligen Bundesländer
die Prüfung übernehmen. Da nach den
letzten verfügbaren Zahlen der EU-
Kommission mehr Ärzte aus anderen
EU-Staaten in Deutschland tätig werden
(im Jahr 2012: 3387 Fälle), als dass es
deutsche Ärzte in die EU-Mitgliedsstaa-
ten zieht (2012: 356 Fälle), erwartet die
Bundesregierung einen deutlichen Min-
deraufwand für die Approbationsbehör-
den der Bundesländer.
Neue Konkurrenzsituation?
Der EU-Berufsausweis wird dabei die
bisherigen Nachweisverfahren innerhalb
der EU ersetzen. Angepasst wurde aber
ebenso die Mindestausbildungsdauer
der Ärzte. Diese wird nun in der Bun-
desärzteordnung mit mindestens 5500
Stunden und einer Dauer von mindes-
tens sechs Jahren fürs Studium angege-
ben. Dadurch sollen laut einer Presse-
mitteilung des Bundesgesundheitsminis-
teriums – aus dem Herbst 2015, als das
Bundeskabinett den Gesetzentwurf be-
schlossen hatte – die sogenannten „Wo-
chenendausbildungen“ verhindert wer-
den, die zwar die vorgeschriebene An-
zahl von Jahren dauern würden, aber nur
relativ wenige Stunden umfassten.
Ob das neue Verfahren vielleicht
auch ungewollte Konkurrenzsituatio-
nen hervorrufen wird, oder die Akade-
misierung mancher Heilberufe voran-
treibt, bleibt abzuwarten. Die Apothe-
ker, die bereits betroffen sind, bleiben
zumindest gelassen. Das neue Verfah-
ren ändere nichts an den materiellen
Bedingungen für eine Anerkennung,
heißt es vonseiten der Bundesvereini-
gung Deutscher Apothekerverbände
e.V. (ABDA). „Insofern dürften kaum
praktische Auswirkung im Sinne von
,mehr Konkurrenz‘ zu erwarten sein,
zumal die Migrationszahlen von Apo-
thekern in der EU überschaubar
sind“, so Dr. Ursula Sellerberg, stell-
vertretende Pressesprecherin bei der
ABDA.
Mehr zum EU-Berufsausweis und das
Antragsportal finden Sie unter:
SCHWERPUNKT
Die Anerkennung von beruf-
lichen Qualifikationen inner-
halb der EU soll einfacher
werden. Das betrifft ins-
besondere die Heilberufe.
Dabei soll auch ein Früh-
warnsystem etabliert werden,
das Berufsverbote schneller
offenlegt.
Was bringt der neue EU-Berufsausweis?
Von Rebekka Höhl
Neuer Arztausweis?
Den gibt es von der EU
nicht. Der EU-Berufs-
ausweis ist ein rein
elektronisches Verfahren.
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Die Haftungsfrage
Die Apotheker werden noch vor den
Ärzten den EU-Berufsausweis nut-
zen können. Die ABDA hat sich da-
her schon intensiv mit dem Verfah-
ren beschäftigt und stellt klar:
In Sachen Haftung bei Schaden-
ersatzansprüchen ändert sich
nichts für die Berufsträger.
Der Apothekenleiter haftet
persönlich für seinen Betrieb.
Dies gelte erst recht, wenn unter
seiner Verantwortung Apotheker
über die Vorgaben ihrer Berufer-
laubnis tätig werden.
© [M] TIL | VOLKER WITT / FOTOLIA.COM (ÄRZTIN) | MEDISIGN GMBH (ARZTAUSWEIS)
ie Dauerbaustelle GOÄ wird uns im neu-
en Jahr weiterhin beschäftigen. Fast jeden
Tag gibt es neue negative Nachrichten. Ei-
nes ist gewiss: Die Bundesärztekammer hat die
Verhandlungen mit der privaten Krankenversi-
cherung und der Beihilfe nicht sehr professionell
betrieben. Es geht dabei nicht um Bewertungen,
sondern nur um den Paragrafenteil. Die Diskus-
sion darüber schlägt allerhöchste Wellen, denn
damit würde ein Paradigmenwechsel eingeführt,
wie wir ihn noch nie zuvor hatten.
Der Berufsverband Deutscher Internisten hatte
einen außerordentlichen Deutschen Ärztetag mit
dem einzigen Thema GOÄ verlangt, um Klarheit
zu bekommen. Auf Verlangen von drei Landesärz-
D
tekammern hat dieser außerordentliche Ärztetag
am 23. Januar 2016 in Berlin stattgefunden (siehe
Ausgabe 2/2016). Diese Veranstaltung hat aller-
dings nicht zur Beruhigung beigetragen.
Mich persönlich ärgert, wie man in dieser
Diskussion für dumm verkauft wird. Die GOÄ
war immer nur für die Abrechnung zwischen
Arzt und Patient zuständig, die
Krankenversicherung hatte da-
bei nichts mitzureden. Aber
nach den Plänen von Bundesge-
sundheitsminister
Hermann
Gröhe sitzt sie nicht nur mit im
Boot, sondern PKV und Beihilfe
gestalten die GOÄ auch in Zu-
kunft mit.
Wir haben schon vor eineinhalb Jahren mah-
nend den Finger erhoben, als uns der „Letter of
intent“ der BÄK zur GOÄ-Novellierung be-
kannt wurde. Wir warnten damals vor dem Para-
digmenwechsel, der sich darin abzeichnete. Es
hat nichts gefruchtet. Jetzt ist der Paragrafenteil
beschlossen worden und wird im Bundesgesund-
heitsministerium bearbeitet. Er entspricht genau
dem „Letter of intent“.
Die GOÄ ist eine Gebührenordnung eines
freien Berufs, ähnlich wie bei Anwälten, Archi-
tekten oder Steuerberatern. Sie gilt nicht nur für
die privatärztliche Behandlung, sondern auch für
andere Abrechnungen, etwa für Gutachten etc.
Sie muss unbedingt flexibel gehalten werden. Sie
ist kein Leistungskatalog wie der EBM. Zweifel-
los gehören die Bewertungen schon seit langem
überarbeitet und auch die Anzahl der Analogzif-
fern ist bei weitem zu groß. Das müsste geändert
werden, nicht aber der Paragrafenteil.
Die PKV will den Paragrafenteil ändern, um
so zu einer Begrenzung ihrer Kosten zu kom-
men. Deshalb wird ein Institut gegründet, das
die Kosten berechnet und den Anstieg über-
prüft. Wenn es nach drei Jahren feststellt, dass
der Anstieg zu hoch war, sollen die Bewertungen
gesenkt werden. Analogziffern sind zwar weiter-
hin erlaubt, aber nur für Leistungen, die nach
dem Inkrafttreten der GOÄ auf den Markt kom-
men. Wir haben also einen abgeschlossenen
Leistungskatalog. In dem Konstrukt der GeKo,
die das Ganze kontrollieren soll, finden wir die
Regulierungsregelungen der gesetzlichen Kran-
kenversicherung wieder.
Die Politik ist zweifellos auf dem Weg in Rich-
tung Bürgerversicherung, mit oder ohne neue
GOÄ. Der SPD-Politiker Prof. Karl Lauterbach
soll bereits einen Plan haben, wie man die PKV
abwickeln könnte. Ich befürchte, wir werden da-
ran wenig ändern können. In dieser verfahrenen
Situation kann ich nur sagen: Wir brauchen eine
neue GOÄ, aber nicht mit diesem neuen Paragra-
fenteil. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
Ihr
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
Das Thema GOÄ bleibt uns auch 2016 erhalten
EDITORIAL
Von Dr. Wolfgang Wesiack
Präsident des BDI
Wir brauchen eine neue GOÄ,
aber nicht mit diesem neuen
Paragrafenteil. Dafür werden wir
uns weiter einsetzen.