BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 12

Bei „resistenter“ Hypertonie ist der
Blutdruck trotz Kombitherapie mit
drei Antihypertensiva (meist ACE­
Hemmer, Kalziumantagonist plus
Diuretikum) nicht in den Griff zu
bekommen. Ein Team um Professor
Bryan Williams aus London hat
versucht, bei solchen Patienten
trotzdem mit Medikamenten den
Blutdruck zu senken. Die Hoffnung
der Forscher richtete sich auf den
Aldosteronblocker Spironolacton.
Ergebnisse ihrer randomisierten
placebokontrollierten PATHWAY­
2­Studie haben sie beim ESC­Kon­
gress in London vorgestellt.
Teilnehmer der Studie waren
335 Patienten mit „resistenter“ Hy­
pertonie nach gängigen Kriterien.
Alle sollten vier jeweils zwölfwöchi­
ge Behandlungszyklen durchlaufen:
mit Spironolacton, dem Alphablo­
cker Doxazosin, dem Betablocker
Bisoprolol und Placebo. Basis für
den Vergleich der Wirksamkeit wa­
ren die bei der häuslichen Selbst­
messung festgestellten systolischen
Blutdruckwerte der Teilnehmer.
Die Forscher verglichen zu­
nächst Spironolacton mit Placebo
und belegten so die grundsätzliche
Wirksamkeit von Spironolacton bei
„resistenter“ Hypertonie: Der sys­
tolische Blutdruck nahm darunter
signifikant um im Mittel 8,7 mmHg
stärker ab als unter Placebo.
Die separaten Vergleiche mit
Doxazosin und Bisoprolol bestätig­
ten die Überlegenheit von Spirono­
lacton, das den Blutdruck jeweils
etwa doppelt so stark senkte wie Al­
phablocker und Betablocker (­4,03
mmg vs Doxazosin, ­4,48 mmHg vs
Bisoprolol). Diese Überlegenheit
spiegelte sich auch im Anteil der
Hypertoniker wider, deren systoli­
sche Blutdruckwerte am Ende im
angestrebten Zielbereich lagen (un­
ter 135 mmHg). Unter Spironolac­
ton betrug die Rate 57,8 Prozent,
im Vergleich zu 41,7 Prozent (Do­
xazosin), 43,6 Prozent (Bisoprolol)
und 24,4 Prozent (Placebo).
(ob)
Option bei
resistenter
Hypertonie
Bei therapierefraktären
Hypertonikern konnte mit
Spironolacton der
Blutdruck unter Kontrolle
gebracht werden.
SPIRONOLACTON
Trotz nachgewiesenen Nutzens ei­
ner i.v.­Eisentherapie bei Herzinsuf­
fizienz (HI) erhält in Deutschland
nur jeder zehnte HI­Patient mit Ei­
senmangel eine Substitutionsthera­
pie. Dabei bekommen die meisten
Patienten die weniger wirksamen
Eisenpräparate zum Einnehmen,
nur 2,2 Prozent eine i.v.­Therapie.
Das zeigen Auswertungen des
RAID­HF­Register, teilt die Deut­
sche Gesellschaft für Kardiologie
zum ESC­Kongress mit. Unter­
sucht wurden 671 HI­Patienten.
Bei 56 Prozent der Patienten wurde
ein Eisenmangel nachgewiesen, und
38,5 Prozent von diesen hatten
auch eine Anämie, hingegen nur 25
Prozent der Patienten ohne Eisen­
mangel.
(eb)
Eisenmangel
bleibt meist
unbehandelt
HERZINSUFFIZIENZ
Bisher empfahlen die kardiologischen
Leitlinien für den Nicht­ST­Hebungs­
infarkt (NSTEMI) in Europa, bei Pa­
tienten mit akutem Brustschmerz di­
rekt bei Aufnahme und noch einmal
drei Stunden später Troponin zu be­
stimmen. So werden heute in den
meisten Kliniken jene Patienten iden­
tifiziert, bei denen wahrscheinlich ein
NSTEMI vorliegt und eine Katheter­
untersuchung daher nötig ist.
Anders war das in der BACC (Bio­
markers in Acute Cardiovascular
Care)­Studie, die Privatdozent Dirk
Westermann vom Uniklinikum Ham­
burg­Eppendorf beim Europäischen
Kardiologenkongress präsentiert hat.
Die Kardiologen verglichen bei 1045
Patienten mit akuten Brustschmerzen
das gängige Vorgehen, bei dem hoch
sensitives Troponin T (hsTNT) sofort
und nach drei Stunden gemessen wird,
mit einer Messung des hoch sensitiven
Troponin I (hsTNI) sofort und nach
nur einer Stunde.
Grenzwert von 6 ng / l
Dabei wurde für eine optimale Sensiti­
vität bei der Ausschlussdiagnostik
(„rule­out“) für beide Messungen ein
sehr niedriger Grenzwert von 6 ng/l
gewählt. Auf Basis dieses Grenzwerts
hätten nach einer Stunde knapp 40
Prozent der Patienten entlassen wer­
den können. Dabei berechneten die
Hamburger Kardiologen einen nega­
tiv­prädiktiven Wert von 99,7 Prozent
(Sensitivität 99,1 Prozent) für den
NSTEMI Typ 1. Das heißt: Maximal
einer von 100 Patienten wird entlas­
sen, obwohl ein NSTEMI vorliegt.
Das war nicht schlechter als beim 3­
Stunden­Algorithmus auf Basis des
hsTNT. Die hsTNI­Daten seien an
zwei weiteren, unabhängigen Kohor­
ten validiert worden, so Westermann,
nämlich an den Teilnehmern der Stu­
dien APACE und ADAPT. In diesen
Validierungskohorten lag der negativ­
prädiktive Wert bei 99,2 Prozent und
99,7 Prozent. Damit könne der auf
hsTNI mit einem Grenzwert von 6
ng/l basierende Ein­Stunden­Algorith­
mus klinisch zur Ausschlussdiagnostik
eingesetzt werden.
Am Universitätsklinikum Hamburg
Eppendorf soll er jetzt eingeführt wer­
den. Die Hamburger stehen damit auf
dem Boden der in London vorgestell­
ten Neufassung der europäischen
NSTEMI­Leitlinie, die einen 1­Stun­
den­Algorithmus dann erlaubt, wenn
der Test angemessen dafür validiert
wurde.
Positiv­prädiktiver Wert: 81,5 Prozent
Etwas komplexer ist die Situation bei
der im klinischen Alltag etwas weniger
kritischen definitiven Diagnose („ru­
le­in“). Der Hamburger Algorithmus
sah hier so aus, dass ein NSTEMI an­
genommen wurde, wenn das hsTNI in
der Messung sofort nach Aufnahme
größer war als 6 ng/l und binnen einer
Stunde um mindestens 12 ng/l anstieg.
Das ergab einen positiv­prädiktiven
Wert für den NSTEMI von 87,1 Pro­
zent (Spezifität 98,0 Prozent). In den
beiden Validierungskohorten APACE
und ADAPT lag der positiv­prädiktive
Wert bei 80,4 Prozent und 81,5 Pro­
zent.
Auch das sei nicht schlechter als
der 3­Stunden­Algorithmus, so Wes­
termann. So kann bereits nach einer
Stunde bei 11,9 Prozent der Patienten
ein NSTEMI diagnostiziert und eine
Katheteruntersuchung empfohlen wer­
den. Übrig bleiben 46,9 Prozent der
Patienten, bei denen sich der akute In­
farkt nach einer Stunde durch hsTNI
weder definitiv ausschließen noch be­
stätigen lässt.
Diese Patienten gebe es in ähnlicher
Häufigkeit auch beim dreistündigen
Algorithmus, betonte der Kardiologe.
Sie können nicht entlassen werden,
sondern erhalten in der Regel die Ka­
theteruntersuchung, um keinen Herz­
infarkt zu übersehen. In der BACC­
Kohorte war die 6­Monats­Mortalität
am größten bei jenen Patienten, bei
denen das Troponin keine eindeutige
Diagnose oder Ausschlussdiagnose er­
laubte.
Ein neuer Algorithmus für
die Troponinbestimmung
bei Patienten mit Verdacht
auf Myokardinfarkt kann die
Notfallversorgung
beschleunigen. Er liefert
eine Ausschlussdiagnose
innerhalb einer Stunde.
Infarkt­Verdacht: In einer
Stunde zur Ausschlussdiagnose?
Von Philipp Grätzel von Grätz
Brustschmerz: Zum Ausschluss eines Myokardinfarkts dient der Troponintest mit hoher
Sensitivität.
© PSDESIGN1/FOTOLIA.COM
Die bei der Jahrestagung der Europäi­
schen Gesellschaft für Kardiologie
vorgestellte Neuauflage der ESC­Leit­
linie zur infektiösen Endokarditis be­
hält bei der Antibiotikaprophylaxe die
bisherigen, restriktiven Empfehlungen
bei, wie Professor Bernhard Iung, Pa­
ris, betonte. Demnach sollten Hochri­
sikopatienten bei Eingriffen mit höchs­
tem Bakteriämierisiko eine Prophylaxe
erhalten, sonst aber niemand. Als
Hochrisikopatienten gelten Patienten
mit Klappenersatz, außerdem Patien­
ten mit einer Endokarditisanamnese
sowie Patienten mit zyanotischem an­
geborenem Herzfehler.
Keine Prophylaxe benötigen dage­
gen Patienten mit nativen Klappener­
krankungen ohne Klappenersatz. Ge­
nerell wird eine Prophylaxe nur bei
zahnmedizinischen Eingriffen durch­
geführt, bei denen umfangreich am
Zahnfleisch manipuliert werden muss.
Weder die Kariestherapie noch Wur­
zelbehandlungen noch die Applikation
von Lokalanästhetika in nicht infizier­
tes Zahnfleisch fallen in diese Katego­
rie. Generell keine Prophylaxe nötig ist
auch bei Eingriffen an Atemwegen,
Verdauungstrakt und Urogenitaltrakt,
sofern sie nicht infiziertes Gewebe be­
treffen.
Größere Änderungen gibt es in den
neuen Leitlinien bei den Diagnosekri­
terien. Weiterhin kann eine Endokar­
ditis dann definitiv diagnostiziert wer­
den, wenn zwei Major­Kriterien oder
ein Major­Kriterium und drei Minor­
Kriterien oder fünf Minor­Kriterien
erfüllt sind. Diese Kriterien wurden al­
lerdings angepasst, wie Professor Pilar
Tornos, Barcelona, betonte. So wurde
das Major­Kriterium „infektiöse En­
dokarditis in der Bildgebung“ erwei­
tert. Es gilt jetzt auch dann als erfüllt,
wenn in der 18F­FDG PET/CT oder
in der Leukozyten SPECT/CT patho­
logische Aktivität im Gebiet eines (vor
mindestens drei Monaten implantier­
ten) Klappenersatzes nachweisbar ist.
Als Minor­Kriterium gelten künftig
außerdem vaskuläre Auffälligkeiten
wie Embolien, septische Lungenin­
farkte oder infektiöse Aneurysmen,
und zwar auch dann, wenn diese aus­
schließlich in bildgebenden Untersu­
chungen, insbesondere in der Tho­
rax­CT, nachweisbar sind.
Ziel der neuen Kriterien sei es vor
allem, die Zahl der Patienten, bei de­
nen auf Basis des bisherigen Kriterien­
katalogs nur eine „mögliche Endokar­
ditis“ diagnostizierbar war, zu verrin­
gern. Tornos konnte in einer eigenen,
im Fachblatt „Circulation“ vorab ver­
öffentlichten Untersuchung zeigen,
dass durch die 18F­FDG PET/CT 45
von 50 Patienten mit „möglicher En­
dokarditis“ reklassifiziert werden
konnten. Bei 22 wurde die definitive
Diagnose gestellt, bei 23 wurde die
Diagnose ausgeschlossen und nur bei
5 blieb sie unklar.
Kleinere Änderungen gab es in der
neuen Leitlinie auch bei der Therapie
von Patienten mit infektiöser Endokar­
ditis. So sollte ein multidisziplinäres
Team bei der Behandlung Standard
sein. Neu ist außerdem ein geänderter
Antibiotikaalgorithmus bei der Sta­
phylokokken­Endokarditis.
(gvg)
Bei der infektiösen Endo­
karditis hat die ESC die
Diagnosekriterien angepasst
und berücksichtigt jetzt
auch CT und Nuklear­
medizin. Die Antibiotika­
prophylaxe bleibt in engen
Grenzen erhalten.
Endokarditis: Bildgebung wird wichtiger
45
von 50 Patienten
mit „möglicher
Endokarditis“ konnten durch die
18F­FDG PET/CT reklassifiziert
werden: Bei 22 wurde die definitive
Diagnose gestellt, bei 23 wurde die
Diagnose ausgeschlossen und nur
bei 5 blieb sie unklar.
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Oktober 2015
BDI aktuell
Medizin
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