Mit einer persönlichen Erklärung
überraschte BDIPräsident Dr.
Wolfgang Wesiack die Delegierten
versammlung beim 8. Deutschen
Internistentag: Nach zwölf Jahren
im Amt werde er bei den Vor
standswahlen 2016 für eine weitere
Amtsperiode nicht mehr zur Verfü
gung stehen. Es sei Zeit, dass ande
re, jüngere Kollegen die Fahne wei
tertrügen, und außerdem wäre es
schön, wenn der BDI mehr Frauen
im Vorstand hätte. Derzeit ist unter
den 14 Vorstandsmitgliedern des
Berufsverbands mit Professor Petra
SchummDräger nur eine Frau ver
treten. Wesiack, in Hamburg nie
dergelassener Facharzt für Innere
Medizin, ist seit 2004 Präsident des
Berufsverbands Deutscher Internis
ten.
(KS)
Zwölf Jahre sind
genug
BDIPRÄSIDENT
Was Dr. Norbert Smetak in der Ge
meinschaftspraxis, die er mit seiner
Ehefrau im badenwürttembergischen
Kirchheim führt, umgesetzt hat, könn
te für kleine Praxiseinheiten zur Schu
le werden. Denn das Modell bietet für
seine kardiologischen Patienten nicht
nur ambulant und stationär eine Ver
sorgung aus einer Hand. Er hat sich
damit auch die Praxisnachfolge gesi
chert, wie er auf dem Deutschen In
ternistentag in Berlin berichtete.
Smetak beschäftigt auf einem halben
Sitz einen internistischen Kollegen, der
jeweils Teilzeit in der Praxis und in der
Klinik vor Ort tätig ist, dort sogar als
Oberarzt. Dadurch erreichen wir eine
bessere Verzahnung mit dem Kranken
haus und erweitern unser Leistungs
spektrum, so der Vorsitzende des Bun
desverbands niedergelassener Kardiolo
gen. Die Investitionskosten für die Ka
theteranlage hat beispielsweise die Kli
nik übernommen. Smetak: Wir zahlen
dafür nur eine Nutzungsgebühr.
Neben der besseren Versorgung
seiner Patienten war für den Kardiolo
gen aber ebenso der Aspekt der Pra
xisnachfolge wichtig. Die Praxis hat
für den Klinikarzt die Option einge
baut, nach fünf Jahren auch die zweite
Sitzhälfte zu übernehmen. Der Kol
lege kann sich so erst einmal an die
Strukturen in der Praxis gewöhnen.
Die Anstellung schafft zudem mehr
Sicherheit in Sachen Antikorruptions
gesetz. Denn sie löst eindeutig die Frage
der möglichen Scheinselbstständigkeit
und schafft bei einer sauber getrennten
Abrechnung der Leistungen wenig An
griffspunkte. Die von dem angestellten
Kardiologen ambulant erbrachten Ka
theter würden über die KV abgerech
net, die in seiner Funktion als Klinikarzt
über die Klinik und damit die DRG, er
läuterte Smetak.
Problematischer ist es da für Kolle
gen, die als Konsiliararzt an der Klinik
tätig werden. Hier müsse man darauf
achten, dass das Honorar, das gezahlt
wird, im Verhältnis zu den erbrachten
Leistungen steht, sagte Dr. Hans
Friedrich Spies, 2. Vizepräsident des
BDI. Dabei sei es sinnvoll, sich an
vorgegebene Vergütungssysteme, also
EBM, GOÄ und das Entgeltsystem im
Krankenhaus (InEK) zu halten. Spies:
Man muss sich als Konsiliararzt aber
auch schriftlich geben lassen, dass das
Krankenhaus Leistungen, die man
ambulant abgerechnet hat, nicht noch
einmal stationär ansetzt.
Finanzierung aus Ärztehand
Während es für Smetak möglich ist, die
von der Praxis erbrachten Leistungen
abzurechnen, leistet das Netzwerk Inte
gratives Darmzentrum Bonn /Rhein
Sieg (IDZB) viel Arbeit für den Patien
ten zum Nulltarif. Das Qualitätsnetz
wurde 2006 von internistischen Fach
ärzten der Region gegründet, um durch
interdisziplinäre Zusammenarbeit die
Versorgung von Patienten mit Darm
krebs zu verbessern. Im Raum
Bonn /RheinSieg hätte es sonst vier kon
kurrierende Zentren gegeben, erläuter
te Dr. Christoph Schmidt, Vorstands
vorsitzender beim IDZB die damaligen
Beweggründe. Ob das für mehr Qualität
gesorgt hätte, schien den Ärzten fraglich.
In dem Versorgungsnetz, dessen Ein
zugsgebiet rund eine Millionen Patien
ten umfasst, kann jede Praxis und jedes
Krankenhaus seine Besonderheiten be
halten und sich frei entwickeln. Gemein
sam haben sie ein QMSystem mit ein
heitlichen Versorgungspfaden; die zent
rale Tumordokumentation, in die die
Daten anonymisiert einlaufen und die
dadurch Benchmarks ermöglicht; regel
mäßige Tumorkonferenzen und einen
direkten elektronischen Datenaustausch
zwischen den Behandlern. Die Quali
tätsstandards werden dadurch im statio
nären und ambulanten Bereich gleicher
maßen umgesetzt, sagte Schmidt. Das
Netz übernimmt dabei auch die wichtige
Öffentlichkeitsarbeit. So gab es schon
Aktionen mit Radiosendern vor Ort.
Wir haben es 2014 geschafft, mit
99 Prozent nahezu jeden Fall in der Tu
morkonferenz zu besprechen, berichte
te Schmidt. Im selben Jahr lag die Nach
sorgequote bei 96,4 Prozent. Die Rate
der schweren Tumorverläufe konnte in
nerhalb des Netzes bis 2014 um elf Pro
zent gesenkt werden.
Finanziert werden das gemeinsame
QM, Öffentlichkeitsarbeit und Co.
durch die Mitgliederbeiträge und
Spenden. Letzteres geht, weil das Netz
als Verein eingetragen ist. Der Vor
stand ist indes ehrenamtlich tätig.
Chancen auf einen Selektivvertrag hat
das Netz laut Schmidt kaum. Wir
sind ein ideales Beispiel für die ASV.
Aber es zeigt eben auch, dass die ASV
in der Bürokratie stecken bleibt.
Die ASV könnte auch für die Onko
logen eine Chance auf die Vergütung
ihrer Netzwerkarbeit sein. Sie brechen
nämlich laut Professor Stephan
Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Be
rufsverbands Niedergelassener Hämato
logen/Onkologen, schon seit 25 Jahren
durch ihre sektorübergeifenden Tumor
konferenzen erfolgreich die Versor
gungsgrenzen auf. Doch gesondert ver
gütet wird ihre Konsiliarleistung in den
Tumorkonferenzen bislang nicht.
Auch die Nephrologen praktizieren
bereits seit Jahren mit ihren Dialysepati
enten, die sie auf vertraglicher Basis teil
weise in mehreren Krankenhäusern wei
terversorgen, die Öffnung der Sektoren,
wie Dr. Manfred Grieger, Vorstandsmit
glied im Verband Deutscher Nierenzen
tren, berichtete. Jede Praxis kooperiere
laut einer Umfrage des Verbands in
2010 im Schnitt mit 2,6 Kliniken.
Ersatzkassen spielen mit
Die Rheumatologen gehen noch einen
Schritt weiter: Mit der Versorgungsland
schaft Rheuma – kurz VLR – hat es der
Berufsverband Deutscher Rheumatolo
gen geschafft, mit der Techniker Kran
kenkasse (TK) für Bayern und Nord
rhein einen Vollversorgungsvertrag nach
Paragrafen 140 a ff SGB V auf den Weg
zu bringen. Der Vertrag kombiniere da
bei die fachärztliche mit der hausärztli
chen Versorgung, denn die Hausärzte,
die am Hausarztvertrag der TK teilneh
men, könnten sich ontop dazu ebenfalls
an der Versorgungslandschaft Rheuma
beteiligen, so Dr. Edmund Edelmann,
Vorstandsvorsitzender des Bundesver
bands Deutscher Rheumatologen.
Durch die Verzahnung ist sichergestellt,
dass die Patienten möglichst schnell an
einen Spezialisten weitervermittelt wer
den. Dazu gibt es eine gemeinsame IT
für den schnellen Datenaustausch und
regelmäßige Qualitätszirkel. Dabei
schließt der Vertrag alle internistischen
und pädiatrischen Rheumatologen sowie
die Rheumakliniken ein.
Spannend ist aber vor allem, dass die
TK neben der Grundversorgung eine
ganze Reihe an AddonLeistungen fi
nanziert, so etwa einen Zuschlag für die
Dokumentation und Qualitätssiche
rung, einen Zuschlag für die Einbin
dung einer rheumatologischen Fachas
sistentin und Zuschläge für die Tight
Control. Allein für die ärztliche Leis
tung ergebe sich pro Quartal ein Fall
wert von 80 bis 100 Euro, sagte Edel
mann. Mit der Barmer GEK soll ab
Oktober dieses Jahres ein ähnlicher Ver
trag, allerdings als reiner AddonVer
trag, in Hessen, MecklenburgVorpom
mern und Sachsen starten.
Während die ambulante
spezialfachärztliche Versor
gung nach wie vor in ihren
Kinderschuhen steckt und
sich die Gesundheitspolitik
auch sonst schwertut, an
den Sektorengrenzen zu
rütteln, zeigt die ärztliche
Basis, wie innovative Mo
delle helfen, die Versorgung
nachhaltig zu verbessern.
Vom Konzept für einzelne
Praxen bis hin zum bundes
weiten Projekt.
Sektorgrenzen erfolgreich aufgebrochen
Von Rebekka Höhl
Immer öfter schließen sich Niedergelassene mit Kliniken zu Qualitätsnetzwerken zusammen.
© LENETSNIKOLAI / FOTOLIA.COM
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Der Ausgleich
des Defizits der
Ordnungspolitik
geschieht einmal
mehr durch
private Initiativen
der Ärzte.
Dr. HansFriedrich Spies
2. BDIVizepräsident
Wie lässt sich der medizinische Bedarf
definieren? So lautete die Frage, die Ex
perte Dr. Stefan Etgeton von der Ber
telsmannStiftung auf der Delegierten
versammlung des 8. Deutschen Inter
nistentags in Berlin behandelte. Er
konnte zwar mit einer Vielfalt an Merk
daten aufwarten, aber eine eindeutige
Antwort hatte er nicht zu bieten. Im
merhin sah er im Versorgungsstärkungs
gesetz (VSG) praktikable Ansätze für ei
ne bessere Bedarfsplanung.
Ärztemangel und Ärzteschwemme
sind immer ein Verteilungs und Steue
rungsproblem, betonte er. International
steht Deutschland, was die Arztdichte
angeht, im oberen Drittel. Es gibt aller
dings starke regionale Unterschiede.
Abhilfe gegen den Landärztemangel ha
be man sich vom Landärztegesetz, wie
das Versorgungsstärkungsgesetz auch
genannt wird, erhofft. Etgetons Fazit:
Hinsichtlich einer regionalen Umvertei
lung der Arztsitze hat das VSG nichts
gebracht. Ob die Verteilung bedarfsge
recht ist, lasse sich kaum beantworten,
da die Datenlage zur Beurteilung dieser
Frage sehr schlecht sei. Epidemiologi
sche Daten seien kaum verfügbar, Diag
nosedaten seien mangelhaft, da die Ko
dierqualität zu wünschen übrig lasse.
Etgeton hat deshalb Surrogatpara
meter herangezogen, um einen Be
darfsindex zu entwickeln. Berücksich
tigt wurden dabei u.a. die aktuelle Al
tersstruktur, Geschlecht, Arbeitslosen
quote, Haushaltseinkommen, Morbi
dität und Pflegebedürftigkeit.
Starkes OstWestGefälle
Nach Betrachtung dieser Faktoren
kommt Etgeton zu dem Ergebnis: Die
Bedarfsplanung führt nicht zu einer
besseren Versorgung. Bei den Hausärz
ten sei die regionale Verteilung stärker
bedarfsorientiert als bei Fachärzten, al
lerdings gebe es hier ein starkes West
OstGefälle. Die neue Bedarfsplanung
führe jedoch zu einer bedarfsgerechte
ren Verteilung der Hausärzte. Bei den
Fachärzten sehe es ganz anders aus: Für
Kinderärzte sei das Ergebnis genau um
gekehrt, bei den Frauenärzten verände
re sich gar nichts, bei den Augenärzten
habe sich die Bedarfsorientierung leicht
verbessert. Für die Internisten hatte er
keine Daten ermittelt, dies sei wegen
der zahlreichen Schwerpunkte zu
kompliziert. Generell jedoch halte er
die Festsetzung einer Verhältniszahl
für den wesentlichen Hebel für eine
bedarfsgerechte Versorgung.
BDIVizepräsident Dr. HansFried
rich Spies fasste am Ende zusammen:
Der echte Bedarf ist in unserem System
nicht definiert. Es gehe nicht nur um
die Ärzte, sondern auch um das, was die
Ärzte erbringen. Insofern ist das Inte
resse, zu einem echten Bedarf zu kom
men, relativ gering. Dabei handele es
sich um eine langfristige Aufgabe, bei
deren Bewältigung der BDI zu helfen
bereit sei. Spies sieht die Gefahr, dass
Beschlüsse aufgrund der mangelhaften
Datenlage gefasst werden, die an den
echten Bedürfnissen der Patienten völlig
vorbei gehen.
(KS)
Wie hoch ist der tatsächli
che Bedarf an Ärzten und
vor allem an medizinischen
Leistungen? Eine Frage, an
der sich selbst Versorgungs
forscher die Zähne ausbei
ßen. Fest steht aber: Die
derzeitige Bedarfsplanung
schafft es nicht, die Versor
gung zu verbessern.
Dauerbaustelle Bedarfsplanung
8
Oktober 2015
BDI aktuell
8. Deutscher Internistentag