BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 4

Das Honorarplus von 250 Millionen
Euro in 2016 (BDIaktuell, Nr.9,
Seite1) sieht nach außen hin nach
viel mehr aus, als es tatsächlich
ist. Und sollte daher realistischer
betrachtet werden, meint Dr. And­
reas Hellmann, Vorsitzender des
Bundesverbands der Pneumologen:
Unter Honorar 2016 wird uns auf
Seite 1 des Septemberheftes mitge­
teilt, dass die Vertragsärzte im nächs­
ten Jahr 250 Millionen mehr erhalten
werden, weil der Behandlungsbedarf
gestiegen ist. Solche Meldungen wer­
den gerne in der Laienpresse wieder­
holt, mit der Folge, dass der geneigte
Leser tief durchatmet und seufzt:
ganz ordentlich, was die Ärzte schon
wieder mehr bekommen und trotz­
dem immer noch jammern.
Also sollten zumindest wir in un­
seren eigenen Medien korrekt blei­
ben: Die Ärzte bekommen nicht 250
Millionen mehr, sondern wir bekom­
men die Lizenz, für 250 Millionen
mehr zu arbeiten! Dafür müssen wir
den gestiegenen Behandlungsbedarf
abarbeiten, erst dann können wir auf
das Geld hoffen. Und wieso spre­
chen wir eigentlich immer über zig
Millionen und nicht über die paar
minime Prozentchen, die diese 250
Millionen tatsächlich sind, und die
noch nicht einmal sicher sind ...
Honorarplus
im unteren
Prozentbereich
LESERBRIEF
Dr. Wesiack: Die parlamentarischen Be­
ratungen zum Anti­Korruptionsgesetz
haben begonnen, nachdem das Kabinett
den Entwurf aus dem Justizministerium
kürzlich gebilligt hat. Von Verbändeseite
ist trotz Nachbesserungen Kritik laut ge­
worden. Warum verunsichert aus Ihrer
Sicht der Gesetzentwurf kooperationswil­
lige Ärzte?
DR. WOLFGANG WESIACK:
Die Nach­
besserungen haben, wenn man ins De­
tail geht, keine Verbesserungen, son­
dern zusätzliche Verschlechterungen
gebracht. Weiterhin werden Kooperati­
onen unter den Generalverdacht der
Korruption gestellt, da sie nicht aus­
drücklich im Gesetzentwurf als erlaubt
genannt werden. Wir befürchten des­
halb flächendeckende Anzeigen vor al­
lem von Krankenkassen.
Aber die Ambulante Spezialfachärztlich
Versorgung (ASV), das ambulante Ope­
rieren sowie die integrierte Versorgung
sind doch explizit ausgenommen worden
– reicht Ihnen das nicht aus?
Nein! Was ist mit den 140er Verträgen
und den Kooperationsverträgen zwi­
schen Vertragsärzten und Krankenhäu­
sern, die privatrechtlich abgeschlossen
sind und an der Grenze ambulant / sta­
tionär seit Jahren Versorgungsdefizite
abdecken? Hier können die Kranken­
kassen solche Verträge allein durch eine
Anzeige ausspionieren, auch wenn sich
herausstellt, dass nichts Strafbares ge­
schehen ist. Das ist Wettbewerbsverzer­
rung und schon für sich genommen ein
Skandal, wie ich finde.
Inwieweit könnten Kooperationen des BDI
und seiner Mitglieder durch das Gesetz in
seiner jetzigen Fassung betroffen sein?
Mitglieder des Berufsverbandes Deut­
scher Internisten sind in allen Versor­
gungsformen, ob stationär, ob ambu­
lant, hausärztlich, fachärztlich und in
der Ambulanten Spezialfachärztlichen
Versorgung tätig. Sie sind deshalb im­
mer betroffen.
Wie wollen Sie hier als Verband die Ärzte
unterstützen?
Zunächst einmal durch Informationen
und Aufklärung. Außerdem werden
wir weiter bei der Politik auch über
die Allianz Deutscher Ärzteverbände,
wo wir ja Gründungsmitglied sind,
vorstellig werden. Wir hoffen, dass wir
in den Anhörungen zum Gesetzent­
wurf Gehör finden.
Apropos Kooperationen: Vor wenigen Wo­
chen ist das Versorgungsstärkungs­Gesetz
(VSG) in Kraft getreten. Der BDI hat
sich für einen gangbaren Weg bei der ASV
stark gemacht: Wird es aus Ihrer Sicht
jetzt den langerwarteten Durchbruch ge­
ben?
Der Weg wird steinig bleiben. Die
Krankenkassen und auch die Deut­
sche Krankenhausgesellschaft wollen
die ASV nicht; der größte Bremser ist
zur Zeit jedoch die KBV. Hier erwar­
ten wir, dass der Vorstandsvorsitzende
der KBV die Reißleine zieht und sich
für die ASV einsetzt. Der BDI tritt
weiterhin für die ASV ein, da sie die
Versorgung verbessert – insbesondere
für schwerkranke Patienten.
Andere Teile des VSG sind auf große
Kritik gestoßen, konnten aber letztlich
nicht mehr wegverhandelt werden, etwa
die Termin­Servicestellen. Welche Progno­
se geben Sie dazu ab: Welche Bedeutung
werden TSS im realen Versorgungsgesche­
hen haben?
Wahrscheinlich einen geringen Anteil,
da die Versorgung der Patienten in
Deutschland gut ist. Das zeigen auch
alle internationalen Vergleiche. Ein­
schneidender und gefährlicher ist die
neue Soll­Bestimmung bei der Be­
darfsplanung. Nach welchen Kriterien
sollen in Zukunft Zulassungsausschüs­
se entscheiden, wo doch alle wissen,
dass die Bedarfsplanung den medizini­
schen Bedarf nicht wirklich wiedergibt
und willkürlich ist. In Zeiten eines
drohenden Ärztemangels ist dies für
niederlassungswillige Kolleginnen und
Kollegen ein verheerendes Signal.
Auch bei einem anderen Thema, dem E­
Health­Gesetz, macht der Gesetzgeber
Druck. Drohen ärztliche Verbände bei dem
Thema ihre Gestaltungsmacht zu verlieren?
Der Einfluss ärztlicher Verbände ein­
schließlich KBV und BÄK geht konti­
nuierlich zurück. Ärztliches Wissen und
ärztliche Ratschläge sind in der Politik
immer weniger gefragt. Beim geplanten
E­Health­Gesetz haben sich die Akteu­
re nicht mit Ruhm bekleckert.
Haben der BDI und seine Mitglieder hier
nicht zu lange auf der Bremse gestanden?
Immerhin geht es grob gesagt um eine Ver­
besserung des interkollegialen Austauschs?
Wir unterstützen das Ziel einer
schnellen Befundübermittlung. Elekt­
ronische Kommunikation ist nicht
aufzuhalten. Wir sollten sie deshalb im
Interesse unserer Patienten aktiv mit­
gestalten und nicht nur über Datensi­
cherheit; so wichtig wie sie auch ist,
diskutieren. Ein datentransparentes
Gesundheitswesen a la Google lehnen
wir vehement ab.
Beim nächsten Internistentag wird auch
das Thema Weiterbildung wieder disku­
tiert werden. Eine Umfrage der jungen
Ärzte aus DGIM und BDI hat erst
kürzlich gezeigt, dass die Weiterbildungs­
assistenten mehr Struktur fordern. Fern­
ab von einer Novellierung der Weiterbil­
dungsordnung hat sich der BDI mit dem
Berufsverband der Chirurgen zusammen
getan, um mit dem „Mastertrainer“ ein
gemeinsames Konzept für die Ausbilder
in den Kliniken auf den Weg zu bringen.
Warum?
Die Weiterbildung war in der Vergan­
genheit in den Kliniken eher eine Art
Abfallprodukt denn ein systematisches
und persönlich strukturiertes Pro­
gramm. Ärztliche Weiterbildung ist ei­
ne schwierige und umfangreiche Bau­
stelle. Deshalb bedarf es hier auch
sehr viel Fingerspitzengefühl. Kern­
punkte wie Weiterbildungszeit, Ar­
beitszeit und Arbeitsinhalte sind nach
wie vor nicht gelöst.
Worin liegen konkret die Vorteile des Pro­
gramms für Ausbilder und Assistenten?
In der Verbesserung der individuellen
Zufriedenheit und in der Steigerung
der Effizienz.
Lassen sich damit die wichtigsten Kritik­
punkte der Weiterbildungsassistenten –
nämlich dass es zu wenig Feedback von
den Ausbildern, eine unplanbare Rotation
und kaum Zeit für die Forschung gibt –
lösen?
Wir hoffen, dass dies eine wesentliche
Verbesserung darstellt. Theorie ist
aber das eine, die Praxis das andere.
Dieser Praxistest muss erst noch be­
standen werden.
Wolfgang van den Bergh ist Chefredakteur
der Ärzte Zeitung.
Die aktuellen Regelungen
im Anti­Korruptionsgesetz
und die Unwuchten bei der
Besetzung von Praxissitzen
aufgrund einer „willkürli­
chen“ Bedarfsplanung las­
sen Dr. Wolfgang Wesiack
eher kritisch in die Zukunft
blicken. Beim E­Health­
Gesetz sollten die ärzt­
lichen Gremien versuchen,
wieder ihre Gestaltungs­
macht zurückzugewinnen,
fordert der BDI­Präsident.
„Wir befürchten viele Anzeigen
von den Kassen“
Das Interview führte
Wolfgang van den Bergh
BDI­Chef Dr. Wolfgang Wesiack (li.) im Gespräch mit Wolfgang van den Bergh (Archivbild).
© SVEN BRATULIC
Dr. Wolfgang Wesiack
Aktuelle Position:
seit 2004
Präsident des Berufsverbandes
Deutscher Internisten
Ausbildung/Werdegang:
Studium in München und
Hamburg, 1973 Staatsexamen,
1981 Facharzt für Innere
Medizin, 1983 Niederlassung
in Hamburg
Karriere:
1995/96 Vorsitzender
der KV Hamburg; seit 1994
Mitglied der Delegiertenver­
sammlung der Ärztekammer
Hamburg
4
Oktober 2015
BDI aktuell
Berufspolitik
Der unvoreingenommene Beobach­
ter der Szene in der Kassenärztli­
chen Bundesvereinigung (KBV)
war eigentlich der Meinung, dass
sich das Chaos in dieser Körper­
schaft nicht weiter vergrößern lässt.
Hausärzte gegen Fachärzte, Falk­
KVen gegen nicht Falk­KVen,
Hauptamtler gegen Ehrenamtler,
der 1. Vorsitzende der KBV gegen
die 2. Vorsitzende der KBV, alle ge­
gen alle. Das alles in einer Diskussi­
on mit Tonlagen, die nicht mehr zu
einem akademischen Beruf passen.
Aber das Ganze kann weiter ge­
toppt werden. Mitglieder der Ver­
treterversammlung haben Strafan­
zeige gegen den ehemaligen KBV­
Chef Dr. Andreas Köhler und den
derzeitigen Vorsitzenden der Vertre­
terversammlung Hans­Jochen
Weidhaas gestellt. Belobigt wird nur
die 2. Vorsitzende Regina Feld­
mann, die den, so der O­Ton aus
der Vertreterversammlung Westfa­
len­Lippe, „Misthaufen“ in der
KBV beseitigen würde. Jetzt soll die
Staatsanwaltschaft helfen, weil man
wohl nicht in der Lage ist, intern
die Vorgänge weiter aufzuklären.
Dazu braucht man „nur Leute, die
das professionell können“. Sehr in­
teressante Bemerkung, zeigt sie
doch, dass man die bereits öffent­
lich vorgetragenen Anschuldigun­
gen gegen die Betroffenen immer
noch nicht belegen kann.
Die Staatsanwaltschaft wird sich
freuen, als Hilfstruppe für die Ver­
gangenheitsbewältigung der KBV
missbraucht zu werden.
Hilfstruppe im
KBV­Gerangel
DER CHEFREDAKTEUR MEINT
Schreiben Sie dem Autor unter:
berufspolitik@bdi­aktuell.de
Von
Dr. Hans­Friedrich Spies
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