Das Honorarplus von 250 Millionen
Euro in 2016 (BDIaktuell, Nr.9,
Seite1) sieht nach außen hin nach
viel mehr aus, als es tatsächlich
ist. Und sollte daher realistischer
betrachtet werden, meint Dr. And
reas Hellmann, Vorsitzender des
Bundesverbands der Pneumologen:
Unter Honorar 2016 wird uns auf
Seite 1 des Septemberheftes mitge
teilt, dass die Vertragsärzte im nächs
ten Jahr 250 Millionen mehr erhalten
werden, weil der Behandlungsbedarf
gestiegen ist. Solche Meldungen wer
den gerne in der Laienpresse wieder
holt, mit der Folge, dass der geneigte
Leser tief durchatmet und seufzt:
ganz ordentlich, was die Ärzte schon
wieder mehr bekommen und trotz
dem immer noch jammern.
Also sollten zumindest wir in un
seren eigenen Medien korrekt blei
ben: Die Ärzte bekommen nicht 250
Millionen mehr, sondern wir bekom
men die Lizenz, für 250 Millionen
mehr zu arbeiten! Dafür müssen wir
den gestiegenen Behandlungsbedarf
abarbeiten, erst dann können wir auf
das Geld hoffen. Und wieso spre
chen wir eigentlich immer über zig
Millionen und nicht über die paar
minime Prozentchen, die diese 250
Millionen tatsächlich sind, und die
noch nicht einmal sicher sind ...
Honorarplus
im unteren
Prozentbereich
LESERBRIEF
Dr. Wesiack: Die parlamentarischen Be
ratungen zum AntiKorruptionsgesetz
haben begonnen, nachdem das Kabinett
den Entwurf aus dem Justizministerium
kürzlich gebilligt hat. Von Verbändeseite
ist trotz Nachbesserungen Kritik laut ge
worden. Warum verunsichert aus Ihrer
Sicht der Gesetzentwurf kooperationswil
lige Ärzte?
DR. WOLFGANG WESIACK:
Die Nach
besserungen haben, wenn man ins De
tail geht, keine Verbesserungen, son
dern zusätzliche Verschlechterungen
gebracht. Weiterhin werden Kooperati
onen unter den Generalverdacht der
Korruption gestellt, da sie nicht aus
drücklich im Gesetzentwurf als erlaubt
genannt werden. Wir befürchten des
halb flächendeckende Anzeigen vor al
lem von Krankenkassen.
Aber die Ambulante Spezialfachärztlich
Versorgung (ASV), das ambulante Ope
rieren sowie die integrierte Versorgung
sind doch explizit ausgenommen worden
reicht Ihnen das nicht aus?
Nein! Was ist mit den 140er Verträgen
und den Kooperationsverträgen zwi
schen Vertragsärzten und Krankenhäu
sern, die privatrechtlich abgeschlossen
sind und an der Grenze ambulant / sta
tionär seit Jahren Versorgungsdefizite
abdecken? Hier können die Kranken
kassen solche Verträge allein durch eine
Anzeige ausspionieren, auch wenn sich
herausstellt, dass nichts Strafbares ge
schehen ist. Das ist Wettbewerbsverzer
rung und schon für sich genommen ein
Skandal, wie ich finde.
Inwieweit könnten Kooperationen des BDI
und seiner Mitglieder durch das Gesetz in
seiner jetzigen Fassung betroffen sein?
Mitglieder des Berufsverbandes Deut
scher Internisten sind in allen Versor
gungsformen, ob stationär, ob ambu
lant, hausärztlich, fachärztlich und in
der Ambulanten Spezialfachärztlichen
Versorgung tätig. Sie sind deshalb im
mer betroffen.
Wie wollen Sie hier als Verband die Ärzte
unterstützen?
Zunächst einmal durch Informationen
und Aufklärung. Außerdem werden
wir weiter bei der Politik auch über
die Allianz Deutscher Ärzteverbände,
wo wir ja Gründungsmitglied sind,
vorstellig werden. Wir hoffen, dass wir
in den Anhörungen zum Gesetzent
wurf Gehör finden.
Apropos Kooperationen: Vor wenigen Wo
chen ist das VersorgungsstärkungsGesetz
(VSG) in Kraft getreten. Der BDI hat
sich für einen gangbaren Weg bei der ASV
stark gemacht: Wird es aus Ihrer Sicht
jetzt den langerwarteten Durchbruch ge
ben?
Der Weg wird steinig bleiben. Die
Krankenkassen und auch die Deut
sche Krankenhausgesellschaft wollen
die ASV nicht; der größte Bremser ist
zur Zeit jedoch die KBV. Hier erwar
ten wir, dass der Vorstandsvorsitzende
der KBV die Reißleine zieht und sich
für die ASV einsetzt. Der BDI tritt
weiterhin für die ASV ein, da sie die
Versorgung verbessert – insbesondere
für schwerkranke Patienten.
Andere Teile des VSG sind auf große
Kritik gestoßen, konnten aber letztlich
nicht mehr wegverhandelt werden, etwa
die TerminServicestellen. Welche Progno
se geben Sie dazu ab: Welche Bedeutung
werden TSS im realen Versorgungsgesche
hen haben?
Wahrscheinlich einen geringen Anteil,
da die Versorgung der Patienten in
Deutschland gut ist. Das zeigen auch
alle internationalen Vergleiche. Ein
schneidender und gefährlicher ist die
neue SollBestimmung bei der Be
darfsplanung. Nach welchen Kriterien
sollen in Zukunft Zulassungsausschüs
se entscheiden, wo doch alle wissen,
dass die Bedarfsplanung den medizini
schen Bedarf nicht wirklich wiedergibt
und willkürlich ist. In Zeiten eines
drohenden Ärztemangels ist dies für
niederlassungswillige Kolleginnen und
Kollegen ein verheerendes Signal.
Auch bei einem anderen Thema, dem E
HealthGesetz, macht der Gesetzgeber
Druck. Drohen ärztliche Verbände bei dem
Thema ihre Gestaltungsmacht zu verlieren?
Der Einfluss ärztlicher Verbände ein
schließlich KBV und BÄK geht konti
nuierlich zurück. Ärztliches Wissen und
ärztliche Ratschläge sind in der Politik
immer weniger gefragt. Beim geplanten
EHealthGesetz haben sich die Akteu
re nicht mit Ruhm bekleckert.
Haben der BDI und seine Mitglieder hier
nicht zu lange auf der Bremse gestanden?
Immerhin geht es grob gesagt um eine Ver
besserung des interkollegialen Austauschs?
Wir unterstützen das Ziel einer
schnellen Befundübermittlung. Elekt
ronische Kommunikation ist nicht
aufzuhalten. Wir sollten sie deshalb im
Interesse unserer Patienten aktiv mit
gestalten und nicht nur über Datensi
cherheit; so wichtig wie sie auch ist,
diskutieren. Ein datentransparentes
Gesundheitswesen a la Google lehnen
wir vehement ab.
Beim nächsten Internistentag wird auch
das Thema Weiterbildung wieder disku
tiert werden. Eine Umfrage der jungen
Ärzte aus DGIM und BDI hat erst
kürzlich gezeigt, dass die Weiterbildungs
assistenten mehr Struktur fordern. Fern
ab von einer Novellierung der Weiterbil
dungsordnung hat sich der BDI mit dem
Berufsverband der Chirurgen zusammen
getan, um mit dem Mastertrainer ein
gemeinsames Konzept für die Ausbilder
in den Kliniken auf den Weg zu bringen.
Warum?
Die Weiterbildung war in der Vergan
genheit in den Kliniken eher eine Art
Abfallprodukt denn ein systematisches
und persönlich strukturiertes Pro
gramm. Ärztliche Weiterbildung ist ei
ne schwierige und umfangreiche Bau
stelle. Deshalb bedarf es hier auch
sehr viel Fingerspitzengefühl. Kern
punkte wie Weiterbildungszeit, Ar
beitszeit und Arbeitsinhalte sind nach
wie vor nicht gelöst.
Worin liegen konkret die Vorteile des Pro
gramms für Ausbilder und Assistenten?
In der Verbesserung der individuellen
Zufriedenheit und in der Steigerung
der Effizienz.
Lassen sich damit die wichtigsten Kritik
punkte der Weiterbildungsassistenten
nämlich dass es zu wenig Feedback von
den Ausbildern, eine unplanbare Rotation
und kaum Zeit für die Forschung gibt
lösen?
Wir hoffen, dass dies eine wesentliche
Verbesserung darstellt. Theorie ist
aber das eine, die Praxis das andere.
Dieser Praxistest muss erst noch be
standen werden.
Wolfgang van den Bergh ist Chefredakteur
der Ärzte Zeitung.
Die aktuellen Regelungen
im AntiKorruptionsgesetz
und die Unwuchten bei der
Besetzung von Praxissitzen
aufgrund einer „willkürli
chen“ Bedarfsplanung las
sen Dr. Wolfgang Wesiack
eher kritisch in die Zukunft
blicken. Beim EHealth
Gesetz sollten die ärzt
lichen Gremien versuchen,
wieder ihre Gestaltungs
macht zurückzugewinnen,
fordert der BDIPräsident.
Wir befürchten viele Anzeigen
von den Kassen
Das Interview führte
Wolfgang van den Bergh
BDIChef Dr. Wolfgang Wesiack (li.) im Gespräch mit Wolfgang van den Bergh (Archivbild).
© SVEN BRATULIC
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Dr. Wolfgang Wesiack
Aktuelle Position:
seit 2004
Präsident des Berufsverbandes
Deutscher Internisten
Ausbildung/Werdegang:
Studium in München und
Hamburg, 1973 Staatsexamen,
1981 Facharzt für Innere
Medizin, 1983 Niederlassung
in Hamburg
Karriere:
1995/96 Vorsitzender
der KV Hamburg; seit 1994
Mitglied der Delegiertenver
sammlung der Ärztekammer
Hamburg
4
Oktober 2015
BDI aktuell
Berufspolitik
Der unvoreingenommene Beobach
ter der Szene in der Kassenärztli
chen Bundesvereinigung (KBV)
war eigentlich der Meinung, dass
sich das Chaos in dieser Körper
schaft nicht weiter vergrößern lässt.
Hausärzte gegen Fachärzte, Falk
KVen gegen nicht FalkKVen,
Hauptamtler gegen Ehrenamtler,
der 1. Vorsitzende der KBV gegen
die 2. Vorsitzende der KBV, alle ge
gen alle. Das alles in einer Diskussi
on mit Tonlagen, die nicht mehr zu
einem akademischen Beruf passen.
Aber das Ganze kann weiter ge
toppt werden. Mitglieder der Ver
treterversammlung haben Strafan
zeige gegen den ehemaligen KBV
Chef Dr. Andreas Köhler und den
derzeitigen Vorsitzenden der Vertre
terversammlung HansJochen
Weidhaas gestellt. Belobigt wird nur
die 2. Vorsitzende Regina Feld
mann, die den, so der OTon aus
der Vertreterversammlung Westfa
lenLippe, Misthaufen in der
KBV beseitigen würde. Jetzt soll die
Staatsanwaltschaft helfen, weil man
wohl nicht in der Lage ist, intern
die Vorgänge weiter aufzuklären.
Dazu braucht man nur Leute, die
das professionell können. Sehr in
teressante Bemerkung, zeigt sie
doch, dass man die bereits öffent
lich vorgetragenen Anschuldigun
gen gegen die Betroffenen immer
noch nicht belegen kann.
Die Staatsanwaltschaft wird sich
freuen, als Hilfstruppe für die Ver
gangenheitsbewältigung der KBV
missbraucht zu werden.
Hilfstruppe im
KBVGerangel
DER CHEFREDAKTEUR MEINT
Schreiben Sie dem Autor unter:
berufspolitik@bdiaktuell.de
Von
Dr. HansFriedrich Spies