BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 6

Angesichts der jüngsten Irritationen
zum Verhandlungsstand der neuen
GOÄ fordert der Spitzenverband
Fachärzte Deutschlands (SpiFa),
dass die GOÄ endlich wieder
„Chefsache“ von Bundesärztekam­
mer­Präsident Professor Frank Ul­
rich Montgomery wird.
Das jetzt entstandene Kommuni­
kationschaos, in dem zweistellige Stei­
gerungen als Ergebnis verkündet und
die Bundesärztekammer umgehend
gemeinsam mit dem PKV­Verband
dementiert und erklärt, es werde im­
mer noch die Absenkung von Leis­
tungen verhandelt, verursache bei al­
len Ärzten große Verwirrung. „Daher
ist es jetzt die zentrale Aufgabe des
Präsidenten der Bundesärztekammer,
als dem Sachwalter der ärztlichen
Freiberuflichkeit, eine GOÄ durchzu­
setzen, die die für das Vertrauensver­
hältnis zwischen Arzt und Patient
notwendige Transparenz in Vergü­
tungsfragen herstellt“, so SpiFa­Vor­
standsmitglied Dr. Hans­Friedrich
Spies.
Eine in weiten Teilen über 20 Jah­
re alte Gebührenordnung, die neue
Leistungen in für Patienten nicht
nachvollziehbaren Analog­Ziffern ab­
rechnet ist laut Spies einem Berufs­
stand, der auf dem aktuellen Stand
der Wissenschaft behandelt, nicht
mehr zumutbar. Was für andere freie
Berufe selbstverständlich sei – eine ei­
genständige Gebührenordnung – ,
werde bei den Ärzten seit über 20
Jahren verschleppt: die Reformierung
der berufsständischen Gebührenord­
nung, stellt der SpiFa­Vorsitzende
Dr. Dirk Heinrich klar.
(eb)
SpiFa fordert:
Montgomery,
übernehmen Sie!
GOÄ­VERHANDLUNGEN
65 Prozent der in Deutschlands Pra­
xen tätigen Ärzte waren Ende 2013
50 Jahre oder älter. Gut ein Viertel
war sogar 60 Jahre oder älter. Das
hat das Statistische Bundesamt er­
mittelt. Bei den Psychotherapeuten
lag die Quote der mindestens 50­
Jährigen sogar bei 69 Prozent. Im
Vergleich dazu hatten laut der Bun­
desstatistiker von den insgesamt
5,1 Millionen Beschäftigten im Ge­
sundheitswesen 36 Prozent ein Alter
von mindesten 50 Jahren.
Die Daten belegen erneut den
Trend in der ambulanten Versorgung:
In den nächsten fünf bis zehn Jahren
kommt ein großer Bedarf an Praxis­
nachfolgern auf uns zu. Dabei zeigt
die Ärztestatistik der Bundesärzte­
kammer, dass jedoch auch hier zu­
nehmend Mangel besteht: 2014 lag
der Anteil der unter 35­jährigen Ärzte
bei 18,3 Prozent. 1993 waren es noch
26,6 Prozent.
(reh)
Ärzte in Praxen
werden immer
älter
STATISTISCHES BUNDESAMT
Schon seit Jahren beauftragt die Kas­
senärztliche Bundesvereinigung (KBV)
die Forschungsgruppe „Wahlen“ mit
einer Telefonumfrage. Dabei geht es
um das Verhalten, aber auch die Be­
findlichkeit der Bevölkerung in
Deutschland, wenn es um die Gesund­
heitsversorgung geht. Inzwischen lie­
gen auch Daten von 2008 durchge­
hend bis 2015 vor, sodass man die
Stimmungslage auch in ihrer Entwick­
lung bewerten kann.
Inanspruchnahme:
86 Prozent al­
ler 18­bis 79­Jährigen sind in den
letzten zwölf Monaten bei einem Arzt
gewesen. Davon haben 39 Prozent nur
einen Hausarzt, 15 Prozent nur einen
Facharzt und 46 Prozent sowohl
Haus­als auch Facharzt aufgesucht.
Dies bedeutet, dass im letzten Jahr
61 Prozent eine fachärztliche Versor­
gung in Anspruch genommen haben.
Es wurde auch die Anzahl der Arzt­
besuche im letzten Jahr hinterfragt
und dabei nach ein bis zwei, drei bis
zehn über zehn Mal im Jahr differen­
ziert. Seit 2008 hat es keine nennens­
werte Verschiebung gegeben. Bei den
Facharztbesuchen gab es übrigens kei­
ne nennenswerte Differenz zwischen
gesetzlich und privat Versicherten. Bei
den Hausärzten ist der Unterschied
gering: Die Frequenz der Besuche war
bei den privat etwas niedriger als bei
den gesetzlich versicherten Patienten.
Praxis:
Es ist auffallend, dass die
ganz überwiegende Anzahl der Praxis­
besuche mit einem Arztkontakt ver­
bunden ist. Im hausärztlichen Bereich
erledigen die Mitarbeiter 16 Prozent
der Fälle, im fachärztlichen Bereich
sind es nur 5 Prozent. Dies ist über die
unterschiedlichen Aufgaben von
Haus­ und Fachärzten bei der Grund­
versorgung hinreichend erklärbar.
Überweisungsverhalten:
64 Pro­
zent der Patienten besuchen den Fach­
arzt ohne einen Überweisungsschein
vom Hausarzt, einem anderen Fach­
arzt oder einem Krankenhaus. Nur
35 Prozent sind überwiesen. Hier be­
stehen erhebliche Differenzen zwi­
schen privat und gesetzlich Versicher­
ten: 59 Prozent der gesetzlich Versi­
cherten kommen ohne Überweisungs­
schein, bei den privat Versicherten
sind es 86 Prozent. Der Wunsch nach
einem bestimmten behandelnden
Facharzt ist bei den Fachgruppen un­
terschiedlich. Beim Frauenarzt und
beim Internisten legen darauf nur
16 Prozent der Patienten Wert, wäh­
rend beim Hautarzt und beim HNO­
Arzt dies bei 36 bzw. 51 Prozent der
Fälle gewünscht wird.
Wartezeit:
Die Wartezeit auf einen
Arzttermin hat sich im Vergleich zu
2009 nur geringfügig verändert. Kei­
nerlei Wartezeit gaben 2008 50 Pro­
zent an, 2015 waren es 47 Prozent.
Über drei Tage auf einen Termin war­
ten mussten 2008 31 Prozent, 2015
waren es 37 Prozent. Eine leichte Ten­
denz zur Verlängerung der Wartezeit
ist somit zu beobachten. In der fach­
ärztlichen Versorgung bestätigt sich
dies: 2008 mussten 54 Prozent länger
als drei Tage warten, 2015 waren es
62 Prozent. Die Entwicklung ist aber
weitaus weniger ausgeprägt, als nach
der öffentlichen Diskussion über Ter­
minvergabestellen zu vermuten wäre.
Die Wartezeiten verkürzten sich
entscheidend, wenn die Überweisung
und die Terminvereinbarung durch
den Hausarzt erfolgten. Der Anteil je­
ner, die über drei Tage warten muss­
ten, fiel dabei von 62 auf 48 Prozent.
Freie Arztwahl:
Grundsätzlich
wird im deutschen Gesundheitswesen
immer wieder die Frage eines Primär­
arztmodells diskutiert. Dabei geht es
um die Bereitschaft der Patienten, den
Facharzt nur nach einer Überweisung
durch den Hausarzt aufzusuchen. Hier
gibt es eine deutliche Tendenz der Be­
reitschaft, Wahltarife zu akzeptierten,
die eine primärärztliche Versorgung
vorsehen. So sind inzwischen 68 Pro­
zent der Versicherten dazu bereit, nur
16 Prozent lehnen dies strikt ab. Die
Bereitschaft hat im Vergleich zu den
Untersuchungen in 2008 um neun
Prozentpunkte zugenommen.
Weitere Abrechnungsmodelle wie
Kostenerstattung, anteilige Beteiligung
an den Behandlungskosten oder Arzt­
wahl durch die Krankenkasse werden
weiter von den Versicherten mehr oder
weniger rigoros abgelehnt. Es stellt
sich hier die Frage, ob die deutschen
Versicherten auch dann noch bereit
sind, ein Primärarztmodell in dieser
hohen Prozentzahl zu akzeptieren,
wenn ihnen bewusst wäre, dass sie bei
einem Primärbesuch beim Facharzt als
Selbstzahler behandelt werden.
Unterversorgung:
Zur Zeit wird
über die Bedarfsplanungsrichtlinie
grundsätzlich diskutiert und von einer
ausgeprägten, in der Fläche sichtbaren
Über­und Unterversorgung anhand
von Anhaltszahlen gesprochen. Inte­
ressant ist die Umfrage, weil sie die ge­
fühlte Über­ oder Unterversorgung bei
den betroffenen Versicherten darstellt.
Die Hausarztversorgung wird nur von
5 Prozent der Versicherten als proble­
matisch eingestuft, in den neuen Bun­
desländern sind dies mit 9 Prozent et­
was mehr. Entgegen der öffentlichen
Diskussion wird die fachärztliche Ver­
sorgung deutlich problematischer
wahrgenommen als die hausärztliche.
Das Ergebnis dieser Umfrage sollte
unseren politisch Verantwortlichen bei
der Bedarfsplanung ernsthaft zu den­
ken geben.
Interessant sind noch die Vorgaben
zum ärztlichen Bereitschaftsdienst, die
die Entwicklung bestätigen, dass im­
mer mehr Versicherte im Notfall die
Krankenhäuser aufsuchen. In 2006
waren dies 29 Prozent, 2015 sind es
41 Prozent. Dementsprechend redu­
ziert sich die Inanspruchnahme des
ärztlichen Bereitschaftsdienstes von 25
auf 20 Prozent und der Hausärzte in
den Praxen von 15 auf 6 Prozent. Die
Zahlen zeigen somit eine Verschiebung
der Notfallversorgung aus dem tägli­
chen Betrieb der hausärztlichen Praxis
und des Kassenärztlichen Bereit­
schaftsdienstes hin in die Krankenhäu­
ser. Man kann der Selbstverwaltung
nur empfehlen, diese Zahlen ernst zu
nehmen und sich über die Hintergrün­
de zu informieren.
Versichertenbefragung: Patienten
denken anders als Politiker
Die Versichertenbefragung
der KBV lässt einen Blick
tief in den Versorgungsall­
tag in deutschen Arztpraxen
zu. So manches Versor­
gungsproblem wird von
Patienten offenbar anders
eingeschätzt als in der
Politik. Mit Konsequenzen?
Von Dr. Hans­Friedrich Spies
Grafik: BDI aktuell
Quelle:Forschungsgruppe Wahlen, KBV
Ergebnisse der KBV-Versichertenbefragung
Die Mehrheit geht direkt zum Facharzt
Auf die Frage:
„War es Ihnen wichtig,
zu einem bestimmten
Facharzt überwiesen zu
werden?“ antworteten:
34%
Nein
Auf Frage:
„Wurden Sie zu ihrem
letzten Besuch beim
Facharzt überwiesen?“
antworteten
Nein
64%
Ja, vom
Hausarzt
29,75%
Ja, vom
Facharzt
4,2%
Ja, vom
Krankenhaus
1,05%
64%
Ja
*Fehlende Werte zu 100%:
keine Angabe
Versichertenbefragung
der KBV 2015
Regelmäßig durchgeführte
repräsentative Umfrage
unter
der deutschen Wohnbevölkerung
im Alter von 18 bis 79 Jahren im
Auftrag der KBV
Umsetzung:
Forschungsgruppe
„Wahlen“
Erhebungszeitraum:
30. März
bis 5. Mai 2015
Grundgesamtheit:
n = 6089
Die Ergebnisse der Umfrage sind
abrufbar unter:
(Suche „Versichertenbefragung“)
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