BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 9

Der Internistentag hat ein Format ge­
funden, das ausbaufähig ist und sich be­
währt hat, lautete das Resümee von
BDI­Präsident Dr. Wolfgang Wesiack
bei der Eröffnung des diesjährigen
8. Deutschen Internistentags im Berli­
ner Langenbeck­Virchowhaus. Das be­
stätigte auch der Präsident der Deut­
schen Gesellschaft für Innere Medizin
(DGIM), Professor Gerd Hasenfuß aus
Göttingen. Die wissenschaftliche Ge­
sellschaft wolle sich in enger Kooperati­
on mit dem BDI um die wichtigsten
Themen für die Internisten kümmern.
Dazu gehört nicht zuletzt der demogra­
fische Wandel. Er treffe auf eine techni­
sche Revolution und verändere die Me­
dizin und vice versa. „DGIM und BDI
können zusammen viel bewegen.“
Facharzt­EBM soll 2017 kommen
In der Person des KBV­Vorsitzenden
Dr. Andreas Gassen begrüßte Wesiack
den „Kapitän eines angeschlagenen
Schiffs auf stürmischer See“. Dieser
ging auf die momentanen Wirren inner­
halb der KBV­Spitze nicht ein, sondern
wies auf die Probleme mit der aktuellen
Gesetzgebung hin. Man begrüße zwar
das Präventionsgesetz, doch sei nicht zu
verstehen, dass hier vielfach auf ärztli­
chen Sachverstand verzichtet werde.
Beim Versorgungsstärkungsgesetz sei es
den Ärzten leider nicht gelungen, die
bürokratischen Terminservicestellen zu
verhindern. Der „wesentliche Acker“,
den es derzeit zu bestellen gebe, sei der
fachärztliche EBM. Er hoffe, dass man
die Arbeitsverdichtung abbilden und ei­
ner Vergütung zuführen könne. Mit ei­
nem Inkrafttreten sei sicher Anfang
2017 zu rechnen. Dem BDI dankte
Gassen für die aktive Unterstützung sei­
ner Arbeit.
Mit einem schwierigen Thema be­
fasste sich der Festvortrag von Profes­
sor Karl Max Einhäupl, Neurologe
und Vorstandsvorsitzender der Chari­
té: medizinischer Fortschritt und ethi­
scher Zwiespalt am Lebensende.
Wo bleibt das Patientenwohl?
Der medizinische Fortschritt wird be­
sonders sichtbar in den Organtrans­
plantationen. Diese sind nur dadurch
möglich geworden, dass das Konzept
des Hirntods gefunden worden ist.
Dieses wird, so Einhäupl, immer noch
vielfach infrage gestellt. Die Diskussi­
on in den letzten Jahren hat dazu ge­
führt, dass die Zahl der Transplantati­
onen rückläufig ist. Er führte einige
Beispiele dieser Diskussion auf:
Das apallische Syndrom (Wachkoma)
tritt immer häufiger auf und stellt die Be­
handler vor die Frage: Was tun wir da?
Das Locked­in­Syndrom: Hier ist
der Mensch noch voll wach, aber
nicht in der Lage, eine Information
nach außen zu transportieren.
Unsere Gesellschaft wird älter und
typische Alterskrankheiten wie die
Alzheimer Demenz nehmen zu. Viele
Ärzte haben Angst, weil sie nicht wis­
sen, wie sie damit umgehen sollen.
Vor diesem Hintergrund hat das The­
ma Sterbehilfe an Bedeutung gewon­
nen. Das Auseinanderdriften des me­
dizinischen und des juristischen Dis­
kurses, sagte Einhäupl, erschwert eine
Lösung. Seit 2010 ist die Einstellung
dazu durch ein BGH­Urteil wieder ei­
nigermaßen sicher geworden. Doch
der Neurologe ist nicht der Ansicht,
dass damit das Problem Sterbehilfe im
Sinne des Patienten gelöst ist.
Was ist mit der Willensbekundung
durch den Patienten? Ist eine 15 Jahre
alte Patientenverfügung heute noch gül­
tig? Es gibt Krankenhäuser, die jede
Form von Sterbehilfe ablehnen. Dazu
gibt es religiöse oder kulturelle Hinder­
nisse. Sind Palliativstationen oder Hos­
pize geeignet, den Wunsch nach einem
würdigen Tod zu erfüllen? Der Neuro­
loge zitierte den ehemaligen SPD­Politi­
ker Franz Müntefering, der gesagt hat:
Sterben kann gelingen. Er hielt dage­
gen: Sterben muss aber nicht gelingen.
Ärzte sind unsicher, weil sie ihre Pflich­
ten und Grenzen nicht kennen.
Einhäupl gab zu bedenken: Es wer­
de keine Gesetzesformulierung geben,
die nicht findigen Staatsanwälten Ge­
legenheit böte, sich mit skurrilsten Ar­
gumenten zu profilieren. Passive Ster­
behilfe sei alles andere als passiv, wenn
es darum gehe, Medikamente abzuset­
zen oder Geräte abzuschalten.
Über 70 Prozent der Bevölkerung,
sagte Einhäupl, würden eine Legalisie­
rung der aktiven Sterbehilfe begrüßen.
Doch die Frage, wie werde ich sterben,
ist eine der quälendsten Fragen, die sich
Menschen stellen. Immer werde dabei
nach Hilfe durch den Arzt gefragt. Die
Aussage „Wir lassen Sie nicht allein“ ist
laut Einhäupl eine der wichtigsten, die
Ärzte machen können. Er wünschte sich,
dass die kommende Gesetzgebung Ärz­
ten und Patienten die Situation leichter
macht, anstatt sie zu erschweren.
Ob beim Präventions­ oder
Versorgungsstärkungsge­
setz: Viel zu selten wird bei
der Gesetzgebung innerhalb
der Versorgung auf ärztli­
chen Sachverstand gesetzt.
Das zeigte sich auf dem
Deutschen Internistentag.
Besonders problematisch
ist das bei der Diskussion
um die Sterbehilfe.
Ärzte werden zu wenig einbezogen
Von Klaus Schmidt
Ich finde die Diskus­
sion, die in Juristen­
kreisen zur Sterbe­
hilfe geführt wird,
geradezu zynisch.
Prof. Karl Max Einhäupl
, Vorstands­
vorsitzender der Berliner Charité
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8. Deutscher Internistentag
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