In jeder Arztpraxis werden im Schnitt
pro Jahr mehr als 2800 Überweisun
gen, 600 Arbeitsunfähigkeitsbescheini
gungen und 300 Heilmittelverordnun
gen ausgestellt. Allein die Überweisun
gen beanspruchen jährlich 10,5 Perso
nentage je Praxis. Insgesamt müssen
die Praxen für bürokratische Aufgaben
pro Jahr durchschnittlich 96 Personen
tage aufbringen. Zu diesem Ergebnis
kommt der Nationale Normenkont
rollrat (NKR) in einer Untersuchung,
an der auch die Spitzenverbände der
Selbstverwaltung, das Gesundheitsmi
nisterium und das Statistische Bun
desamt teilgenommen haben.
Der größte zeitliche Aufwand ent
steht in den Bereichen, in denen Kos
tensteuerung eine große Rolle spielt:
Verordnungen und Bescheinigungen so
wie Anfragen von Kassen. Hier muss es
gelingen, den Fokus wieder stärker auf
die Behandlung der Patienten zu rich
ten, so KBVVize Regina Feldmann.
Dabei löst die Formularwut jährlich
Gesamtkosten von 4,33 Milliarden Eu
ro in den Arzt, Zahnarzt und psycho
therapeutischen Praxen aus. Mit rund
2,2 Milliarden Euro müssen die Ärzte
und Psychotherapeuten den größten
Kostenblock tragen. Die stärksten Kos
tentreiber bei den Ärzten und Psycho
therapeuten sind wiederum – analog zur
gebundenen Arbeitskraft – das Ausstel
len von Überweisungen (295 Mio. Eu
ro), Auskünfte an Krankenkassen auf
Vordrucken (292 Mio. Euro), das Be
scheinigen von Arbeitsunfähigkeit (164
Mio. Euro), die Befundübermittlungen
(131 Mio. Euro) und formfreie Aus
künfte an Kassen und Medizinische
Dienste (130 Mio. Euro). Allein diese
fünf Informationspflichten machen
knapp die Hälfte des Gesamtaufwands
aus. Die Daten hat der Normenkont
rollrat durch Interviews mit 277 Arzt
und Psychotherapiepraxis sowie 76
Zahnarztpraxen ermittelt.
Die Ärzte sperren sich laut dem
Bericht nicht generell gegen Doku
mentationspflichten. Als hinderlich
werde vielmehr das Zusammentref
fen vieler Informationspflichten im
Praxisalltag empfunden. Um Abhilfe
zu schaffen, hat der Rat aus seinen In
terviewergebnissen heraus 20 Hand
lungsempfehlungen für Kassen, ärztli
che sowie zahnärztliche Selbstverwal
tung und Politik erarbeitet. Immerhin
zwölf davon betreffen Ärzte und Psy
chotherapeuten.
Im Visier hat der Normenkontroll
rat hier auch die ausufernden Kassen
anfragen. Die Vordrucke dafür sollten
nach Meinung des Rates regelmäßig
überprüft und auf das aktuelle Versor
gungsgeschehen angepasst sowie
sprachlich vereinfacht werden. Außer
dem sollte eine digitale Übermittlung
geprüft werden. Die Arbeitsunfähig
keitsbescheinigung, die derzeit – je
nachdem ob noch Anspruch auf die
Entgeltfortzahlung durch den Arbeit
geber besteht oder nicht – über zwei
Vordrucke läuft, soll in einem Muster
gebündelt werden. Dieser Vorschlag
wird von KBV und Kassen auch
schon zum 1. Januar 2016 umgesetzt.
Alle künftigen Formulare und Ver
fahren nach dem Bundesmantelver
trag Ärzte sollen nach der Empfehlung
des Normenkontrollrates zudem vorab
in Pilotprojekten und regionen auf
ihre Praxistauglichkeit getestet wer
den. Viel Potenzial für bürokratische
Erleichterungen schreibt der Rat der
Praxissoftware zu. Es sollten feste
Ausfüllhilfen für Vordrucke in der
Software etabliert werden.
(reh/af)
Der BürokratieBericht des Normenkontroll
rates im Web:
Erstmals gibt es belegbare
Daten für die Bürokratielast
und die damit zusammen
hängenden Kosten in den
Vertragsarztpraxen. Letztere
belaufen sich auf über vier
Milliarden Euro pro Jahr.
Doch es gibt auch Ideen,
wie sich die Last mindern
ließe.
Praxisbürokratie kostet Milliarden
Im Schnitt 96 Personentage pro Jahr und Praxis gehen für Formulare und andere bürokratische Aufgaben drauf.
© GINA SANDERS / FOTOLIA.COM
Auch wenn noch einiges in Papierakten
festgehalten wird, Computer gehören in
der Universitätsmedizin natürlich längst
zum Alltag. Auf dem Visitenwagen fährt
beispielsweise ein Notebook mit. Bringt
es da Ärzten tatsächlich etwas, wenn sie
bei der Visite noch ein Tablet bei sich
haben? Dieser Frage ging ein For
schungsprojekt an der CharitéKlinik
für Neurologie in Berlin nach.
Ärzte, die regelmäßig an Rundgän
gen zur Visite teilnehmen, wurden in
die Arbeit mit elektronischen Patien
tenakten auf TabletComputern einge
wiesen. 14 Wochen lang wurden unter
anderem die Vorund Nachberei
tungszeiten der Visite und die Dauer
der Visite selbst erhoben. Gestoppt
wurde auch, wie viel Zeit die Ärzte di
rekt am Krankenbett verbringen und
wie lange sie zum Nachschlagen medi
zinischer Daten benötigen.
Auswertung überraschte die Ärzte
Die Auswertung der gesammelten Da
ten überraschte die Ärzte doch ein we
nig. Wir dachten, dass die Visite da
mit vielleicht schneller geht, berichtet
Professor Stephan Brandt, Stellvertre
tender Direktor der Klinik für Neuro
logie mit Experimenteller Neurologie.
Doch das Projekt zeigte, dass die Visi
te mit dem Tablet genauso lange dau
ert wie die konventionelle. Neu war,
dass die Ärzte nun aber mehr Zeit für
die Patienten hatten. Statt etwa vier
Minuten wie bei der althergebrachten
Visite verbrachten die Mediziner in
der mobilen Visite im Durchschnitt
eineinhalb Minuten mehr Zeit mit
dem Patienten.
Ein Grund dafür: Das Tablet be
schleunigt das Nachschauen von me
dizinischen Befunden in der elektroni
schen Patientenakte. Durchschnittlich
40 Sekunden sparten die Ärzte gegen
über dem Durchblättern der Papierak
te ein. Das ist Zeit, die unseren Pati
enten zu Gute kommt, sagt Brandt.
Auch in der Vor und Nachbereitung
konnten die Ärzte mithilfe des Tablets
deutlich Zeit einsparen. Sie verkürzten
sich um 18 beziehungsweise 15 Minu
ten. Mit den Tablets muss man im
Vorfeld nicht alles recherchieren, weil
man es auf dem Gerät schnell nachgu
cken kann, erklärt Brandt. Die Un
terlagen seien immer dort einsehbar,
wo man sie gerade benötige.
Flexibler Einsatz am Krankenbett
Die Ergebnisse des Forschungspro
jekts haben dazu geführt, dass an der
Klinik für Neurologie weitere Tablets
für die Visite bestellt wurden. Denn
mit den mobilen Endgeräten haben
Ärzte auch die Möglichkeit, Patienten
Aufnahmen einer Computertomogra
fie oder andere Bilder zu zeigen und
Befunde direkt am Krankenbett zu
besprechen. Für die Zukunft hofft
Brandt, dass die Ärzte über die Tab
lets auch klinische Aufträge wie etwa
die Anmeldung von CT vornehmen
können.
Die Charité ist indes kein Vorreiter,
was die Nutzung von TabletPC im
KlinikVersorgungsalltag angeht. So
greifen zum Beispiel in den Kranken
häusern der Knappschaft Ärzte und
Pfleger über TabletComputer auf Pa
tientendaten zu, Patientenakten auf
Papier sind Vergangenheit – allerdings
nur auf einzelnen Stationen.
(juk)
Tablets beschleunigen zwar
nicht die Visite im Kranken
haus, sie bringen den
Ärzten aber mehr Zeit für
die Patienten. Das hat
eine Untersuchung an der
Berliner Charité gezeigt.
Digitale Helfer bringen
mehr Zeit für Patienten
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