BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 1

Heldengeschichte und Kuriositätenkabinett:
Ein Blick ins Leben von Paul Ehrlich.
VOR 100 JAHREN IST DER „VATER DER IMMUNOLOGIE“ GESTORBEN.
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Krebskranken im Endstadium
schadet eine Chemotherapie oft
mehr, als sie nützt.
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MEDIZIN
Ärzte unterliegen zunehmend
wirtschaftlichen Zwängen. Was bleibt
da vom freien Beruf übrig?
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BERUFSPOLITIK
aktuell
MITGLIEDERZEITUNG BERUFSVERBAND DEUTSCHER INTERNISTEN BDI E.V.
PVST 58132 NR. 10, OKTOBER 2015
DIE INHALTE VON BDI AKTUELL FINDEN SIE AUF
In dem Fallbeispiel berichtet ein
61­jähriger Patient von vermehr­
tem Stuhldrang, schmerzhafter
Defäkation und, im Anschluss da­
ran, brennende anale Schmerzen.
Der Allgemein­und Ernährungs­
zustand des Patienten ist gut. Im
Aufnahmelabor ist der CRP­Wert
diskret erhöht. Bei der Endosko­
pie ist an der unteren Rektum­
Vorderwand ein düsterroter semi­
zirkulärer flächiger Tumor erkenn­
bar. Handelt es sich um ein Malig­
nom?
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Ungewöhnliche
Ursache eines
Rektumtumors
KASUISTIK
Eine stärkere Einbindung der
Landkreise, Städte und Ge­
meinden in die Bedarfspla­
nung haben Ärzte und Kom­
munalpolitiker auf dem
8. Deutschen Internistentag
gefordert. Trotz einigem He­
rumdoktern an Landärztege­
setzen kämen die Ärzte nicht
auf dem Land an, sagte And­
reas Memmert, Bürgermeis­
ter der niedersächsischen Ge­
meinde Schladen. Er plädier­
te für den Einsatz von Mitteln
aus der kommunalen Wirt­
schaftsförderung, um die Ver­
sorgung in der Peripherie si­
cherzustellen. Das Geld kön­
ne sogar für Boni an Ärzte
ausgegeben werden.
(af)
Mehr Einsatz
der Kommunen
gefragt
ÄRZTEMANGEL
Die Honorarbeschlüsse des Erwei­
terten Bewertungsausschusses für
2016 bringen den Ärzten nach An­
gaben der KBV ein Plus von etwa
800 Millionen Euro. Die Kassen
sprechen von 1,35 Milliarden Euro,
weil sie eine Ausweitung bei extra­
budgetär bezahlten Leistungen er­
warten. Die Morbiditätsbedingte
Gesamtvergütung (MGV) steigt um
2,6 Prozent, der Orientierungswert
um 1,6 Prozent auf nun 10,4361
Cent. Der Beschluss ist gegen die
Stimmen der Ärzte gefallen. Die
KBV zeigt sich enttäuscht, und auch
Dr. Hans­Friedrich Spies, 2. BDI­
Vizepräsident, sieht die Kostenstei­
gerungen durch die Honorarerhö­
hung nicht abgedeckt.
(ger)
MGV steigt
2016 um rund
2,6 Prozent
HONORAR
Um den steigenden Bedarf an ärzt­
lichen Leistungen auch weiterhin de­
cken zu können, muss nach Ansicht
des 1. BDI­Vizepräsidenten Dr. Wolf
von Römer die Bedarfsplanung von
Grund auf überarbeitet werden. „Die
Grundlage der Berechnungen ist falsch
und war auch immer falsch“, betonte
er auf der Pressekonferenz zum 8.
Deutschen Internistentag in Berlin.
Da die Grundlage bei der Einfüh­
rung der Bedarfsplanung willkürlich
auf die Anzahl der 1991 vorhandenen
Praxen festgelegt wurde und niemals
nach medizinischen, soziologischen
Daten und entsprechend der zu er­
wartenden Bevölkerungsentwicklung
überprüft wurde, stimmten die Vorga­
ben einfach nicht. „Das GKV­Versor­
gungsstärkungsgesetz (VSG) hat uns
nicht vorangebracht, sondern ver­
schärft die Situation eher noch.“ Eine
Sollbestimmung zum Aufkauf von
Praxen auf dieser unzureichenden
Rechtsgrundlage muss nach Ansicht
des BDI ausgesetzt werden.
Flüchtlingsstrom erfordert Handeln
Wie schnell sich die Situation ändern
kann, zeigen nach von Römers Worten
die aktuellen Flüchtlingsströme, die die
Lage noch verschärfen. „Hierfür benö­
tigen wir einerseits die finanziellen Mit­
tel und andererseits auch eine Bedarfs­
planung auf einer völlig neuen Grund­
lage. Der Aufkauf von Praxen ist auch
unter diesem Aspekt nicht zielfüh­
rend.“ Es fehlten die Grundlagen für
valide Berechnungen, auch, weil sich
sowohl Altersstruktur als auch Ge­
schlechterverhältnis, Morbiditätsdaten
und Sterblichkeitsziffern durch den
Zustrom völlig verändern werden. Ehe
jetzt wertvolle Versorgungsstrukturen
zerstört werden, sollten die Verantwort­
lichen innehalten und vernünftige neue
Modelle entwickeln, so von Römer.
Die Altersstruktur der Haus­und
Fachärzte sei überhaupt nicht beachtet
worden. In der hausärztlichen Versor­
gung in ländlichen Regionen sähe es
beispielsweise ohne die hausärztlich tä­
tigen Internisten noch schlechter aus,
verdeutlichte von Römer die ange­
spannte Situation. Die hausärztlich tä­
tigen Internisten stellen derzeit fast
25% der hausärztlichen Versorgung
sicher, sodass bei Reformen dieses
Versorgungszweiges nicht allein die
Kompetenzen der Allgemeinmediziner
zu berücksichtigen sind. Der Deutsche
Hausärzteverband und der BDI seien
sich in dieser Analyse einig.
BDI­Präsident Dr. Wolfgang We­
siack meinte, die Politik wisse selbst,
dass ihr kein „Goldener Schuss“ ge­
lungen ist. Um eine Überarbeitung
komme man nicht herum.
Ähnlich ist es mit der geplanten
Klinikreform. Die zentralen Probleme
der Krankenhäuser, wie die Finanzie­
rung des Personals, der ambulanten
Notfälle und des Investitionsstaus,
würden nicht gelöst. Die Reform brin­
ge sogar neue Kürzungen und Belas­
tungen mit sich. Hohe Qualitätsanfor­
derungen und Sicherheitserwartungen
an die Kliniken, ohne die Gewährleis­
tung einer entsprechenden Ressour­
cenausstattung, sind nach Ansicht von
Dr. Hans­Friedrich Spies, 2. BDI­Vi­
zepräsident, nicht tragbar. Wer bei der
Reform des Kliniksektors ausschließ­
lich die Maßstäbe sozialer Marktwirt­
schaft anlege, verkenne die Tatsache,
dass der Patient keine Wahlmöglich­
keit hat. Wenn der Patient erkrankt ist,
brauche er die qualifizierte Hilfe eines
Arztes. „Diese Erkenntnis scheint
noch nicht bei allen an der Reform
Beteiligten angekommen zu sein.“
Hauptursache der Finanzierungs­
misere ist die unzureichende Investi­
tionsfinanzierung durch die Länder.
Dadurch sehen sie sich die Kliniken
gezwungen, diese Defizite durch Rati­
onalisierungsgewinne bei den DRG
auszugleichen. Dies geschieht durch
neue Leistungen, die solche Gewinne
am meisten erwarten lassen, und
durch Einsparungen am Personal. Mit
medizinischen Argumenten werden
die ökonomischen Zwänge beim Pati­
enten begründet. Spies sieht darin ei­
nen Missbrauch des Arzt­Patienten­
Verhältnisses. Das Zweitmeinungsver­
fahren zeige ökonomische Denke im
Sinne der Mengenbegrenzung. Nur
der Eingriff führe zur Zweitmeinung.
Eine Ablehnung bei der Erstuntersu­
chung werde gar nicht hinterfragt.
Gesetzentwurf bedingt geeignet
In Sachen Anti­Korruptionsgesetz
stellte der BDI­Vorstand klar: Korrup­
tion im Gesundheitswesen darf es
nicht geben. Der Verband unterstützt
deshalb das Vorhaben der Regierung,
ein Gesetz zu beschließen. Er begrüßt
dabei gesetzliche Regelungen, die das
Gesundheitswesen schützen und für
Ärzte und Angehörige der Heilberufe
sowie für alle Partner Rechtssicherheit
schaffen. Der vorliegende Referenten­
entwurf des Bundesministeriums für
Justiz und Verbraucherschutz sei dafür
jedoch in weiten Teilen nur bedingt
geeignet und eröffne unabsehbare Ge­
fahren für den freien Arztberuf.
Laut Wesiack öffnet der Entwurf
der spionageähnlichen Durchleuch­
tung von Arzt und Patienten Tür und
Tor, wenn Krankenkassen unbegrenz­
te Einsicht in eigentlich vertrauliche
Kooperationsmodelle gewährt wird.
Die Einsichtnahme in Patientenakten
könne nicht ausgeschlossen werden.
Jeder Behandlungsschritt lasse sich so
auch ohne konkreten Anlass unter den
Generalverdacht der Korruption stel­
len. Die Versorgungssicherheit wird
leiden, betonte er, denn der Arzt wird
aus Angst vor Strafverfolgung Dinge
unterlassen, die für den Patienten viel­
leicht sinnvoll wären.
SEITEN 8 UND 9
Bedarfsplanung, Klinik­
reform, Korruptionsgesetz:
Der BDI­Vorstand übte auf
dem 8. Deutschen Inter­
nistentag scharfe Kritik an
der Gesetzgebung der
großen Koalition.
Sie höhle vielfach das
Arzt­Patienten­Verhältnis
aus. Er fordert daher
dringend Korrekturen.
Aktuelle Gesetze bedrohen das
Arzt­Patienten­Verhältnis
Von Klaus Schmidt
Fürchtet spionageähnliche Durchleuchtung der Ärzte: BDI­
Präsident Dr. Wolfgang Wesiack.
© SEBASTIAN RUFF (2)
8. DEUTSCHER
INTERNISTENTAG
BERLIN, 10.–11.09.15
Für den einzelnen
Arzt ist im
gegenwärtigen
Gesetzentwurf
nicht zweifelsfrei
festzustellen, wann
Kooperationen
bereits als
unlautere
Beeinflussung
des Wettbewerbs
gelten.
Dr. Wolfgang Wesiack
BDI­Präsident zum
Anti­Korruptionsgesetz
Mahnte eine neue Bedarfsplanung an: Dr. Wolf von Römer,
1. BDI­Vizepräsident, bei der Pressekonferenz in Berlin.
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