BDI aktuell 10_2015_E_Paper - page 13

Bereits im März hatte das Robert
Koch­Institut (RKI) über eine sprung­
hafte Zunahme Tuberkulose­Infizier­
ter unter Asylbegehrenden im Jahre
2014 berichtet. „Nun haben wir eine
Verzweieinhalbfachung der Tuberkulo­
sefälle gegenüber 2014“, sagte der In­
fektiologe Professor Tobias Welte von
der Medizinischen Hochschule Han­
nover, beim Sepsis­Update in Weimar.
„Praktisch alle Tuberkulose­Betten in
den pneumologischen Kliniken sind
belegt. Wir sehen die ersten Tb­Pati­
enten auf Intensivstationen.“
Aus dem Bewusstsein verschwunden
Tb sei aus dem Bewusstsein deutscher
Ärzte fast verschwunden. Nun müsse
man sich wieder „sehr entschieden“
mit dem Krankheitsbild auseinander­
setzen. In Berlin und Heidelberg wür­
den bereits neue Tb­Stationen eröff­
net. Vor allem bei Migranten, die mit
Zeichen einer ambulant erworbenen
Pneumonie vorstellig werden, müsse
unbedingt an eine Tb gedacht werden.
Wenn folgende fünf Kriterien bei ih­
nen vorliegen, ist mit zu 90 Prozent
von einer Tb auszugehen: Nacht­
schweiß, Bluthusten, Gewichtsverlust,
Exposition gegenüber Mycobacterium
tuberculosis und ein nekrotisierendes
Oberlappeninfiltrat im Röntgen­Tho­
rax. Tb­Hochprävalenzländer sind
nach Angaben des RKI Somalia, Erit­
rea, Syrien, Serbien und Kosovo.
Ein weiteres Problem sind sich
rasch verändernde Keimspektren bei
infizierten Patienten. „Wir sehen seit
einigen Wochen in den Mühlenkreis­
kliniken Keime, die ich bislang nur aus
dem Lehrbuch kannte“, erklärte La­
borleiter Professor Franz­Josef
Schmitz. Ein besonderes Problem sind
gramnegative Bakterien, die ESBL bil­
den. Diese Enzyme spalten nicht nur
Penicilline, sondern auch Cephalospo­
rine der Gruppe 3. Auf Cefoxitin
scheinen ESBL­Bildner sensibel zu
sein, so Schmitz. ESBL kommen vor
allem bei E. coli und Klebsiella vor.
Ein wesentlicher Unterschied zu
MRSA­kolonisierten Patienten: Mit
ESBL­bildenden Keimen kolonisierte
Patienten können nicht saniert wer­
den! Denn ESBL sind plasmidkodiert
und können sowohl innerhalb einer
Spezies als auch zwischen verschiede­
nen bakteriellen Spezies transportiert
werden. Die Weitergabe erfolgt per
Schmierinfektion.
Starkes Süd­Nord­Gefälle
ESBL­bildende Keime haben sich zwi­
schen 2001 und 2007 weltweit äußerst
rasch verbreitet. In Europa besteht ein
starkes Süd­Nord­Gefälle: „90 Pro­
zent der Migranten, die jetzt über die
Balkanroute zu uns kommen, sind mit
hoher Wahrscheinlichkeit mit multire­
sistenten Erregern wie ESBL­bilden­
den Keimen besiedelt“, sagte Welte.
Er und Schmitz forderten Ärzte in
Kliniken und Niederlassung zu einem
achtsamen Umgang mit Antibiotika
auf. Sie kritisierten besonders den
übermäßigen Einsatz von Carbapene­
men seit Auslauf des Patentschutzes.
Dieses Verhalten verschärfe die Resis­
tenzproblematik.
Infektiologie: Neue Herausforderungen
Infektiologen rechnen mit
mehr Tuberkulose (Tb)­
Fällen und Infektionen mit
multiresistenten Bakterien.
Vor allem bei Migranten,
die wegen einer ambulant
erworbenen Pneumonie
vorstellig werden, muss an
Tb gedacht werden.
Von Thomas Meissner
Schon im März hat das RKI über eine Zunahme der Tb­Fälle unter Asylbegehrenden im Jahre 2014 berichtet.
© ANDREAS GEBERT/DPA
Fünf Kriterien, die für die Diagnose Tb sprechen:
Nachtschweiß
Bluthusten
Gewichtsverlust
Exposition gegenüber Mycobacterium tuberculosis
nekrotisierendes Oberlappeninfiltrat im Röntgen­Thorax
Medizin
BDI aktuell
Oktober 2015
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