BDI aktuell 11_2015 - page 11

Medizin
BDI aktuell
November 2015
11
Deutschland ist weltweit führend in
der Anwendung der kathetergestützten
Implantation von Aortenklappen bei
Patienten mit Aortenstenose. Derzeit
gilt, dass diese Methode bei inoperab­
len Patienten sowie als Alternative zur
Operation bei Patienten mit hohem
Operationsrisiko indiziert ist. Aller­
dings zeichnet sich bereits ab, dass
sich für die TAVI zunehmend auch bei
nicht so hohem Risiko entschieden
wird – auch auf Wunsch der Patienten.
Zwecks gesetzlich vorgeschriebener
externer Qualitätssicherung werden
vom AQUA­Institut (Institut für ange­
wandte Qualitätsförderung und For­
schung im Gesundheitswesen) Jahr für
Jahr Daten zu sämtlichen isolierten
Aortenklappen­Eingriffen in Deutsch­
land erhoben. Diese Daten vermitteln
somit ein gutes Bild von der realen
Versorgungssituation im Hinblick auf
interventionelle und chirurgische Ein­
griffe bei Aortenstenose.
Auf Basis dieser AQUA­Daten ha­
ben Professor Holger Eggebrecht vom
Cardioangiologischen Centrum Betha­
nien in Frankfurt am Main und Dr.
Rajendra Mehta von der Duke Uni­
versity in Durham im US­Staat North
Carolina jetzt einmal die Entwicklung
nachgezeichnet, die sich zwischen
2008 und 2014 in Deutschland in der
Behandlung von älteren Patienten mit
Aortenstenose vollzogen hat (Euroin­
tervention 2015, online 20. Septem­
ber).
TAVI­Zahl stieg auf das 20fache
Danach sind seit 2008 hierzulande
71927 isolierte Aortenklappen­Opera­
tionen (chirurgischer Aortenklappen­
ersatz) und 48353 TAVI­Eingriffe
durchgeführt worden. Die Zahl der
chirurgischen Eingriffe zur Beseiti­
gung von Aortenstenosen ist seit dieser
Zeit leicht rückläufig: Erhielten 2008
noch 11205 Patienten ihre neue Aor­
tenklappe auf dem Weg einer offenen
Herzoperation, waren es 2014 nur
noch 9953.
Umgekehrt verlief die Entwicklung
bei den TAVI­Prozeduren – und zwar
in äußerst rasantem Tempo. Hier war
in der gleichen Zeit ein Anstieg der
erfassten Interventionen auf das
20fache zu verzeichnen: War die Zahl
im Jahr 2008 mit 637 Eingriffen noch
sehr bescheiden, erreichte sie 2014 mit
nunmehr 13263 ihren bislang höchs­
ten Stand. Im Jahr 2013 überstieg
erstmals die Zahl der TAVI­Prozedu­
ren die der Aortenklappen­Operatio­
nen. Dies ist vor allem auf die Zunah­
me von transfemoralen TAVI­Eingrif­
fen zurückzuführen, die Zahl der
transapikalen Prozeduren veränderte
sich dagegen kaum.
Altersstruktur kaum verändert
Noch lassen zumindest die AQUA­
Daten zur Altersstruktur eine Auswei­
tung der TAVI auf jüngere Patienten
mit niedrigerem Risiko nicht erken­
nen: Mit 81,6 Jahren (2008) und 80,9
Jahren (2014) blieb das Durch­
schnittsalter der TAVI­Patienten nahe­
zu unverändert. Dagegen spiegeln die
zwischen 2011 und 2014 erfassten
Veränderungen beim EURO­Score –
er dient der Voraussage der postopera­
tiven Mortalität nach herzchirurgi­
schen Eingriffen – bereits einen gewis­
sen Trend in diese Richtung wider.
Rückgang von Komplikationen
Erfreulich ist der Rückgang der im Zu­
sammenhang mit TAVI­Prozeduren
aufgetretenen Komplikationen. Die
Rate der intraprozeduralen Komplika­
tionen fiel von 9,4 Prozent (2012) auf
3,9 Prozent (2014). Trotz der Tatsa­
che, dass TAVI­Patienten deutlich äl­
ter als chirurgisch behandelte Patien­
ten waren und zudem mehr Begleiter­
krankungen aufwiesen, waren im Jahr
2014 die Raten für Schlaganfälle in
der stationären Phase kaum unter­
schiedlich (1,4 versus 1,1 Prozent).
Bemerkenswert ist vor allem die
deutliche Abnahme der In­Hospital­
Mortalität, die von 10,4 Prozent im
Jahr 2008 auf 4,2 Prozent im Jahr
2014 zurückging.
Aortenstenose: TAVI hat
Herzklappen­Op überholt
Bei älteren Patienten mit
schwerer Aortenstenose hat
die Transkatheter­Aorten­
klappen­Implantation (TAVI)
in Deutschland die Herz­
klappen­Op überflügelt.
Das geht aus einer Analyse
von Daten des AQUA­
Instituts hervor.
Von Peter Overbeck
Im Jahr 2008 erhielten noch 11205 Patienten ihre neue Aortenklappe auf dem Weg einer offenen Herzoperation. 2014 waren es nur
noch 9953.
© BVMED­BILDERPOOL
4,2%
betrug die In­Hospital­Mortalität
bei TAVI­Patienten im Jahr 2014.
Im Jahr 2008 lag sie noch bei
10,4 Prozent.
Bei COPD steht die Phänotypisierung
der Patienten zum gezielteren Einsatz
von Medikamenten noch am Anfang.
Aber auch hier gibt es Ansätze zur
Therapieoptimierung, orientiert an
Biomarkern für Entzündungsprozesse
wie Eosinophile, Neutrophile und
CRP.
Am häufigsten lässt sich bei
COPD­Patienten eine Neutrophilie
nachweisen. Der Anteil liegt bei einem
Drittel bis zu mehr als 50 Prozent und
korreliert mit einer schlechten Lun­
genfunktion, sagte Professor Peter
Gibson von der University of New­
castle, Australien auf der Jahrestagung
der European Respiratory Society
(ERS). Von einer Eosinophilie sind 20
bis 30 Prozent der Patienten betroffen.
Sie korreliert, ebenso wie eine systemi­
sche Entzündung (Serum hs­CRP >
3 mg/ml) mit einer Prävalenz von rund
60 Prozent bei COPD, mit einem er­
höhten Risiko für Exazerbationen und
Tod. Bei weiteren rund 15 Prozent der
Patienten liegt sowohl eine Eosinophi­
lie als auch eine Neutrophilie vor. Die
Grenzwerte sind bisher noch nicht
eindeutig definiert.
Alle drei Biomarker für Entzündun­
gen können therapeutisch beeinflusst
werden, mit dem Potenzial, die Prog­
nose der Patienten gezielt zu verbes­
sern. Die Eosinophilie kann durch in­
halative Kortikosteroide oder, bei Ex­
azerbationen, durch orale Kortikoste­
roide deutlich verringert werden. Das
Ansprechen der Patienten auf Korti­
kosteroide korreliert direkt mit dem
Ausmaß der Eosinophilie, sagte Gib­
son. Dies habe sich in Studien sowohl
bei der Lungenfunktion, der Belast­
barkeit als auch der Exazerbationspro­
phylaxe gezeigt.
Die Zahl der Neutrophilen nimmt
mit zunehmendem Alter zu und ist bei
Rauchern höher als bei Nichtrau­
chern. Dagegen seien die Eosinophilen
unabhängig vom Raucherstatus, be­
richtete Gibson. Durch eine erfolgrei­
che Raucherentwöhnung kann daher
auch über die Senkung der Neutrophi­
len das Progressionsrisiko bei COPD­
Patienten verringert werden. Auch
Makrolid­Antibiotika haben bei
COPD­Patienten mit Exazerbation
das Potenzial zur Prognoseverbesse­
rung, insbesondere bei Neutrophilie.
In der bisher größten Studie zum
Nutzen von Azithromycin (250 mg
täglich) bei insgesamt mehr als 1000
COPD­Patienten war in der Antibioti­
ka­Gruppe das Exazerbationsrisiko im
Verlauf eines Jahres um knapp 30 Pro­
zent verringert, berichtete Dr. MeiLan
Han von der University of Michigan
Health System, Ann Arbor. Am besten
wirksam war die Therapie bei Patien­
ten im GOLD­Stadium II und bei äl­
teren Patienten
$
65 Jahre. Keinen
Nutzen hatte Azithromycin bei Rau­
chern, betonte Han.
Erhöhte CRP­Werte können durch
Statine verringert werden. In Studien
konnte durch Einsatz von Statinen die
Exazerbationsrate von COPD­Patien­
ten um rund ein Drittel verringert
werden, berichtete Gibson.
(rf)
Biomarker für Entzündun­
gen können therapeutisch
beeinflusst werden, mit
dem Potenzial, die Progno­
se von COPD­Patienten zu
verbessern.
Gezielte COPD­Therapie nach Biomarkern?
Wissenschaftler des Helmholtz­
Zentrums für Infektionsforschung
(HZI) haben ein Molekül identifi­
ziert, das darüber Auskunft gibt, ob
eine Sarkoidose chronisch oder
akut (Löfgren­Syndrom) verläuft
(Clin Exp Immunol 2015; online
28. September). Darüber hinaus
besitze das Molekül auch therapeu­
tisches Potenzial, teilt das HZI mit.
Was eine Sarkoidose verursacht,
ist bisher unbekannt. „Wir wissen
aber seit mehreren Jahren, dass Pa­
tienten eine reduzierte Anzahl regu­
latorischer T­Zellen und eine ver­
gleichsweise hohe Anzahl aktivierter
T­Helferzellen in der Lunge aufwei­
sen“, wird Professor Dunja Bruder,
Leiterin der Arbeitsgruppe „Im­
munregulation“ am HZI in einer
Mitteilung des HZI zitiert.
Das Team analysierte die Aus­
prägung des eng mit der T­Zell­
funktion in Verbindung stehenden
Moleküls ICOS bei Sarkoidose­Pa­
tienten. ICOS verstärkt die Wir­
kung von regulatorischen T­Zellen.
Die Forscher konnten zeigen, dass
die Anzahl von ICOS­Molekülen
auf den regulatorischen T­Zellen
besonders bei Patienten mit Löf­
gren­Syndrom in der erkrankten
Lunge stark erhöht war. Im Blut
der Patienten hingegen war das Le­
vel identisch mit dem von gesunden
Menschen, heißt es in der Mittei­
lung. Eine hohe Konzentration von
ICOS auf regulatorischen T­Zellen
deute also auf einen akuten Sarkoi­
dose­Verlauf hin
(eb)
Sarkoidose:
Wie verläuft die
Erkrankung?
Wissenschaftler machen
eine interessante
Entdeckung für die
Prognose von Sarkoidose.
FORSCHUNG
In puncto Anwendung und Ergeb­
nis der Katheterablation bei Vorhof­
flimmern (VHF) gibt es deutliche
Unterschiede zwischen Männern
und Frauen. Das zeigen Daten aus
dem Deutschen Ablationsregister,
teilt die Deutsche Gesellschaft für
Kardiologie (DGK) mit. „Insge­
samt stellen Frauen lediglich ein
Drittel der mit Katheterablation be­
handelten Patienten dar, was vorbe­
schriebene Unterschiede in der kli­
nischen Versorgung bestätigt,“ wird
Studienautorin Dr. Maura Magda­
lena Zylla, Uniklinikum Heidelberg,
zitiert.
Nach einem Jahr betrug die Er­
folgsrate nach Ablation bei Män­
nern 54,6 Prozent, bei Frauen 49,8
Prozent. Bezüglich Mortalität und
schweren Komplikationen habe sich
kein Unterschied gefunden, so die
DGK. Zur medikamentösen Thera­
pie wurden bei Frauen vermehrt
Betablocker (73,8 gegenüber 66,2
Prozent) oder Digitalis (6,8 gegen­
über 3,6 Prozent) eingesetzt. Eben­
so ergab sich ein Unterschied in der
Notwendigkeit einer Schrittmacher­
therapie mit 3,7 gegenüber 1,2 Pro­
zent. Zylla: „Der geringere Erfolg
der Ablation konnte durch diese
Therapien allerdings im Hinblick
auf das klinische Gesamtergebnis
nicht kompensiert werden.“
(eb)
VHF: Therapie
bei Frauen
unzureichend
KARDIOLOGIE
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...24
Powered by FlippingBook