Wir hatten viele Feinde, aber unsere
Patienten haben immer zu uns gestanden.
DR. UWE MILBRADT WAR SCHON IN DER DDR NIEDERGELASSENER ARZT
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Chance für die Versorgung: Mit der
ASV können auch Ärzte im ambulan
ten Sektor innovativ tätig sein.
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BERUFSPOLITIK
Bei Älteren mit schwerer Aortenste
nose hat die TAVI in Deutschland die
HerzklappenOp überflügelt.
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MEDIZIN
aktuell
MITGLIEDERZEITUNG BERUFSVERBAND DEUTSCHER INTERNISTEN BDI E.V.
PVST 58132 NR. 11, NOVEMBER 2015
DIE INHALTE VON BDI AKTUELL FINDEN SIE AUF
Die notdienstärztliche Versorgung
wird seit Monaten berufspolitisch
kontrovers diskutiert und befindet
sich im Umbruch. Dem hat jetzt
auch der Gesetzgeber bei der Kran
kenhausgesetzgebung Rechnung ge
tragen und gehandelt.
Wie ist die Ausgangslage? Die
Kassenärztlichen Vereinigungen wie
z.B. in Hessen organisieren ihre Not
dienststruktur neu und fassen die
seitherigen Zentralen teilweise zu
sammen. Die Bürger und ihre betrof
fenen Gemeinden sehen dies kritisch,
weil sie um die Versorgungsqualität
fürchten – die Wartezeiten und die
Wege für die Patienten würden län
ger, so die Kritik. Die Aufsichtsbe
hörden, das heißt die zuständen Lan
desministerien, begleiten die Um
strukturierung mehr als kritisch und
verweisen auf den flächendeckenden
Sicherstellungsauftrag der Kassen
ärztlichen Vereinigungen.
Manche Klinik wirbt sogar aktiv
Aber Notfallpatienten werden bei
uns in Deutschland nicht nur über
den vertragsärztlichen Notdienst ver
sorgt. Die Patienten laufen vermehrt
die Notfallambulanzen der Kliniken
an, ohne dass sie vorher vertragsärzt
liche Strukturen in Anspruch neh
men. Viele Häuser werben sogar mit
einer funktionierenden Notfallversor
gung, auch wenn sie gleichzeitig be
klagen, dass das Honorar unzurei
chend ist, wenn sie die erbrachten
Leistungen ambulant abrechnen.
Es ist tatsächlich zu vermuten, dass
das Honorar nicht kostendeckend ist.
Für die Krankenhäuser sind die Am
bulanzen aber des
halb interessant, weil
damit stationäre
Fälle rekrutiert wer
den können, die
über die wesentlich
lukrativere DRG
Vergütung abgewi
ckelt werden. Die
Notfallambulanzen dienen rein öko
nomisch betrachtet der Akquise statio
närer Fälle. Betrachtet man die unter
schiedliche Vergütungshöhe ambulant
und stationär, so ist dies alles andere
als verwunderlich.
Dazu passt das Beispiel eines fikti
ven Patienten, der sich mit hypertensi
ver Entgleisung notfallmäßig in einer
Krankenhausambulanz vorstellt. Wird
der Patient nach Ausschluss von zere
bralen und kardialen Symptomen und
einer medikamentösen Blutdrucksen
kung mit der Maßgabe entlassen, sich
beim Hausarzt wieder vorzustellen,
um weitere Maßnahmen ambulant zu
veranlassen, erhält das Krankenhaus
52,46 Euro. Wird er aber für einen
Tag stationär aufgenommen, vielleicht
mit zusätzlicher Ultraschalluntersu
chung, fallen bei einer DRG 592,89
Euro an.
Die Entwicklung zeigt, dass die Pa
tienten die Krankenhäuser der ver
tragsärztlichen Notfallversorgung vor
ziehen, obwohl sie Gefahr laufen, stati
onär aufgenommen zu werden, und
oft extrem lange Wartezeiten in Kauf
nehmen müssen. Offensichtlich fühlt
sich der Patient sicherer, wenn er das
Krankenhaus betritt, als wenn er zu
Hause auf den Notfallarzt wartet.
Bei der in der OktoberAusgabe
von BDIaktuell berichteten Patienten
umfrage der Forschungsgruppe Wah
len (Seite 6), die von der KBV seit
Jahren in Auftrag gegeben wird, zeigt
sich, dass zunehmend die dritte Säule
der Notfallversorgung wegbricht. Die
hausärztliche Praxis wird als Anlauf
stelle im akuten Fall immer weniger in
Anspruch genommen. Vermutlich auf
grund reduzierter Praxisöffnungszei
ten. Diese sind wieder auf eine konse
quente Budgetierungspolitik beim Ho
norar zurückzuführen. Somit öffnet
die ambulante Versorgung indirekt
und oft ungewollt die Versorgungswe
ge in die Krankenhäuser. Man darf er
staunt sein, dass sich viele Vertragsärz
te und Kassenärztliche Vereinigungen
wundern, dass in dieser Situation die
Krankenhäuser auch für die ambulan
te Notfallversorgung in der Bevölke
rung für sich ein größeres Gewicht be
anspruchen und dies auch bei der Ver
teilung der Gelder reklamiert wird.
Aus der Sicht des Gesetzgebers
gibt es zwei wesentliche Kritikpunk
te. Der Notdienst wird über die am
bulante Schiene nicht mehr so gere
gelt, wie es die Bevölkerung wünscht
oder zumindest seit Jahren gewohnt
ist. Gleichzeitig führt dieses Defizit
zu einer vermuteten Fehlbelegung
der Kliniken, die Notfallpatienten
aus finanziellen Gründen stationär
behandeln, obwohl kostengünstiger
ambulant versorgt werden könnte.
Im Rahmen der Krankenhausgesetz
gebung hat die Bundesregierung
neue Vorgaben vorgesehen, die na
türlich alle die Selbstverwaltung um
zusetzen hat, deren Handlungsspiel
raum weiter eingeschränkt wird.
Auf Kosten der Vertragsärzte?
Sie sieht vor, dass die KVen an Kran
kenhäuser Portalpraxen einrichten,
alternativ sollen Krankenhausambu
lanzen eingeführt werden. Natürlich
bleibt die Sicherstellung bei der KV,
allein schon deshalb, weil damit die
Aktion von den Vertragsärzten –
nämlich aus ihrem Budget – finan
ziert werden muss.
Aber auch die Krankenhäuser be
kommen ihr Fett ab. Mit Portalpra
xen oder vertraglich geregelten Am
bulanzen gibt es nur ambulantes Ho
norar. Es dürfte schwerer werden, in
Zukunft die Patienten ohne triftigen
medizinischen Grund in die lukrati
vere stationäre Versorgung zu ver
schieben. Dafür wird in Zukunft
schon der Medizinische Dienst der
Krankenkassen sorgen.
Vermutlich gibt es bei den Leis
tungserbringern, sei es Vertragsarzt
oder Krankenhaus nur Verlierer, nach
dem Motto: „bessere Versorgung ohne
zusätzliches Honorar“. Auch dieser
Teil der Gesetzgebung läuft somit un
ter der alt bekannten Kostendämp
fung.
SIEHE AUCH SEITE 4
Dass immer mehr Notfall
patienten zuerst die Klinik
statt ambulante Praxen
aufsuchen, hat auch der
Gesetzgeber gemerkt.
Damit die Kosten nicht
aus dem Ruder laufen,
sollen es Portalpraxen
an den Kliniken richten –
in KVVerantwortung.
In der Notfallversorgung heißt es:
stationär vor ambulant
Von Dr. HansFriedrich Spies
Die Notfallambulanzen dienen
rein ökonomisch betrachtet
der Akquise stationärer Fälle.
Dr. HansFriedrich Spies,
2. BDIVizepräsident
Zu Hause warten auf den Arzt? Viele Patienten ziehen den Weg in die Notfallaufnahme vor.
© [M] FRANZISKA WERNER ISTOCK.COM | TIL (TÜR)
Nobelpreis für Arzneien der Armen:
Mit ihrer Forschungsarbeit haben die
diesjährigen Laureaten des Medizin
Nobelpreises Youyou Tu, Satoshi
Omura und William Campbell, den
Kampf gegen große Menschheitspla
gen weit vorangebracht. Von den
Medikamenten gegen Malaria und
Filariosen profitieren Millionen von
Menschen – vor allem in Entwick
lungsländern.
(rb)
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Selten war der
Nutzen größer
NOBELPREIS
Die Reform des FacharztEBM geht
in die Verlängerung: Nach dem neu
en Zeitplan, auf den sich KBV und
GKVSpitzenverband verständigt
haben, soll die Weiterentwicklung
des EBM nun bis Ende März 2017
beendet sein. Drei Monate später,
also ab 1. Juli 2017, könnten dann
alle Vertragsärzte nach dem ange
passten Regelwerk abrechnen, mel
det die KBV.
Ursprünglich sollte der neue
FacharztEBM zum 1. Januar 2016
in Kraft treten. Bereits Anfang Juli
dieses Jahres zeichnete sich jedoch
ab, dass dieser Termin nicht gehal
ten wird. Wegen der Komplexität
hatten die Kassen laut einem Be
richt der KBV damals vorgeschla
gen, einzelne Aspekte der Reform
stufenweise umzusetzen. Das hatte
die Vertreterversammlung der KBV
aber abgelehnt und weil sie „unge
wollte Honorarverwerfungen“ be
fürchtete eine Reform in einem Zug
gefordert. Ein Ziel der Reform ist es,
die betriebswirtschaftliche Kalkulati
onsmethode weiterzuentwickeln und
etwa die Praxiskosten besser zu erfas
sen. Außerdem sollen wieder mehr
Leistungen außerhalb der Pauschalen
vergütet werden.
(reh)
KBV und GKVSpitzenver
band haben sich auf eine
längere Frist für die
EBMReform geeinigt.
Neuer EBM kommt erst 2017
Durch das kürzlich verabschie
dete Asylbeschleunigungsgesetz
soll alles einfacher werden. Die
Frage, welcher Leistungskata
log für die medizinische Versor
gung gilt, wurde allerdings
nicht eindeutig geklärt. Das
sollen die Länder übernehmen.
Damit droht ein Flickenteppich
an Lösungen, der Ärzte in Ent
scheidungsnöte bringen kann.
(eb)
SEITEN 8 UND 9
Die Länder sollen
entscheiden
FLÜCHTLINGE