BDI aktuell 11_2015 - page 14

Die Immuntherapie mithilfe von
Zytokinen wie Interferon und Inter­
leukin 2 hat seit mehreren Jahren
dazu beigetragen, die Prognose von
Patienten mit einem Nierenzellkar­
zinom (RCC) zu verbessern. Es
wurde damit ein medianes Überle­
ben von 13 Monaten erreicht, wie
Professor Viktor Grünwald von der
Medizinischen Hochschule Hanno­
ver während der diesjährigen Jah­
restagung der Deutschen Gesell­
schaft für Hämatologie und Onko­
logie (DGHO) in Basel erinnerte.
Noch bessere Erfolge lassen sich
mit der modernen Immuntherapie
erzielen, in der Checkpoint­Hem­
mer wie Nivolumab verwendet wer­
den. Median sind mit derartigen
Immuntherapeutika bis zu 29 Mo­
nate Überleben zu erreichen.
Studie mit 820 Patienten
Wie sehr sich die Prognose verbes­
sert hat, geht unter anderem aus
der aktuellen Checkmate­25­Studie
hervor, wie Grünwald berichtete. In
der großen Studie mit mehr als 820
vorbehandelten Patienten, die an ei­
nem klarzelligen RCC erkrankt wa­
ren, wurde die Wirksamkeit – ge­
messen am Parameter Gesamtüber­
leben – von Nivolumab im Ver­
gleich zum mTOR (mammalian
target of rapamycin)­Hemmer
Everolimus geprüft (NEJM 2015;
online 25. September).
Beim primären Endpunkt schnit­
ten Patienten mit Nivolumab signi­
fikant besser ab (25 versus 19,6
Monate). Das Sterberisiko wurde
durch den Checkpoint­Hemmer
um 27 Prozent verringert (Hazard
Ratio: 0,73; 95%­Konfidenzinter­
vall zwischen 0,57 und 0,93; p =
0,002). Hochrisikopatienten profi­
tierten am meisten, so Grünwald.
Checkpoint­Hemmer seien inzwi­
schen bei dieser Indikation etabliert
und Bestandteil der Sequenzthera­
pie.
Eine weitere neue Option als
Zweitlinientherapeutikum ist der
Multikinasehemmer Cabozantinib.
Das Präparat hat im August von der
US­amerikanischen Zulassungsbe­
hörde FDA auf der Basis der Pha­
se­III­Studie METEOR – Ver­
gleichspräparat war ebenfalls Ever­
olimus – den Status „Breakthrough
Therapy Designation“ erhalten, der
ein beschleunigtes Zulassungsver­
fahren verspricht (NEJM 2015; on­
line 25. September).
In Leitlinie berücksichtigt
In der aktuellen S3­Leitlinie des
Leitlinienprogramms Onkologie
zum Nierenzellkarzinom wird die
Immuntherapie ebenfalls berück­
sichtigt und die Behandlung mit
VEGF (vascular endothelial growth
factor)­und mTOR­Hemmern in
der Erstlinie beziehungsweise
Zweitlinie empfohlen. Die klassi­
schen Zytokin­basierten Therapien
kämen heute nicht mehr zum Ein­
satz. Allerdings sei die hochdosierte
intravenöse IL­2­Gabe bei Patien­
ten mit einem oligo­metastatischen
Befall und sehr gutem Allgemeinzu­
stand eine Alternative für die Erstli­
nientherapie, allerdings nur in spe­
zialisierten Zentren.
(ple)
Nieren­Ca: Die
Immuntherapie
wandelt sich
Patienten mit Nierenzell­
karzinom profitieren wie
Melanompatienten von
der modernen Immun­
therapie durch Check­
point­Hemmer.
ONKOLOGIE
Aufgrund des Mangels an Spender­
organen stammen in Europa heute
schon bei etwa 50 Prozent der Lei­
chennieren­Transplantationen die Or­
gane von Spendern, die nicht die Stan­
dardkriterien erfüllen (standard crite­
ria donors, SCD). Spender mit erwei­
terten Kriterien (expanded criteria do­
nors, ECD) haben entweder schon das
60. Lebensjahr erreicht oder sie sind
zwischen 50 und 59 Jahre alt, leiden
aber bereits an Gefäßerkrankungen.
Ausschlaggebend für das Langzeit­
ergebnis einer Nierentransplantation
mit ECD­Organen sind, einer franzö­
sischen Studie zufolge, vor allem zwei
Faktoren – die Anwesenheit von do­
norspezifischen Anti­HLA­Antikör­
pern (donor specific antibody, DSA)
beim Empfänger zum Zeitpunkt der
Transplantation und die Länge der
kalten Ischämiezeit: Sofern die Rezipi­
enten keine DSA aufweisen und die
Ischämiezeit unter 12 Stunden bleibt,
ist das Transplantatüberleben ähnlich
gut wie mit SCD­Organen (BMJ
2015; 351: h3557). Die Studienauto­
ren um Olivier Aubert vom INSERM
in Paris empfehlen daher, speziell bei
der Verteilung von ECD­Nieren diese
beiden Kriterien stärker zu berück­
sichtigen.
Die Ärzte haben den Erfolg von
2763 Transplantationen ausgewertet,
die zwischen 2004 und 2011 vorge­
nommen worden waren. 916 Patienten
(33,2 Prozent) hatten ECD­Nieren er­
halten. Nach sieben Jahren lebten
noch 80 Prozent von ihnen mit dem
Spenderorgan. In der Gruppe mit
SCD­Nieren war dies bei 88 Prozent
der Patienten der Fall.
Die Prognose der ECD­Patienten
war besonders schlecht, wenn ihr Se­
rum am Tag der Organverpflanzung
positiv auf zirkulierende DSA getestet
worden war (mittlere Floureszenz­
intensität über 500 Einheiten). Die
mittlere Lebenszeit einer ECD­Niere
bei einem DSA­positiven Empfänger
lag bei 4,6 Jahren – gegenüber 9,5 Jah­
ren bei einem DSA­negativen Emp­
fänger. Das Sieben­Jahres­Überleben
betrug 44 versus 85 Prozent.
Zum Vergleich: Bei Patienten mit
SCD­Nieren lag das Sieben­Jahres­
Überleben bei 73 Prozent mit DSA
und bei 90 Prozent ohne DSA. Damit
war das Risiko, die Niere binnen sie­
ben Jahren zu verlieren, bei DSA­posi­
tiven ECD­Patienten 4,4­mal so hoch
wie bei DSA­negativen und sogar
5,6­mal so hoch wie bei allen anderen
Patienten zusammen. Schon ein Jahr
nach der Transplantation hatten die
Nieren in der ECD­Gruppe mit DSA
den stärksten Funktionsverlust. Auch
die histologische Beurteilung fiel bei
ihnen deutlich schlechter aus als bei
ECD­Patienten ohne DSA.
Ob es zu einem Transplantatversa­
gen kam, war bei ECD­Nieren außer
vom Nachweis von DSA hauptsächlich
von der kalten Ischämiezeit abhängig:
Wenn die Konservierungszeit zwischen
12 und 24 Stunden lag, war das Risiko
um den Faktor 2,5, bei Zeiten über 24
Stunden um den Faktor 3,8 erhöht.
Der Nachweis zirkulierender DSA am
Tag der Operation ging mit einem
4,6­fach erhöhten Risiko einher. Dabei
waren höhere DSA­Spiegel mit höhe­
ren Risiken für den Transplantatver­
lust verknüpft. Im Gegensatz dazu hat­
te die bioptische Beurteilung der
Spenderniere vor der Übertragung kei­
nen eigenständigen Wert bei der Ab­
schätzung der Prognose.
Der langfristige Erfolg einer
Leichennieren­Transplanta­
tion ist schlechter, wenn
der Organspender nur den
erweiterten Kriterien
genügt. Durch geeignete
Empfängerauswahl kann
das Ergebnis aber erheblich
verbessert werden.
Transplantation: gute Prognose
auch bei Nieren „zweiter Wahl“
Von Beate Schumacher
Nierenspende: Auch mit Organen von älteren oder kranken Spendern sind gute
Transplantationsergebnisse zu erzielen.
© SPRINGER VERLAG GMBH
Das Grundproblem der Bluthoch­
drucktherapie in der Schwangerschaft
lässt sich nicht auflösen. Einerseits
kann der Fetus schlecht damit umge­
hen, wenn die Plazenta therapiebe­
dingt weniger durchblutet wird. Die
Blutgefäße sind noch unreif. Eine Au­
toregulation findet intrauterin nur sehr
begrenzt statt.
Andererseits gefährdet Bluthoch­
druck in der Schwangerschaft die Ge­
sundheit der Mutter. „Wir wissen bei­
spielsweise, dass sich eine linksventri­
kuläre Hypertrophie in der Schwan­
gerschaft verschlechtern kann“, sagte
Professor Duska Dragun von der Cha­
rité Berlin bei der Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Nephrolo­
gie. Dies korreliere mit der kardiovas­
kulären Gesamtprognose.
Leitlinien sind zurückhaltend
Was also tun bei Frauen, die vielleicht
schon mit Bluthochdruck in die
Schwangerschaft hineingehen? Dass
Medikamente umgestellt werden müs­
sen, ist klar. Zur Verfügung stehen im
Wesentlichen Methyldopa, selektive
Betablocker wie Labetalol, außerdem
Nifedipin und Dihydralazin bezie­
hungsweise Hydralazin. Was die Blut­
druckziele angeht, sind die meisten na­
tionalen und internationalen Leitlinien
sehr zurückhaltend. Eine Blutdruck­
senkung aus mütterlicher Indikation
wird meist erst bei Werten ab 170/110
mmHg empfohlen, beziehungsweise
ab 160/100 mmHg wenn der Blut­
hochdruck schon vorher bestand.
Möglicherweise ist das etwas zu
streng. Professor Dragun berichtete in
Berlin über eine kürzlich publizierte,
randomisierte Studie von Professor
Laura Magee von der University of
British Columbia, Kanada (N Engl J
med 2015; 372:407­17). An der Stu­
die nahmen über 1000 Frauen von der
14. bis zur 34. Schwangerschaftswoche
teil, die entweder an einem vorbeste­
henden Bluthochdruck oder einem
Gestationshypertonus ohne Proteinu­
rie litten. Verglichen wurde eine stren­
ge mit einer weniger strengen Blut­
druckeinstellung mit einem diastoli­
schen Zielblutdruck von 85 mmHg
beziehungsweise 100 mmHg.
Senkung bis 85 mmHg diastolisch
Primärer Endpunkt der Studie war ein
breites Spektrum von Schwanger­
schaftskomplikationen auf Seiten des
Fetus vom Schwangerschaftsabbruch
über den Spontanabort bis zum neo­
natalen Tod. Dabei gab es keinen sta­
tistisch signifikanten Unterschied zwi­
schen den Gruppen. Auch bei den se­
kundären Endpunkten gab es wenig
Grund zur Sorge. Weder unterschie­
den sich die Kinder stark im Geburts­
gewicht noch in ihrem Wachstumsver­
halten.
Auf Seiten der Mutter wiederum
traten schwere Komplikationen bei
strengerer Blutdruckeinstellung nume­
risch seltener auf. „Insgesamt hilft uns
diese Studie, in der individualisierten
Therapie zugunsten der Mutter etwas
mutiger zu werden“, so Dragun. Zu­
mindest wenn maternale Komplikatio­
nen aufträten, sei eine Absenkung des
Blutdrucks bis 85 mmHg diastolisch
erlaubt.
(gvg)
Die Blutdrucksenkung in
der Schwangerschaft ist ein
heikles Thema. Es gibt
kaum Medikamente, und
der Fetus schätzt Blut­
druckabfälle nicht. Trotz­
dem können Ärzte in vielen
Fällen zugunsten der Mut­
ter etwas mutiger werden.
Hypertonie bei Schwangeren
14
November 2015
BDI aktuell
Medizin
Das Leitlinienprogramm Onkologie
hat eine S3­Leitlinie zur Diagnostik
und Therapie des Nierenzellkarzi­
noms vorgelegt. Die Leitlinie ent­
stand unter der Federführung der
Deutschen Gesellschaft für Urolo­
gie (DGU) und der Deutschen Ge­
sellschaft für Hämatologie und Me­
dizinische Onkologie (DGHO); sie
soll einheitliche medizinische Stan­
dards für die Diagnose, Therapie
und Nachsorge des Nierenzellkarzi­
noms in Abhängigkeit von Histolo­
gie und Tumorstadium schaffen,
heißt es in einer Mitteilung der
Deutschen Krebsgesellschaft e. V.
Die neue Leitlinie enthält außer­
dem Qualitätsindikatoren, die mit
einer standardisierten Methodik ab­
geleitet wurden und im Rahmen
der Zertifizierung von Krebszentren
zur Qualitätssicherung bei der Be­
handlung von Nierenzellkarzino­
men genutzt werden können.
(eb)
Die Leitlinie ist einzusehen unter:
leitlinienprogramm­onkologie.de/
Nierenzellkarzinom.85.0.html
S3­Leitlinie
zum Nierenkrebs
erschienen
LEITLINIENPROGRAMM
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