BDI aktuell 11_2015 - page 5

Das Arzneimittelmarktneuord­
nungsgesetz, besser unter seiner
Abkürzung AMNOG bekannt, ist
in 2011 in Kraft getreten. Während
bis dahin alle Medikamente von der
Europäischen Zulassungsbehörde
EMA zugelassen wurden und auch
prinzipiell dem deutschen Markt
zur Verfügung standen, wenn dies
der Hersteller wollte, hat das AM­
NOG eine zweite Hürde zur Zulas­
sung in Deutschland mit einer zu­
sätzlichen Nutzenbewertung im
Vergleich zu einer Standardtherapie
eingebaut.
Der Bundesverband der pharma­
zeutischen Industrie (BPI) versucht
im jüngsten Arzneimittelverord­
nungsreport (AVR) eine Bilanz des
AMNOG. Vor dessen Einführung
standen 95 Prozent der europäisch
zugelassenen Präparate dem deut­
schen Patienten zur Verfügung,
nach Einführung sind es nur noch
77 Prozent. Eine Analyse über die
Motive, sich nicht am deutschen
Markt zu beteiligen, liegt aber nicht
vor. Sicher scheint jedoch, dass der
formale Vorgang der Nutzenbewer­
tung, möglicherweise aber auch die
anschließenden Preisverhandlungen
mit den Krankenkassen abschre­
ckend wirken.
(HFS)
Weniger Arzneien
für deutsche
Patienten
Nur noch 77 Prozent der
europäisch zugelassenen
Präparate stehen auch
in Deutschland zur
Verfügung. Schuld soll
das AMNOG sein.
AMNOG­BILANZ
In der ambulanten spezialfachärztli­
chen Versorgung (ASV) können
fachgruppengleiche Ärzte in einem
Behandlungsfall Leistungen auch
mehrfach abrechnen. Wie die Kas­
senärztliche Bundesvereinigung
(KBV) mitteilt, hat dies der ergänz­
te erweiterte Bewertungsausschuss
beschlossen. Die Ärzte erhalten je­
doch einen Abschlag auf das Hono­
rar. Die Regelung gilt seit Oktober.
Mit dem Beschluss stehe fest, dass
auch dann alle Leistungen vergütet
werden, wenn Patienten in einem
Quartal mehrere Ärzte derselben
Fachgruppe eines ASV­Teams aufsu­
chen. Die Höhe des Abschlags auf
das Honorar von zehn beziehungs­
weise 15 Prozent richte sich danach,
ob es sich um eine Leistung handelt,
die laut EBM nur einmal oder mehr­
mals im Behandlungsfall abgerech­
net werden darf.
(eb)
Mehrfach
abrechnen nur
mit Abschlag
ASV­LEISTUNGEN
Berufspolitik
BDI aktuell
November 2015
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Das Belegarztsystem bietet seit Jahr­
zehnten ein bewährtes Konzept für eine
integrative Versorgung. Im sog. koope­
rativen Belegsystem übernehmen meh­
rere niedergelassene Fachärzte gemein­
sam die medizinische Versorgung ihrer
Patienten rund um die Uhr, ohne in ei­
nem Anstellungsverhältnis zum Kran­
kenhausträger zu stehen. Der Vorteil
besteht in einer sektoral durchlässigen
Struktur, in der die Patienten stationär,
ambulant­vorstationär und nachstatio­
när mit Facharztstandard betreut wer­
den. Dieses Prinzip lässt sich auch in ei­
nem hochspezialisierten Fachgebiet mit
kardiovaskulär­interventionellem
Schwerpunkt erfolgreich realisieren, wie
das Beispiel des Herz­& Gefäßzent­
rums am Agaplesion Krankenhaus
Neu­Bethlehem in Göttingen zeigt.
Das Versorgungskonzept
Das medizinische Versorgungskonzept
des Herz­ & Gefäßzentrums (HGZ) be­
ruht auf 4 Säulen: (1) der auf dem
Krankenhausgelände gelegenen kardio­
logisch­angiologischen Gemeinschafts­
praxis mit zertifizierter Brustschmerz­
ambulanz und weiteren Spezialambu­
lanzen; (2) der internistischen Belegsta­
tion des Krankenhauses Neu­Bethle­
hem inkl. einer zertifizierten Brust­
schmerz­und IMC­Station; (3) einem
interventionellen Bereich mit den Ka­
theterlaboren; (4) zahlreichen Facharzt­
praxen, die in Form eines Campus das
Krankenhaus umgeben und auf deren
Expertise ohne Verlegungsnotwendig­
keit rückgegriffen werden kann.
Der Erstkontakt findet in der Regel
über die Ambulanzen der Gemein­
schaftspraxis statt. Die Weiterbehand­
lung erfolgt ambulant oder stationär
durch dieselben Kardiologen im beleg­
ärztlichen System. Sie erfolgt personali­
siert, was bedeutet, dass die Patienten
vom Erstkontakt bis zur interventionel­
len und stationären Therapie und Nach­
behandlung persönlich betreut und so
Informationsverluste und Doppelunter­
suchungen vermieden werden. Die Be­
handlungskontinuität ist auch im Bereit­
schafts­und Notfalldienst dadurch si­
chergestellt, dass die elektronischen
Krankenakten an allen Arbeitsplätzen
verfügbar sind. Zur Sicherung der Ver­
sorgungsqualität dienen neben dem
Facharztstandard Fallkonferenzen und
„Mehraugenprinzip“ sowie interne und
externe Qualitätssicherungsverfahren.
Die vielen am Krankenhaus und
Facharztcampus vertretenen Fachdis­
ziplinen eröffnen ein großes Spektrum
diagnostischer und therapeutischer
Möglichkeiten, vergleichbar dem großer
Kliniken. Es bestehen u.a. Kooperatio­
nen mit der Gefäßchirurgie und Anäs­
thesiologie am Haus, mit Einrichtungen
für Radiologie, Nuklearmedizin, Endos­
kopie sowie Nephrologie & Dialyse.
Kooperationspartner bei erforderlichen
herzchirurgischen Eingriffen ist die ca.
einen Kilometer entfernte Kardiochir­
urgie der Universitätsklinik (UMG).
Insgesamt ist so ein Netzwerk an Be­
handlungsmöglichkeiten und Interdiszi­
plinarität entstanden, von dem die Pati­
enten mit – nicht nur im geographi­
schen Sinn – kurzen Wegen zu bedarfs­
gerechter und qualitativ hochwertiger
Diagnostik und Therapie profitieren.
Historie und Struktur
Im HGZ sind heute sechs Belegärzte
und weitere Fachärzte zusammenge­
schlossen. Weitere Ärzte werden in
Kardiologie, Angiologie und Innerer
Medizin weitergebildet. Die Instituti­
on wurde vor über 30 Jahren als kar­
diologische Praxis mit Belegbetten ge­
gründet und dann schrittweise erwei­
tert. Die Belegstruktur am Kranken­
haus Neu­Bethlehem wurde mit den
Prinzipien der persönlichen Facharzt­
betreuung, Leistungserbringung und
Haftung erhalten und die Leitungs­
struktur dementsprechend flach und
kollegial organisiert. Das HGZ be­
treibt jetzt eine 42­Bettenstation mit
Chest Pain Unit, IMC­& Telemetrie­
betten einschließlich eines 24h­Prä­
senz­und Bereitschaftsdienstes. 2009
wurde eine inzwischen rezertifizierte
„Chest Pain Unit“ mit 24h­Katheter­
bereitschaft gegründet. Sie leistet be­
kanntlich auch im Belegarztsystem ei­
nen effektiven Beitrag zur Behandlung
akuter Herzerkrankungen, wie am
ebenfalls belegärztlich organisierten
CCB in Frankfurt gezeigt wurde
1)
.
Medizinisches Leistungsspektrum
Im HGZ werden praktisch alle akuten
und chronischen Herz­und Gefäßer­
krankungen behandelt, im Quartal über
5000 KV­Patienten. Hierfür stehen
die Ambulanzen mit allen üblichen
nicht­invasiven Diagnostikverfahren zur
Verfügung: eine zertifizierte Brust­
schmerzambulanz, Nachsorge für ICD­,
CRT­und Herzschrittmachersysteme,
Telemedizin, Spezialsprechstunden u.a.
für Hypertonie­, Rhythmus­, Gefäß­Er­
krankungen, Sportkardiologie, kardio­
vaskuläre Früherkennung & Prävention.
Auf der Belegstation stehen neben den
kardiovaskulären überwachungs­, Diag­
nostik­und Therapieverfahren diverse
internistische Behandlungsmöglichkeiten
zur Verfügung einschließlich Dialyse und
Beatmung auf der anästhesiologisch ge­
führten Wachstation. Es werden jährlich
im Durchschnitt mehr als 3000 Patien­
ten stationär behandelt. Die mittlere Lie­
gedauer beträgt 3,2 Tage.
In den Katheterlaboren werden alle
Formen invasiver Herz­ und Gefäßun­
tersuchungen, Gefäßaufweitungen,
­rekanalisationen und Stentimplantati­
onen durchgeführt; ferner elektrophy­
siologische Untersuchungen & Ablati­
on von Herzrhythmusstörungen ... Im
Durchschnitt werden hier jährlich bis
zu 3000 Eingriffe durchgeführt.
Perspektiven
Das Organisationskonzept des Herz­
& Gefäßzentrums entspricht in vielem
den Endpunkten einer Strukturre­
form, die auf eine sektorenübergrei­
fende Verzahnung von Behandlungs­
pfaden und Ressourcen zielt. Gerade
in einem so stark leitlinienbasierten
Fachgebiet wie der Kardiologie dürf­
ten Struktur­und Prozessqualitäten
im Facharzt­und Klinik­Bereich ver­
gleichbar sein. Im Belegsystem kann
der niedergelassene Kardiologe durch
seine oft individuellere und kontinu­
ierlichere Patientenbetreuung eine
mindestens gleiche Ergebnisqualität
erreichen wie die Klinik und als Frei­
berufler und persönlich Verantwortli­
cher ein besseres Personal­, Zeit­&
Kostenmanagement. Umfrageergeb­
nisse bei Versicherten bestätigen z.B.
für das überwiegend belegärztlich ge­
führte Krankenhaus Neu­Bethlehem
eine hohe Akzeptanz der medizini­
schen und pflegerischen Versorgung.
Ungeachtet dessen sind leider die Fi­
nanzierung von Belegabteilungen im
DRG­System und die Vergütung be­
legärztlicher Leistungen im EBM un­
zureichend. Eine Lösungsmöglichkeit
könnte in der Entwicklung eines ein­
heitlichen, auf der InEK­Systematik
beruhenden DRG­finanzierten Ent­
geltsystems ohne Abschläge auch für
belegärztliche Leistungen bestehen.
1)
B.Nowak et al:Neue Wege in der kardio­
logischen Notfallversorgung: „Chest pain
unit“ im Belegarztsystem. Dtsch Arztebl
2007; 104(27):A­1988 / B­1754 / C­1690
Auszug aus „Sektorale Durchlässigkeit“,
erschienen im „Niedersächsischen Ärzte­
blatt“ 9/2015, Seite 53;
Der Autor, Prof. Dr. Hans Georg Wolpers,
ist geschäftsführender Gesellschafter am
Herz­ & Gefäßzentrum (HGZ) am Kran­
kenhaus Neu­Bethlehem in Göttingen.
Eine sektorübergreifende
Versorgungskette mit einem
festen Ansprechpartner und
kurzen Wegen zu Spezialis­
ten – das ist kein Wunsch­
denken. Belegarztsysteme
schaffen bereits die nötigen
Strukturen, wie ein Beispiel
aus Göttingen zeigt.
Sektorale Durchlässigkeit:
Belegärzte machen es vor
Von Prof. Dr. Hans Georg Wolpers
Gelungene Verzahnung: Belegärzte sind Teil der Klinik und doch als Niedergelassene tätig.
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