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BDI aktuell
November 2015
Medizin
Forscher um Annette Jensen von
der Uniklinik Kopenhagen hatten
Daten von 41 Frauen ausgewertet,
denen zuvor entnommenes und
kryokonserviertes Ovarialgewebe
im Alter von durchschnittlich 33
Jahren wieder eingesetzt wurde
(Hum Reprod 2015; online 6. Ok
tober). Von den Frauen wollten 32
schwanger werden. Zehn von ihnen
bekamen mindestens ein Kind, wo
bei sich eine Frau mit einem Kind
erst im dritten Trimenon befand;
insgesamt waren es 14 Kinder.
Erst seit einigen Jahren entneh
men Ärzte, vor der Chemooder
Strahlentherapie ein Ovar oder Tei
le davon, frieren das Gewebe ein
und pflanzen es später wieder in
den Körper ein. Nach solch einer
Behandlung sind weltweit nach An
gaben der dänischen Forscher be
reits mehr als 36 Kinder geboren
worden. Bei einigen Frauen war das
transplantierte Gewebe nach Anga
ben der Forscher schon seit zehn
Jahren aktiv, bei anderen war es
nach einigen Monaten nicht mehr
funktionsfähig. Die Gründe für die
se Unterschiede zwischen den Pati
entinnen sind unbekannt. Bei 3 der
41 Frauen, die ein GewebeTrans
plantat erhalten hatten, kam der
Krebs nach der Transplantation zu
rück. Allerdings deute nichts darauf
hin, dass es zwischen der Therapie
und dem Rückfall einen Zusam
menhang gibt, so die Forscher.
Der Erhalt der Fruchtbarkeit sei
bei Krebstherapien von großer Be
deutung, weil inzwischen viele jun
ge Frauen geheilt würden, sagte
Professor Christian Thaler vom
Vorstand der Deutschen Gesell
schaft für Reproduktionsmedizin.
Die klassische Methode sei dabei
aber nicht die Kryokonservierung
von Ovarialgewebe, sondern von
unbefruchteten Eizellen. „Das sollte
immer die erste Wahl sein.“ Das
Einfrieren von Eizellen sei schon
lange etabliert und entsprechend si
cher, ergänzte Thaler. Die Trans
plantation von Ovarialgewebe sei
noch experimentell.
(dpa/ikr)
Schwanger
nach einer
Krebstherapie
Die Entnahme von Ovari
algewebe vor Therapie
start ermöglicht Frauen
mit OvarialCa, später
Kinder zu bekommen.
GEWEBEKONSERVIERUNG
Bei etwa jeder fünften Frau, deren
Brustkrebs geheilt werden konnte,
kehrt die Erkrankung in Form von Lo
kalrezidiven und / oder Metastasen zu
rück. Forscher des Wellcome Trust
Sanger Institute in Cambridge haben
die Gensequenzen von 1000 Mamma
karzinomen untersucht. Die Wissen
schaftler haben insgesamt 365 Gene
der Gewebsproben zur Zeit der Erst
diagnose mit dem Genprofil jener Pro
ben verglichen, die beim Wiederauftre
ten entnommen worden waren. Dabei
zeigten sich genetische Unterschiede
zwischen den primären und den wie
der aufgetretenen Tumoren die
Krankheit verändert sich also.
Das genetische Primärprofil erlaubt
jedoch auch einen Blick in die Zu
kunft: „Wir haben zur Zeit der Pri
märdiagnose einige genetische Mutati
onen bei später rezidivierenden Tumo
ren gefunden, die bei jenen Tumoren,
die nicht rezidivierten, kaum auftra
ten“, erklärte Dr. Lucy Yates von der
Forschungsgruppe beim europäischen
Krebskongress ECC in Wien. „Einige
dieser genetischen Veränderungen sind
potenzielle Angriffsziele für die Thera
pie“, sagte Yates. Damit könnten Pati
entinnen mit erhöhter Rezidivneigung
von vornherein gezielt behandelt wer
den und anders als Patientinnen ohne
erhöhte Rezidivneigung.
Dass diese Beurteilung alles andere
als trivial ist, zeigt das Beispiel der Tu
morsuppressorgene JAK2 und
STAT3, die innerhalb des gleichen Si
gnalwegs aktiv sind. Bei manchen Er
krankungen ist das Unterbrechen die
ses Signalweges für das Überleben von
Krebszellen von Vorteil. Bei anderen
Krebserkrankungen dagegen treibt die
Überaktivität von JAK2 die Malignität
des Tumors an. Es sei bekannt, so Ya
tes, dass ein verstärktes JAKSTAT
Signal wichtig sei für die Entwicklung
von Brustkrebsstammzellen und das
Überleben von Krebszelllinien. Diese
Gene zu hemmen scheint von Vorteil
zu sein, geht aus präklinischen Befun
den hervor. Deshalb besteht die Hoff
nung, mit JAKInhibitoren die Krebs
progression zu verzögern.
Aber: „Unsere Ergebnisse weisen
darauf hin, dass bei einer Subgruppe
von Mammakarzinomen die Hem
mung dieses Signalwegs einen gegen
teiligen Effekt haben kann“, so Yates.
Dies müsse weiter untersucht werden.
In einem Kommentar zu der Studie
sagte einer der wissenschaftlichen Lei
ter des ECC 2015, Professor Peter
Naredi aus Göteborg, dass das Wie
derauftreten von Krebserkrankungen
als neue Erkrankung aufgefasst werden
müsse. Mit Hilfe der britischen Studie
könnten nun bessere Therapieent
scheidungen getroffen und Überbe
handlungen vermieden werden, wenn
aufgrund der über den Tumor gewon
nenen Informationen kein Vorteil zu
erwarten sei.
(ner)
Mammakarzinome, die
später wieder auftreten
werden, lassen sich womög
lich vorab identifizieren.
MammaCa: Genetisches Profil sagt Rezidiv voraus
William Campbell, einer der drei No
belpreisträger für Physiologie oder
Medizin des Jahres 2015, wollte zu
nächst nicht an die Ehrung glauben.
Sein Kommentar: „Das muss doch ein
Witz sein.“ Tatsächlich wohnt der
diesjährigen Verleihung ein gewisser
Witz inne. Denn laut Alfred Nobels
Testament sollen mit dem Nobelpreis
diejenigen ausgezeichnet werden, „die
im vergangenen Jahr der Menschheit
den größten Nutzen erbracht haben“.
Nun ist aber der in Irland geborene
und in den USA lebende Campbell
Jahrgang 1930. Der Japaner Satoshi
Omura, mit dem er sich die eine Hälf
te des Preises teilt, ist 1935 geboren.
Und die Frau, der die andere Hälfte
des Preises zugesprochen wurde, die
Chinesin Youyou Tu, feiert Ende des
Jahres ihren 85. Geburtstag. Die Leis
tungen, derentwegen die drei geehrt
werden, liegen rund 40 Jahre zurück.
Therapie gegen Menschheitsplagen
Indessen steht außer Zweifel, dass die
Arbeit der drei Forscher Nutzen gezei
tigt hat. Campbell und Omura, die bei
ihrer Arbeit mit StreptomycesKultu
ren den Wirkstoff Avermectin ent
deckten, legten damit das Fundament
für die Therapie einer der größten
Menschheitsplagen. Avermectin und
das daraus entwickelte Ivermectin er
wiesen sich als wirksame Mittel gegen
Infektionen mit Fadenwürmern. Dazu
gehören die Onchozerkose mit welt
weit 25 Millionen Infizierten und
mehr als 300000 an der Flussblindheit
Erkrankten und die lymphatische Fila
riose, von der 120 Millionen Men
schen betroffen sind und die zu grau
samen Entstellungen bis hin zur Ele
phantiasis führen kann.
Noch größer wird der Nutzen für
die Menschheit, zählt man die Arbeit
von Youyou Tu zu Campbells und
Omuras Bemühungen hinzu. Tu war
es gelungen, moderne Forschungs
technik mit dem Wissen der traditio
nellen chinesischen Medizin zu kom
binieren. Das Resultat war ein Extrakt
aus dem Einjährigen Beifuß (Artemi
sia annua). Tu bediente sich dabei der
Kälteextraktion unter Mithilfe von
Äther. Der Extrakt war im Mäusever
such 100prozentig tödlich für Mala
riaparasiten. In ihrer weiteren For
schung konnte Tu schließlich die akti
ve Komponente isolieren, das Artemi
sinin. Artemisinin zerstört die Parasi
ten bereits in der Frühphase nach der
Infektion der Erythrozyten. Allerdings
ist auch Artemisinin nicht gegen die
Entwicklung von Resistenzen gefeit.
Bekannt geworden sind solche Fälle in
Kambodscha, Laos, Myanmar, Thai
land und Vietnam.
Der Nutzen von Tus Ergebnissen
lässt sich an den Zahlen des aktuellen
Malariaberichts der WHO ablesen.
Hiernach sind weltweit 3,3 Milliarden
Menschen gefährdet, sich mit Malaria
zu infizieren das ist fast die Hälfte
der Menschheit. 1,2 Milliarden laufen
sogar hohes Risiko mit Infektionsraten
von mehr als einem Fall pro 1000 Ein
wohner und Jahr. Für das Jahr 2013
schätzt die WHO die Zahl der mit
Malaria Infizierten auf knapp 200 Mil
lionen Menschen. Mehr als eine halbe
Million starben daran.
Ausrottung der Filarose rückt näher
Man muss dem Nobelpreisträger
Campbell also bei allem Respekt wi
dersprechen: Die Verleihung des No
belpreises für Physiologie oder Medi
zin des Jahres 2015 ist alles andere als
ein Witz. Vielmehr dürfte der Ertrag
für die Menschheit nur selten bei ei
nem MedizinNobelpreis größer gewe
sen sein. Laut aktuellen WHOAnga
ben ist die globale Zahl der Malariafäl
le in den Jahren 2000 bis 2013 um 30
Prozent und die Mortalitätsrate um 47
Prozent zurückgegangen. Die Artemi
sininbasierte Therapie hat dazu we
sentlich beigetragen. Und Substanzen
wie Ivermectin rücken ehedem illuso
rische Ziele in die Nähe des Machba
ren: die Ausrottung der lymphatischen
Filariose bis 2020 und die Eliminie
rung der Flussblindheit bis 2025.
Mit ihrer Forschung haben
die diesjährigen Laureaten
des MedizinNobelpreises
den Kampf gegen große
Menschheitsplagen weit
vorangebracht. Von den
Arzneien gegen Malaria
und Filariosen profitieren
Millionen von Menschen.
Nobelpreis für Medizin:
Selten war der Nutzen größer
Von Robert Bublak
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Arzneien gegen
Tropenkrankheiten
Malaria:
Youyou Tu hat den
Wirkstoff Artemisinin aus
BeifußPflanzen extrahiert.
Elephantiasis:
Satoshi Omura
hat neue Kulturtechniken für
Streptomyces entwickelt, aus de
nen William Campbell den Anti
FilarioseWirkstoff Avermetcin
isoliert hat.
Onchozerkose:
Der aus Aver
mectin modifizierte Wirkstoff
Ivermectin wirkt auch gegen
Flussblindheit.
Mit dem diesjährigen Nobelpreis wurden Fortschritte im Kampf gegen Krankheiten in Entwicklungsländern gewürdigt.
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