Die ambulante spezialfachärztliche Ver
sorgung gibt es seit mehr als einem Jahr.
Bei der Umsetzung der ASV hakt es aber
noch gewaltig. Kann die ASV noch zu ei
nem Erfolgsmodell einer sinnvollen Sym
biose von ambulanten und stationären
Versorgungsangeboten werden?
DR. RALPH ENNENBACH:
Diese Frage
ist nicht einfach zu beantworten und
zwar deshalb, weil Erfolg oder Misser
folg der ASV von sehr vielen Faktoren
abhängen, deren Auswirkungen sich
auch nur schwer vorhersagen lassen.
Es ist heute zum Beispiel nicht einmal
klar, mit welcher Geschwindigkeit der
Gemeinsame Bundesausschuss weitere
Krankheitsbilder in die ASV aufneh
men wird. Rechnet man die derzeitige
Geschwindigkeit hoch, handelt es sich
jedenfalls eher um ein Schneckentem
po. Und da die Politik eher Erwartun
gen an eine andere Dynamik hat und
alle zwei bis drei Jahre alles Mögliche
reformiert, bin ich nicht sicher, wie die
ASV im Jahre 2020 aussehen wird.
Für mich hat die ASV dann die
Chance ein Erfolgsmodell zu werden,
wenn alle Player begreifen, dass es ers
tens nur im Zusammenwachsen am
bulanter und stationärer ärztlicher
Strukturen geht und dies zweitens
eben komplex ist und daher auch Zeit
braucht.
Wird denn der niedergelassene, speziali
sierte Facharzt in Zukunft von der ASV
profitieren können?
Das hängt davon ab, was man unter
spezialisiert versteht. Ich glaube, dass
die ASV im Regelfall nur ein Stand
bein neben anderen sein wird. Ich
glaube auch, dass die Fachärzte sich
eher in Berufsausübungsgemeinschaf
ten (BAG) denn in Einzelpraxen auf
stellen, und dass innerhalb der BAG
dann verschiedene Versorgungsange
bote gemacht und diverse Vertragsebe
nen bespielt werden. Da wird es ein
abgesprochenes Nebeneinander von
Kollektivund Sonderverträgen, Ko
operationen mit dem stationären Be
reich und eben auch der ASV geben.
In diesem Sinne wird der Spezialist
immer Teil einer Einheit mehrerer
Ärzte sein. Diese Einschätzung habe
ich übrigens ganz unabhängig davon,
wie die ASV sich als eine Spielwiese
weiterentwickelt.
In der ASV wird es laut Bundesgesund
heitsministerium für Niedergelassene und
Krankenhäuser die gleichen Wettbewerbs
bedingungen geben. Ist das Wunsch oder
Wirklichkeit?
Zumindest ist mit der Reform des Pa
ragrafen 116b SGB V und der Einfüh
rung der jetzigen ASV ein Schritt in
Richtung Gleichberechtigung getan. In
den nächsten Jahren wird es weitere
sogenannte Konkretisierungen der In
dikationen in der ASV geben. Und
dann wird man immer wieder neu be
urteilen müssen, inwieweit in Praxis
bestehende ambulante Strukturen eine
faire Mitwirkungschance haben. Der
Gesetzgeber hat von sich aus jedenfalls
den Raum dafür geschaffen. Jetzt geht
es für die Kassenärztliche Bundesver
einigung als Vertreterin der niederge
lassenen Ärzte darum, im Gemeinsa
men Bundesausschuss für ausgewoge
ne Beschlüsse zu sorgen.
Die Frage hat aber noch eine zweite
Komponente. Nämlich die, ob nieder
gelassene Ärzte sich genauso schnell
kollektiv operationalisieren können wie
ein Krankenhaus. Im Fall des Kran
kenhauses sagt der Chef: Wir machen
bei der ASVXY mit und dann gilt
das. Bei den Niedergelassenen müssen
mehrere bereit sein, sich in ein ambu
lantes Team zu integrieren, welches es
vorher so nicht gegeben hat. Dazu ge
hören diverse Komponenten wie zum
Beispiel Vertrauen in die anderen Teil
nehmer und organisatorischer Wille.
Das fällt nicht so vom Himmel und
muss erarbeitet werden. Hier haben
die Niedergelassenen einen Startnach
teil.
Wie groß ist die Gefahr, dass einzelne
Krankenhäuser das Geschäft allein ma
chen wollen und kein Interesse an einer
breiten Kooperation mit Vertragsärzten
haben?
Nahe Null. Sieht man einmal von
Hochschulen und deren Ambulanzen
ab, so kenne ich kein regionales Kran
kenhaus, das einen Traum ausleben
könnte, die Niedergelassenen aus de
ren Refugium zu vertreiben. Allein
schon die mangelnden ärztlichen Res
sourcen verhindern regelhaft eine reale
Komplettübernahme der ASV. Unsere
Krankenhäuser haben den alten Para
grafen 116b zwar geliebt, weil es ein
Tummelplatz ohne Verpflichtungen
oder Prüfungen war. Genau deswegen
wünschen diese ja auch vielfach einen
Dauerbestandsschutz für die nach
AltRecht ausgesprochenen Genehmi
gungen zur Durchführung ambulanter
Behandlungen am Krankenhaus.
Kritiker sehen durch die ASV die
Grundversorgung durch Haus und
Fachärzte bedroht. Sie befürchten, dass
dadurch Patienten ins Krankenhaus ab
wandern und die niedergelassenen Ärzte
weniger Einnahmen haben. Sind diese
Sorgen berechtigt?
Hausärzte sind von einer Honorarbe
reinigung gar nicht betroffen, weil der
Bereinigungsbeschluss des Bewer
tungsausschusses explizit den haus
ärztlichen Vergütungsbereich nach der
Trennung ausschließt. Das scheint bei
einigen turbulenten Diskussionen in
der jüngsten Vergangenheit übrigens
nicht bekannt gewesen zu sein.
Bei den Fachärzten ist die Bereini
gung ein komplexer Vorgang, der zum
weit überwiegenden Teil die Fachärzte
betreffen wird, die im Segment der
ASV tätig werden. Ein geringer Restef
fekt wird aber verbleiben, egal wie ver
ursachergerecht man es umsetzt. Das
muss ich sicher ausführlicher erklären.
Bereinigt wird die Gesamtvergütung ja
deswegen, weil in der ASV die Leis
tung nicht mehr zulasten des Kollek
tivvertrags abgerechnet, sondern viel
mehr direkt vergütet wird. Je genauer
man den Kreis der potenziellen Er
bringer von ASVLeistungen eingren
zen kann, desto spezifischer ist eine
Honorarbereinigung möglich und um
so weniger werden Dritte belastet.
Kann man den Kreis auf einen einzel
nen Arzt eingrenzen, stellt sich das
Problem also nicht. Handelt es sich
bei dem Kreis um die Gruppe, verteilt
sich die Honorarverlagerung auf diese.
Nur dann, wenn die Leistung keiner
Untergruppe der Fachärzte zuord
nungsfähig ist, erfolgt eine Umlage auf
alle und damit eigentlich eine Beteili
gung aller Fachärzte.
Hier ist eine Fragestellung derzeit
noch unklar. So sollen die fachärztli
chen Grundleistungen von der Berei
nigung ausdrücklich nicht betroffen
sein, es fehlt aber die verbindliche De
finition des Begriffes was fachärztliche
Grundleistungen sind. Man könnte
dies so deuten, dass die Bereinigung
der fachärztlichen Grundpauschale
unterbleiben soll, der Begriff aus dem
Gesetz ließe sich aber auch umfassen
der interpretieren. Hier steht eine end
gültige Debatte für mich noch an.
Unabhängig davon darf man aber
schon fragen, wie relevant und häufig
diese Konstellation auftritt. Hier
kommt nämlich auch der sogenannte
Ziffernkranz ins Spiel, der für jede
ASVIndikation verschieden aussieht,
die zu bereinigenden Leistungen vor
sieht und vom Bewertungsausschuss
festgelegt wird. Beinhaltet dieser nur
spezielle Leistungen, erfolgt keine Be
lastung der Grundversorger. Es liegen
derzeit keine Anzeichen dafür vor, dass
ein relevanter Teil der Ziffernkränze
auf solche Leistungen entfallen würde.
Der Effekt ist also nicht gleich Null,
aber extrem weit weg von den Be
fürchtungen, die derzeit geäußert wer
den.
Aber man darf festhalten, die Quali
tät der Arbeit der KBV im Bereich der
ASV wird auch daran zu messen sein,
dass der Anteil der Grundleistungen
eine absolute Randgröße bleibt.
Muss man am Ende über die ASV sagen:
Gut gedacht, zu kompliziert gemacht?
Falls jemand einen Sportwagen wollte,
so muss er sich wohl eher mit einem
Raupenschlepper behelfen.
Auszug aus dem Interview mit Dr. Ralph
Ennenbach, stellv. Vorsitzender der KV
SchleswigHolstein in Nordlicht AKTU
ELL Ausgabe 07/2015 (Titel: ASVStart
hilfe für Niedergelassene, Seiten 4 bis 6).
Das Interview führte Marco Dethlefsen,
Abteilungsleiter Kommunikation bei der
KVSH.
Über die ambulante spezi
alfachärztliche Versorgung
sollen niedergelassene
Fachärzte und Kranken
hausärzte gemeinsam und
zu gleichen Rahmenbedin
gungen die Behandlung
übernehmen. Dr. Ralph
Ennenbach, stellvertreten
der Vorstandsvorsitzender
der KV SchleswigHolstein,
beantwortet die Frage, ob
Niedergelassene dabei in
einem fairen Wettbewerb
mit den Kliniken stehen.
Niedergelassene haben einen Startnachteil
Das Interview führte Marco Dethlefsen
Dr. Ralph Ennnebach ist stellv. Vorstandsvorsitzender der KVSH.
© KV SCHLESWIGHOLSTEIN
In Deutschland bestimmt die Budge
tierung die Finanzen im Gesundheits
wesen. Dennoch haben sich die Ver
tragspartner immer wieder auf Berei
che einigen können, in denen das
Budget außer Kraft gesetzt wird. In
diesem Falle tritt ein neues ordnungs
politisches Problem auf. Der neue
Leistungsbereich wird nicht mehr in
nerhalb des Budgets, auf KVchine
sisch in der morbiditätsbedingten Ge
samtvergütung (MGV), abgebildet.
Damit die Krankenkassen nicht zwei
mal bezahlen müssen, muss dieser
Leistungsbereich bereinigt werden.
Eigentlich ist das ganz einfach: Man
nehme die Zahl der ausgegliederten
Leistungen und multipliziere sie mit
dem Betrag, der sich aus dem mittle
ren Punktwert ergibt. Man muss sich
bei den Vertragspartnern nur noch auf
den Zeitraum aus der Vergangenheit
festlegen, aus dem die Berechnung
stattfinden soll.
Danach können die Krankenkassen
wieder das Morbiditätsrisiko und die Fi
nanzierung übernehmen, wenn sie be
reit sind, in Euro und Cent zu vergüten.
So ist dies häufig in der Vergangen
heit geschehen. Typisches Beispiel ist
das ambulante Operieren, das sowohl
von Vertragsärzte als auch Kranken
häusern erbracht wird. Solche ausge
gliederten Leistungen findet man sehr
häufig an der Grenze ambulant/statio
när.
Die ambulante spezialfachärztliche
Versorgung (ASV) soll deshalb auch
extrabudgetär und ohne Mengenbe
grenzung von den Krankenkassen
übernommen werden so will es zu
mindest der Gesetzgeber. Die Bereini
gung ist hier nur deutlich schwieriger,
weil der Versorgungsbedarf aus der
Vergangenheit nicht einwandfrei defi
niert werden kann, weil es eine Versor
gung ASV like bis dato nicht gab.
Im Übrigen hängt die Zahl der Leis
tungen nicht nur vom vergangenen
Bedarf, sondern auch von eventuell
steigenden Zulassungen von Kranken
häusern und Vertragsärzten ab, wenn
sich die ASV bei der Versorgung aus
weitet.
Die Vertragsärzte haben auf Bun
desebene eine kluge und einfache Lö
sung gefunden. Sie definieren die Be
reinigung nicht als Gesamtbetrag,
sondern fallbezogen. Dabei haben sie
für die Tuberkulose in der ASV 93,00
Euro pro Fall ausgerechnet. Die Kas
senärztliche Bundesvereinigung ist da
mit aus dem Schneider. Die Umset
zung erfolgt in den LänderKVen und
hier steckt der Teufel im Detail. Der
Gesetzgeber hat sich schon festgelegt.
Die Bereinigung darf natürlich nicht
zulasten der Hausärzte gehen. Auch
die grundversorgenden Fachärzte
müssen geschont werden, gleichgültig,
was der Gesetzgeber unter dieser
Gruppe versteht.
Soll das fallzahlabhängige Bereini
gungsvolumen von der gesamten Fach
gruppe oder direkt von dem an der
ASV beteiligten Facharzt übernommen
werden? Diese Frage hat die Länder
KV in ihrer Honorarverteilung zu klä
ren. Im Interesse einer funktionierenden
ASV kann man nur auf angemessene
und gut abgestimmte Lösungen vor Ort
hoffen damit wenigstens das kleine
durch die Bürokratie sattsam malträtier
te Pflänzchen ASV nicht gänzlich zer
treten wird.
(HFS)
Bei der ambulanten spezial
fachärztlichen Versorgung
könnte die Bereinigung
tatsächlich rund laufen.
Vorausgesetzt die Länder
KVen machen mit.
ASVBereinigung: Eine gute Lösung?
Berufspolitik
BDI aktuell
September 2015
9
Der GBA legt für jede Erkrankung
fest, welche Anforderungen das
ASVTeam erfüllen muss. Diese
können von Geräten zur bildgeben
den Diagnostik über eine 24Stun
denNotfallversorgung bis zum Vor
halten einer Intensivstation reichen.
Doch nicht alles kann und muss
das Team selbst vorhalten. Es
reicht, wenn die Ärzte eine schriftli
che Kooperationsvereinbarung mit
Einrichtungen (z.B. Krankenhäu
sern) schließen, die das Geforderte
bereitstellen. Eine Sammelabrech
nung für die erbrachten Leistungen
gibt es dabei nicht, jeder Arzt rech
net seine ASVLeistungen selbst ab.
Ausblick:
Die bestehenden Rege
lungen zur ASV werden regelmäßig
überarbeitet. So sieht das GKVVer
sorgungsstärkungsgesetz unter ande
rem vor, dass im Bereich der Onko
logie und der Rheumatologie das
Kriterium der schweren Verlaufs
form gestrichen werden soll.
Auszug aus Nordlicht AKTUELL,
Ausgabe 7/2015, S. 9
GBA legt die Spielregeln fest