Medizin
BDI aktuell
September 2015
15
Eine 78jährige Patientin stellte sich
mit krampfartigen abdominellen
Schmerzen und mit wässrigen Diar
rhöen in der Klinik der Autoren vor.
Seit acht Jahren sei ein M. Crohn be
kannt. In dieser Zeit seien zwei Schübe
mit 5Aminosalicylsäure rasch zu be
herrschen gewesen. Bereits vor neun
Monaten war in einer ambulanten En
doskopie die Intubation des termina
len Ileums misslungen.
Bei Aufnahme zeigte sich eine wa
che vollständig orientierte Patientin in
reduziertem Allgemeinzustand und
normalem Ernährungszustand. Im
Rahmen der Untersuchung des wei
chen Abdomens fand sich ein diffuser
Druckschmerz mit Punctum maxi
mum im rechten Unterbauch, ohne
Resistenzen und mit einer regelrechten
Peristaltik.
Untersuchungsergebnisse
In der Endoskopie zeigte sich eine aus
geprägte ulzeröse Entzündung der
Ileozökalregion mit einer etwa 6 cm
langen gerade noch unter Zuhilfenah
me eines Ballonkatheters passierbaren
Stenose des terminalen Ileums (Abb.
1a und b). Der histopathologische Be
fund der Proben war mit einer chro
nischentzündlichen Darmerkrankung,
speziell mit dem bekannten M. Crohn
bei zu diesem Zeitpunkt mäßiger ent
zündlicher Aktivität, vereinbar. Da
raufhin wurde eine systemische Korti
sontherapie eingeleitet und mit der
Gabe von Azathioprin begonnen. We
nige Tage später wurde aus dem Insti
tut für Pathologie berichtet, dass sich
in der wegen auffälligen herdförmigen
Epitheloidzellgranulomen durchge
führten ZiehlNeelsenFärbung insge
samt drei säurefeste Stäbchen gezeigt
hatten (Abb. 2a und b).
Weitere Diagnostik
Die parallel durchgeführte Polymera
seKettenreaktion (PCR) auf Myko
bakterien fiel negativ aus. Zusätzlich
erfolgte von pathologischer Seite ein
Vergleich mit den histologischen Prä
paraten aus den Vorjahren. Dabei fand
sich ein ähnliches Bild, jedoch konn
ten hier retrospektiv keine säurefesten
Bakterien nachgewiesen werden. Auch
die mikrobiologischen Untersuchun
gen (PCR auf Mykobakterien des Tu
berkulosekomplexes und auf atypische
Mykobakterien sowie Mykobakterien
kulturen) der zwischenzeitlich ent
nommenen nativen Gewebsproben
waren negativ. Erst elf Wochen nach
dem Eingang der ersten Gewebepro
ben konnten in mikrobiologischen
Kulturen Mykobakterien nachgewie
sen und molekularbiologisch differen
ziert werden.
Diagose: Darmtuberkulose durch
Mycobacterium bovis ssp. caprae
Definition
Die Tuberkulose ist mit geschätzt
neun Millionen Betroffenen im Jahre
2013 eine weltweit verbreitete Infekti
onskrankheit. In den häufigsten Fällen
liegt eine Infektion mit Mycobacteri
um (M.) tuberculosis zugrunde. Etwa
ein Prozent der humanen Tuberkulo
sefälle ist durch M. bovis verursacht
und manifestiert sich meist extrapul
monal. Unterschieden werden die bei
den Subspezies M. bovis subsp. bovis
(intrinsische Pyrazinamidresistenz)
und subsp. caprae (in der Regel pyra
zinamidempfindlich). Wichtigster Wirt
von M. bovis subsp. caprae sind Zie
gen. Infektionen mit M. bovis kom
men auch bei Rindern, Hirschen und
Wildschweinen vor. M. bovis subsp.
caprae ist hauptsächlich auf europäi
sche Länder beschränkt (Expert Rev
Anti Infect Ther 2014;
12:15011513). Die Übertragung er
folgt von Tier zum Menschen. Meist
handelt es sich um Menschen, die in
der Landwirtschaft tätig sind oder
Kontakt zu Rotwild haben. Auch die
Übertragung von Mensch zu Mensch
ist möglich. Eine Infliximabtherapie
birgt ein erhöhtes Risiko für die Reak
tivierung einer Tuberkulose. In einer
FollowupStudie mit M. CrohnPati
enten (n = 500) wurde bei einem Pro
banden (0,2 Prozent) M. avium nach
gewiesen (Dig Dis Sci 2013;
58:797806).
Therapie und Verlauf
Nach Erhalt der überraschenden End
diagnose wurde die Patientin noch
mals genauestens nach Kontakten zu
Ziegen oder Rotwild befragt, worauf
sie bestätigte, dass sie in ihrem Eltern
haus mehrfach mit Ziegen in Berüh
rung gekommen sei.
Nach Eingang der Resistenztestung
mit Nachweis einer Empfindlichkeit
gegen Isoniazid, Rifampicin, Myambu
tol sowie Pyrazinamid erfolgte eine
Vierfachtherapie über acht Wochen.
Anschließend wurde eine sechsmona
tige Zweifachtherapie mit Rifampicin
und Isoniazid empfohlen.
Die Patientin wurde jedoch sechs
Monate nach Diagnosewegen inter
mittierender krampfartiger abdominel
ler Schmerzen, Übelkeit, wässriger Di
arrhö sowie eines Gewichtsverlusts
von mehr als 10 kg in einem anderen
Krankenhaus aufgenommen. Ursäch
lich fanden sich die persistierenden
hochgradigen Stenosen des Colon
ascendens auf Höhe der Ileozökalklap
pe und im Bereich des terminalen Ile
ums, die mehrfach ballondilatiert wur
den. Ein Jahr später stellte sich die Pa
tientin wegen derselben Beschwerden
erneut in der Abteilung der Autoren
vor. Es zeigte sich eine ausgeprägte
narbige Schrumpfung des Zökums
und eine nun auf die Ileozökalklappe
beschränkte hochgradige Stenose, die
in zwei Sitzungen bis 12 mm ballondi
latiert wurde. Die Patientin konnte
dann beschwerdefrei entlassen werden.
In den Kulturkontrollen konnte die
erfolgreiche Eradikation des M. bovis
ssp. caprae dokumentiert werden.
Quelle: Bernardin J, Gruden J et al (2015)
Seltene Differenzialdiagnose einer Ileokoli
tis. Gastroenterologe 10:127129. Der Ab
druck erfolgte mit freundlicher Genehmi
gung der Autoren.
Mit krampfartigen abdomi
nellen Schmerzen und
Diarrhoen stellte sich eine
Morbus CrohnPatientin in
der Klinik vor. Doch die Be
schwerden rührten nicht von
der chronischentzündlichen
Darmerkrankung.
Kasuistik: Seltene Differenzialdiagnose
einer Ileokolitis
Von J. Bernardin, J. Gruden et al.
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Fazit für die Praxis
Bei dem Vorliegen
gut ausgebil
deter Epitheloidzellgranulome mit
LangerhansRiesenzellen ist es
ratsam, eine ZiehlNeelsen
Färbung durchzuführen und ein
positives Ergebnis trotz negativer
PCR weiterzuverfolgen.
Für die Diagnostik
einer Tuber
kulose weisen Mykobakterienkul
turen mit ausreichender Beob
achtungsdauer aus allen nativen
Untersuchungsmaterialien die
höchste Sensitivität auf und sind
für die Erstellung eines Antibio
grammes sowie für eine zweifels
freie Speziesdiagnostik unerläss
lich.
Abb. 2b: Nachweis von säurefesten Stäbchen in der ZiehlNeelsenFärbung.
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Abb. 1a: Entzündliche Veränderungen des Zökums.
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Abb.1b: Intubation der Ileozökalklappe mit einem Ballonkatheter.
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Abb. 2a: Epitheloidzellgranulome mit LangerhansRiesenzellen, HämatoxylinEosinFärbung.
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