BDI aktuell 9_2015 - page 16

Christian Hottas hält einen einsamen
Rekord: 2323 Marathons ist der Arzt
aus Hamburg gelaufen, 1968 normale
und 354 Ultra­Marathons, der längste
über 613 Kilometer. Seit dem 3. Au­
gust 2011 führt der niedergelassene
Allgemein­und Sportmediziner die
Weltrangliste mit den meisten beende­
ten Marathons an. Alle Strecken zu­
sammengerechnet, hat der Marathon­
Mann die Erde mehr als fünfmal um­
rundet.
Sein Debüt über die 42,195 Kilo­
meter­Distanz erlebte Christian Hot­
tas am 26. April 1987 in Hamburg.
Mit dem Laufen habe er begonnen,
weil er bei einer Körpergröße von 1,71
Meter knapp 100 Kilogramm wog.
Vier bis fünf Monate habe er zu jener
Zeit für seinen ersten Marathon trai­
niert und sei zwischen 30 und 50 Ki­
lometer pro Woche gelaufen. „Etwas
dünn“, nennt er seine damalige Vorbe­
reitung im Rückblick und sein Vorha­
ben durchaus „kühn“. Dafür war die
Zeit – 4:30:39 Stunden – dann gar
nicht so übel. Kaum dreieinhalb Mo­
nate später wagte sich Hottas schon an
seinen ersten Ultramarathon, einen
80­Kilometer­Lauf, den er am 12. Juli
1987 in Karlsruhe ebenfalls abschloss
– oder wie der Marathonläufer sagt: fi­
nishte.
Ein Rekord nach dem anderen
Seither hat der Arzt aus Hamburg Re­
kord an Rekord gereiht, eigene Best­
marken unterboten und dabei auch ei­
nige nationale wie internationale
Höchstleistungen aufgestellt. Jeder
Lauf spukt als Zahl durch seinen
Kopf. Sein schnellster Marathon:
2:59:20 Stunden. Seine schnellste Zeit
über 100 Kilometer: 8:14:51 Stunden.
Sein Rekord beim 12­Stunden­Lauf:
122,765 Kilometer. Beim 24­Stun­
den­Lauf: 178,250 Kilometer. Beim
48­Stunden­Lauf: 256,793 Kilometer.
Nicht immer ist der schnellste auch
der beste Lauf. An die Deutsche Meis­
terschaft über 100 Kilometer am
30. September 1989 in Unna bei­
spielsweise erinnert sich Hottas beson­
ders gern. Damals lief er nach 8:20:04
Stunden ins Ziel. „Das war ein glatter
Fünfer­Schnitt.“ Bedeutet: Für jeden
einzelnen der 100 Kilometer benötigte
er nur fünf Minuten – noch Fragen?
Absolvierte Hottas in den ersten
Jahren seiner Laufkarriere noch 15 bis
25 Marathons pro Jahr, so waren es
2003 schon 171 – auch das ein Re­
kord. Aus Mangel an Veranstaltungen
und wegen der hohen Kosten (An­
und Abreise, Startgebühren, Hotel)
begann der Arzt, selbst Läufe zu orga­
nisieren, am liebsten an ungewöhnli­
chen Orten. So lud er schon zu Mara­
thonläufen übers Watt, in den Elbtun­
nel und über die alte, inzwischen abge­
rissene Rheinbrücke bei Wesel ein.
Daneben nahm er weltweit an spek­
takulären und für Normalsterbliche
kaum zu bewältigenden Läufen teil
wie etwa am härtesten britischen Ren­
nen, dem „Grand Union Canal 145
Mile Trail Race Birmingham to Lon­
don“, das er 1998 als weltweit dritter
Läufer ohne Betreuungsteam „finish­
te“. Der bewegendste Lauf seiner Kar­
riere war ohne Zweifel sein 2000. Ma­
rathon, den er am 5. Mai 2013 in
Hannover lief: mit der Startnummer
2000 und einer Eskorte von 81 extra
für ihn angereisten Mitläufern aus elf
Nationen, die im Ziel ein Spalier bil­
deten, um den Weltrekordler zu ehren.
Nein, süchtig sei er nicht, wehrt
Christian Hottas ab. „Ich könnte das
gut ohne aushalten“, sagt er, „aber
dann nähmen meine Fitness ab und
mein Gewicht zu.“ Wog er zu seinen
Bestzeiten zwischen 70 und 72 Kilo­
gramm, so bringt er es heute, mit 59
Jahren, auf 90 Kilo, ist damit aber voll­
auf zufrieden. Und nein, Verschleißer­
scheinungen hätten sich bei ihm auch
nach mehr als 200 000 gelaufenen Ki­
lometern noch nicht eingestellt.
„Ich habe in meinem Leben vier
Muskelfaserrisse gehabt“, sagt der
Arzt, „und zwei davon habe ich mir
nicht beim Laufen zugezogen“. Wenn
man es langsam angehen lasse, schone
das die Gelenke, Knieprobleme habe
er nicht. Inzwischen laufe er so ge­
mächlich, dass er während eines Mara­
thons einige hundert Fotos knipse.
Außerdem könne man sich bei einem
ruhigen Tempo besser unterhalten.
„Andere Leute treffen sich mit Freun­
den in der Kneipe, wir treffen uns
beim Marathon, wo wir nicht gegenei­
nander, sondern miteinander laufen.“
„Lifestyle und Lebensqualität“ sei ihm
sein Sport, sagt Christian Hottas.
Und: „Jeder Lauf ist ein Geschenk.“
Diese Botschaft gibt er auch an seine
Patienten weiter. „Ich rate jedem, mit
dem Laufen anzufangen und zu sehen,
welche Distanz für ihn die richtige ist.
Davon wird auf Dauer jeder profitie­
ren – es muss ja kein Marathon sein.“
Kassenzulassung zurückgegeben
Bei seinen Patienten hat sich längst
herumgesprochen, welcher Leiden­
schaft ihr Hausarzt frönt. „Unter ih­
nen sind viele Läufer“, sagt er, „auch
aus dem Umkreis.“ 2013 hat er seine
Kassenzulassung zurückgegeben und
ist nun Privatarzt. „Seither arbeite ich
40 bis 60 Prozent von dem, was ich
vorher gearbeitet habe, verdiene aber
dasselbe.“ Daneben hält er Vorträge –
auch über das Laufen.
Konkrete Ziele für die Zukunft hat
Christian Hottas nicht. „Vielleicht pa­
cke ich die 2500­er oder 3000­er Mar­
ke, aber das Wichtigste ist und bleibt
das Wir.“ Das habe sich vor einiger
Zeit wieder einmal sehr deutlich ge­
zeigt, als ein Mitläufer während eines
Marathons kollabiert sei. „Eine Lauf­
freundin, im Beruf Krankenschwester,
hat ihn stabilisiert – ohne ihre Hilfe
wäre er wohl gestorben.“
Er läuft und läuft und läuft:
Niemand hat mehr Mara­
thonläufe beendet als der
Hamburger Allgemeinarzt
Christian Hottas.
Hausarzt und Rekord­Marathonmann
Spalier für den Rekord­Marathonläufer Christian Hottas bei seinem 2000. Marathon.
© LIEBERS
Von Pete Smith
2323
Marathons
ist der Hamburger Arzt
Christian Hottas bereits gelaufen.
Seit 2011 führt er die Weltrangliste
mit den meisten beendeten Mara­
thons.
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September 2015
BDI aktuell
Panorama
ZITIERT
Ein solches von den
Kassen überraschend
ins Spiel gebrachte
Gutachten zur
Neubestimmung des
Orientierungspunkt­
wertes ist nicht nur
ein grobes Foul, es
stellt vor allem die
Kassenseite als
seriösen Verhand­
lungspartner in Frage.
Lars F. Lindemann
Hauptgeschäftsführer des Spitzenverban­
des Fachärzte Deutschlands e.V.
(SpiFa) zu den Honorarverhandlungen
zwischen KBV und Kassen
TOMICEK’S WELT
Zellen­Therapie
Gesundheits­Apps stehen bei Studie­
renden offenbar hoch im Kurs. Sie
schätzen es, Gesundheitsdaten online
zu kontrollieren. Die Mehrheit der
künftigen Akademiker wünscht sich
dabei Unterstützung durch Ärzte.
Das zeigt eine Untersuchung der
Universität Bielefeld. In einer Befra­
gung von 675 Studierenden an ver­
schiedenen Hochschulen durch For­
scher der Fakultät für Gesundheits­
wissenschaften hat ein Drittel angege­
ben, Gesundheits­Apps auf dem
Smartphone zu nutzen. Dabei geht es
den Studierenden vor allem darum,
ihren Gesundheitszustand besser ein­
schätzen zu können und ihre Leis­
tungsfähigkeit zu steigern.
70 Prozent kontrollieren das täg­
liche Bewegungspensum oder das
Schlafverhalten. „Jeder Zweite setzt
die Apps während des Sports ein,
etwa um die Herzfrequenz oder
Laufstrecken aufzuzeichnen“, teilt
die Universität mit. Apps zu kon­
kreten medizinischen Themen sind
dagegen weniger beliebt.
(iss)
Health­Apps,
der Studenten
neuer Liebling
AUCH DAS NOCH
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