BDI aktuell 9_2015 - page 7

Bis Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses (GBA) ihre Wir­
kung entfalten, dauert es mitunter ei­
nige Zeit. Bei der sektorübergreifen­
den Qualitätssicherung wird es für
Ärzte und Kliniken nun aber langsam
ernst. Denn die Änderung der Richtli­
nie zur einrichtungs­und sektorüber­
greifenden Qualitätssicherung vom Fe­
bruar dieses Jahres (in Teil 1 Paragraf
26 und Teil 2) erfordert, dass die Leis­
tungserbringer spezielle Daten zur
Qualitätssicherung erheben und stellt
Sanktionen für fehlende Dokumentati­
on in Aussicht.
Dabei erhielt der GBA bereits im
Rahmen des Wettbewerbsstärkungsge­
setzes den gesetzlichen Auftrag (Para­
grafen 137, 137a SGB V), einrichtungs­
übergreifende, an der Ergebnisqualität
ausgerichtete Maßnahmen zur sektor­
übergreifenden Qualitätssicherung zu
beschließen. 2010 lag dann auch tat­
sächlich die Richtlinie über einrich­
tungs­und sektorübergreifende Maß­
nahmen zur Qualitätssicherung – kurz
Qesue­RL – vor. Damit schuf der GBA
die Voraussetzungen für eine sektor­
übergreifende Qualitätssicherung. In
der Richtlinie werden die Strukturen
und verfahrenstechnischen Grundlagen
für eine sektorübergreifende Betrach­
tung der medizinischen Behandlungs­
qualität festgelegt. Und es wird die
Möglichkeit eröffnet, die Qualität der
Leistungen zu vergleichen, die gleicher­
maßen im Krankenhaus und in der ver­
tragsärztlichen Praxis erbracht werden
(sektorgleiche Verfahren). Zudem soll
auch die Erfassung von Behandlungser­
gebnissen möglich sein, an denen so­
wohl das Krankenhaus als auch nieder­
gelassene Ärzte maßgeblichen Anteil
haben (sektorüberschreitende Verfah­
ren) oder bei denen die Qualität einer
im Krankenhaus erbrachten Leistung
durch die Messung in einer vertrags­
ärztlichen Praxis (oder umgekehrt)
überprüft wird (sektorüberschreitendes
follow­up­Verfahren).
Auch Praxisbegehungen sind geregelt
Die Richtlinie regelt die Grundlagen
der Aufbauorganisation, die Datenflüs­
se, das Verfahren zur Auffindung quali­
tativ auffälliger Ergebnisse sowie sich
daraus ergebende mögliche Vorgehens­
weisen, wie etwa Praxisbegehungen. Auf
der Grundlage der beschlossenen
Richtlinie soll es möglich sein, die Be­
handlungsqualität über den stationären
Aufenthalt von Patientinnen und Pati­
enten hinaus zu erfassen.
Die Richtlinie ist in zwei Teile ge­
gliedert. Einen allgemeinen Teil, der
für alle Verfahren gelten soll (Teil 1)
und einen besonderen Teil (Teil 2) in
dem die verfahrensspezifischen Be­
stimmungen für „sektorübergreifende,
themenspezifische Qualitätssiche­
rungsverfahren“ festgelegt werden.
2010 hatte der GBA zunächst nur Teil
1 der Richtlinie beschlossen und dem
AQUA­Institut (Institut für angewandte
Qualitätsförderung und Forschung im
Gesundheitswesen) die Erarbeitung der
Bestimmungen für sektorübergreifende,
themenspezifische Qualitätssicherungs­
verfahren übertragen.
Mit der nun vorliegenden Ände­
rung der Richtlinie werden erstmalig
„themenspezifische Bestimmungen“
vorgelegt – und zwar für das „sektor­
übergreifende Qualitätssicherungsver­
fahren perkutane Koronarintervention
(PCI) und Koronarangiographie“.
Das „Verfahren 1: Perkutane Koro­
narintervention (PCI) und Koronar­
angiographie“ ist in vier Abschnitte (A
bis D) mit insgesamt 18 Paragrafen
gegliedert und enthält zwei Anlagen.
In Abschnitt A „Allgemeines“ sind
u. a. Koronarangiographien und per­
kutane Koronarinterventionen („In­
dexeingriff“) bei gesetzlich versicher­
ten Patienten ab 18 Jahren, Messung
der Indikationsstellung, der Durch­
führung und der Komplikationen und
Ziele (Verbesserung der Indikations­
stellung, Förderung der leitlinienge­
rechten Durchführung, Verringerung
der Komplikationsrate) definiert. Pa­
ragraf 2 enthält dabei „Eckpunkte“,
wie die Beurteilung von ambulant und
stationär erbrachten Indexeingriffen.
Der GBA soll das Erreichen der Ziele
zum 30.06.2023 bewerten und über
den Fortgang entscheiden.
In Abschnitt B sind Erhebung,
Weiterleitung, Prüfung und Auswer­
tung der Daten geregelt. Die entspre­
chenden Daten sind in der Anlage II
aufgeführt. Die Daten werden bei den
Leistungserbringern, den Krankenkas­
sen und zu einem späteren Zeitpunkt
auch bei den Patienten erhoben.
Wichtig ist, dass die Datenerhe­
bung bei den Leistungserbringern be­
reits am 1. Januar 2016 beginnen soll.
Für eine bundesweit einheitliche und
softwarebasierte Dokumentation
durch die Leistungserbringer und ein­
heitlicher Regeln für die Datenbereit­
stellung durch die Kassen soll das In­
stitut für Qualitätssicherung und
Transparenz im Gesundheitswesen
(IQTIG) Vorgaben erarbeiten.
Es drohen Vergütungsabschläge
In Abschnitt C sind die Durchführung
von Maßnahmen und Zuständigkeiten
geregelt. Die Landesarbeitsgemein­
schaften sollen Fachkommissionen
einrichten. Hierbei sind Länderüber­
greifende Kommissionen möglich, ins­
besondere bei „geringer Anzahl leis­
tungserbringender Einrichtungen pro
Land“. Stimmberechtigte Mitglieder
der Fachkommissionen sind mindes­
tens je zwei Vertreter der Vertragsärzte
und der zugelassenen Krankenhäuser,
von denen mindestens je einer Kar­
diologe sein muss sowie ein Vertreter
der Krankenkassen mit der Facharzt­
bezeichnung Internist. Weiter ist vor­
gesehen, dass das Institut ein sektor­
übergreifendes Expertengremium auf
Bundesebene einrichtet.
Nicht außer Acht lassen sollten Ärzte
und Kliniken Abschnitt D. Denn unter
dem Punkt „Fehlende Dokumentation
der Datensätze“ wird bei Nichterfüllen
der Dokumentationspflichten auf Sank­
tionen wie Vergütungsabschläge nach
Teil 1 Paragraf 17 Absatz 4 hingewie­
sen. Ausdrücklich wird aber festgestellt,
dass für das Erfassungsjahr 2016 keine
Vergütungsabschläge erhoben werden.
Mit der Richtlinie zur
sektorübergreifenden Quali­
tätssicherung soll die
Behandlungsqualität über
den stationären Aufenthalt
hinaus erfasst werden. Nun
geht das erste Verfahren in
den Regelbetrieb. Ab 2016
sollen Ärzte und Kliniken
Daten liefern.
GBA­Richtlinie wird mit Leben gefüllt
Von Sabine Marschall
Das Verfahren soll
Patienten Informa­
tionen über die
Qualität der
durchgeführten
Leistungen geben,
um sie bei ihrer
Entscheidung zu
unterstützen, ob
und in welcher
Einrichtung sie sich
diesem Eingriff
unterziehen.
aus der Begründung
des GBA
zur Richtlinien­Änderung
Transparenz über die Sektorgrenzen hinaus: Für perkutane Koronarinterventionen soll dies nun Realität werden.
© CHRISTIAN JUNG / FOTOLIA.COM
Berufspolitik
BDI aktuell
September 2015
7
Auf der Agenda der Bundesregierung
steht neben vielen weiteren gesetzlichen
Vorgaben in der Gesundheitspolitik
auch eine Neuordnung der Aus­und
Weiterbildung der Psychotherapeuten.
Die gesetzliche Vorlage befindet sich zur
Zeit in Arbeit, erste Entwürfe sind an
die Öffentlichkeit gedrungen. Der Vor­
sitzende des Spitzenverbandes der
Fachärzte in Deutschland (SpiFa), Dr.
Dirk Heinrich, sah sich aufgrund dieser
Information gezwungen, den Präsiden­
ten der Bundesärztekammer (BÄK)
Professor Frank Ulrich Montgomery
über den Vorgang zu informieren. Da er
befürchtet, dass die ärztliche Versorgung
von dieser Neuordnung betroffen ist.
Die Psychotherapeuten selbst sind in
der zweiten ärztlichen Körperschaft, der
KV, ohnehin Mitglied, sodass in diesem
Falle allein die BÄK gefragt ist, da hier
die Ärzte unabhängig von den Psycho­
therapeuten organisiert sind.
Wie positioniert sich die BÄK?
Man darf gespannt sein, ob und wie die
BÄK auf das Anschreiben reagiert. Es
besteht die Befürchtung, dass es zu ei­
ner Befugniserweiterung der Psychothe­
rapeuten kommt, die in die ärztliche
Kompetenz eingreift. Dies soll auch Re­
gularien wie stationäre Einweisung und
Krankschreibung betreffen. Tatsächlich
steigt die Zahl der nicht ärztlichen Psy­
chotherapeuten im Vergleich zu den
Ärzten, die eine psychotherapeutische
Anerkennung besitzen oder zu psycho­
somatisch tätigen Ärzten kontinuierlich
an. Der SpiFa erwartet, dass die ganz­
heitliche Versorgung der Patienten, die
Organ und Psyche gleichzeitig einbe­
zieht, weiterhin eine originäre ärztliche
Aufgabe bleibt. Wir drucken das Schrei­
ben im Folgenden in Auszügen ab:
Sehr geehrter Herr Professor Montgo­
mery,
der SpiFa wendet sich an Sie als Ver­
tretung der deutschen Ärzteschaft in
einer Angelegenheit, welche die Exis­
tenz der Medizin in ihrer heutigen
Form und das künftige Berufsbild des
Arztes grundsätzlich betrifft. Seitens
des Gesundheitsministeriums ist eine
Novellierung des Psychotherapeuten­
gesetzes geplant.
Nach bisher bekannt gewordenen In­
formationen scheint die Bezeichnung
„Novellierung“ jedoch irreführend. Ge­
plant sind viel weitergehendere Eingriffe
in das Gesundheitswesen der Bundesre­
publik Deutschland ...
Vorgesehen ist die Schaffung eines
neuen Gesundheitsberufs neben und
künftig sicherlich auch in weiten Teilen
anstelle des Arztes. Konkret vorgesehen
ist neben dem Medizinstudium die Ein­
führung eines neuen grundständigen
„Psychotherapiestudiums“ mit unmit­
telbar anschließendem Staatsexamen
und Approbation, bemerkenswerterwei­
se ohne den Erwerb der speziellen psy­
chotherapeutischen Fachkunde inner­
halb des Studiums! ...
Unter Umgehung des Medizinstudi­
ums soll hier neben dem Arzt ein neuer
allgemein heilkundlicher Gesundheits­
beruf geschaffen werden, ein neuer
Quasi­Arzt mit Zuständigkeit für den
gesamten kommunikativen, psycho­so­
zialen und basalen medizinischen Be­
reich im Gesundheitswesen, und das
ohne den Erwerb der entsprechenden
grundlegenden medizinischen Kennt­
nisse und Erfahrungen im vorhergehen­
den Studium! Das heißt, dass hier ein
heilkundlicher Gesundheitsberuf ge­
schaffen werden soll, der sich bezüglich
der medizinischen Qualifikation deut­
lich unter dem Niveau von Kranken­
schwestern/­pflegern bewegen dürfte.
Ärzteschaft wurde nicht beteiligt
Die Medizin als umfassende Human­
wissenschaft und unteilbare Heilkun­
de für den ganzen Menschen ist durch
dieses Gesetzesvorhaben in ihren
Grundlagen gefährdet. Es droht die
Übernahme des gesamten kommuni­
kativen, psychosozialen und basal­me­
dizinischen Bereichs durch den neuen
allgemein heilkundlichen Beruf des
„Psychotherapeuten“ und die Ab­
drängung der Ärzteschaft in den aus­
schließlich technischen Sektor.
Betroffen von diesen Planungen ist
insbesondere das gesamte Tätigkeitsfeld
der praktischen Ärzte, Fachärzte für All­
gemeinmedizin und Fachärzte mit vie­
len Patienten in der Grundversorgung ...
Es ist besorgniserregend, dass sämtli­
che bisherigen Planungen zu diesem
Gesetz, das für die Bevölkerung weitrei­
chende Konsequenzen hat, ohne Betei­
ligung der Ärzteschaft erfolgt sind.
Selbst wenn man die Angelegenheit
als ausschließlich psychotherapeutische
betrachten möchte, erscheint die fehlen­
de Beteiligung der Ärzteschaft und der
Bundesärztekammer als deren Vertre­
tung inakzeptabel ...
Aufgrund der besonderen Dring­
lichkeit mit dem voraussichtlich noch
in diesem Jahr anstehenden Referen­
tenentwurf ... möchten wir folgende
Fragen an die BÄK richten:
Welche Maßnahmen
zum Schutz der
Medizin als unteilbarer Humanwissen­
schaft und Heilkunde für den ganzen
Menschen hat die BÄK bisher ergriffen?
Welche Zukunft
und Tätigkeitsfel­
der sieht die BÄK angesichts der ge­
planten Umwälzung im Gesundheits­
wesen für nicht überwiegend appara­
tiv­technisch tätige Ärzte? ...
Was hat
die BÄK gegen den Aus­
schluss der Ärzte von der „Transitions­
kommission“ zur Novellierung des Psy­
chotherapeutengesetzes unternommen?
Wir freuen uns über einen zeitnahen
Austausch ... und verbleiben mit
freundlichen Grüßen
Dr. med. Dirk Heinrich, Vorsitzender
Die geplante Novelle des
Psychotherapeutengesetzes
soll einen neuen Gesund­
heitsberuf schaffen. Und
das wohl nicht nur neben,
sondern in weiten Teilen
auch anstelle des Arztes.
Psychotherapeutengesetz gefährdet Grundversorger
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