BDI aktuell 9_2015 - page 4

Das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM) hat
am 21. August eine aktualisierte Liste
ruhender Generikazulassungen veröf­
fentlicht
). Da­
mit setzt die Behörde einerseits die
kürzlich von der EU­Kommission er­
lassenen Zulassungsstopps um, ande­
rerseits bringt sie ihre eigene Liste ru­
hender Generikazulassungen auf
Stand. Im Dezember 2014 nannte
das BfArM erstmals 80 Produkte, de­
ren Zulassung sie auf Eis gelegt hatte.
Sämtliche dieser Genehmigungen ba­
sierten auf Bioäquivalenzstudien des
indischen Pharmadienstleisters GVK
Biosciences, der im Verdacht stand,
Daten manipuliert zu haben. Insge­
samt führt das BfArM jetzt noch 54
Generika, die in den Apotheken nicht
mehr abgegeben werden dürfen.
(cw)
54 Zulassungen
auf Eis gelegt
ARZNEIMITTELSICHERHEIT
Arztgruppengleiche MVZ
Medizinische Versorgungszentren
(MVZ) müssen nicht mehr fachüber­
greifend aufgestellt sein. Das VSG öff­
net in Paragraf 95 SGB V die Tore für
arzgruppengleiche Kooperationen. Zu­
dem dürfen Kommunen nun MVZ
gründen und sich damit aktiv an der
Versorgung vor Ort beteiligen.
Neue Regeln für Bedarfsplanung
Die Bedarfsplanung soll angepasst
werden. Aufgabe des Gemeinsamen
Bundesausschusses ist es nun, bis En­
de des Jahres zu prüfen, wie für einzel­
ne Arztgruppen eine bessere Planung
umgesetzt werden kann (Paragraf 101
SGB V). Zugleich tritt die Soll­Rege­
lung für Praxissitz­Aufkäufe durch die
KV in überversorgten Regionen in
Kraft. Als Aufkaufregel gilt eine Ver­
sorgungsquote von über 140 Prozent.
Mehr Druck bei Delegationsziffern
Die Selbstverwaltung soll prüfen, in­
wieweit delegationsfähige Leistungen
angemessen über den EBM vergütet
werden können. Die entsprechenden
Ziffern für den Einsatz qualifizierter
Gesundheitsberufe sollen dabei schon
bis zum 23. Januar 2016 stehen (Para­
graf 87, Absatz 2a).
Honorar soll Kosten abbilden
Betriebswirtschaftliche Komponenten
sollen bei der Anpassung des EBM
besser berücksichtigt werden. So sol­
len bei der regelmäßigen Leistungsbe­
wertung „in bestimmten Zeiten zu ak­
tualisierende“ Daten – und eben nicht
Altdaten zur Preis­und Kostenent­
wicklung – verwendet werden (Para­
graf 87 SGB V).
Die Grenzen im Innovationsfonds
Der Fonds soll ab 2016 vier Jahre lang
mit jeweils 300 Millionen Euro aus
Mitteln der Krankenkassen und der
Liquiditätsreserve des Gesundheits­
fonds gespeist werden. 225 Millionen
Euro davon sollen gezielt in Projekte
fließen, die die Sektorengrenzen über­
winden helfen könnten und die das
Potenzial haben, die Regelversorgung
zu verbessern. Mit 75 Millionen Euro
soll Versorgungsforschung gefördert
werden, die „auf einen Erkenntnisge­
winn zur Verbesserung der bestehen­
den Versorgung“ in der Krankenversi­
cherung ausgerichtet ist, heißt es im
Gesetz. Das Problem: Gibt der Fond
in einem Jahr diese Summen nicht
vollständig aus, müsste er das übrige
Geld wieder zurückgeben. Finanzmi­
nister Wolfgang Schäubles Beamte ha­
ben sich hier durchgesetzt, obwohl die
Gesundheitsfachpolitiker vehement
dagegen argumentierten. Die Rege­
lung wird es vor allem für kleine Pro­
jekte schwierig gestalten, überhaupt in
die Förderung zu kommen, weil der
Innovationsausschuss so die Mittel
möglichst schnell und vollständig ver­
planen muss.
Gerechtere Plausiprüfung
In den jahrelangen Streit um die Un­
terschiede bei der Plausibilitätsprü­
fung zwischen niedergelassenen und
angestellten Ärzten könnte nun Ruhe
kommen. Denn nach dem VSG wer­
den angestellte Ärzte bei der Prüfung
jetzt tatsächlich genauso wie niederge­
lassene behandelt (Paragraf 106 SGB
V). Das heißt, ein in Vollzeit arbeiten­
der Arzt in Anstellung wird bei den
Zeitprofilen wie ein selbstständiger
Arzt mit voller Zulassung behandelt.
In der Vergangenheit wurden ange­
stellte Ärzte mit mehr als 40 Wochen­
stunden bereits auffällig, für niederge­
lassene galt hingegen die Grenze von
60 Stunden.
Förderung von Praxisnetzen
Für von der KV anerkannte Praxisnet­
ze müssen künftig gesonderte Vergü­
tungsregelungen vorgesehen werden.
Damit will die Regierung die Förde­
rung von Kooperationen vorantreiben.
Dabei können für die Netze eigene
Honorarvolumen innerhalb der morbi­
ditätsbedingten Gesamtvergütung ge­
bildet werden (Paragraf 87 b, Absatz
2).
Strukturfonds leichter anzapfbar
Die KVen können zur Sicherstellung
der Versorgung nun schneller auf Mit­
tel des Strukturfonds nach Paragraf
105 SGB V zurückgreifen. Denn des­
sen Bildung ist mit dem Versorgungs­
gesetz unabhängig von Beschlüssen
des Landesausschusses zur Feststel­
lung einer bestehenden oder drohen­
den Unterversorgung möglich. Zwar
müssen sich die KVen bei der Mittel­
verwendung mit den Kassen abstim­
men, aber insgesamt haben sie so
mehr Spielraum.
Schnelle Termine
Die KVen müssen bis zum 23. Januar
2016 Terminservicestellen eingerichtet
haben. Diese sollen Versicherten mit
einer Überweisung dann innerhalb von
vier Wochen einen Termin bei einem
Facharzt vermitteln. Dabei muss die
Entfernung zwischen dem Wohnort
des Versicherten und der Praxis zu­
mutbar sein, heißt es im entsprechen­
den Paragrafen 75 SGB V.
Mehr Sicherheit für Assistenten
Bislang durften Weiterbildungsassis­
tenten, die nach Abschluss der Weiter­
bildung gerne in der Praxis bleiben
wollten, erst dann weiter beschäftigt
werden, wenn der Zulassungsaus­
schuss den Antrag zur Teilnahme an
der vertragsärztlichen Versorgung ent­
schieden hatte. Damit konnten die
jungen Kollegen den Praxen in der
Zwischenzeit verloren gehen, weil sie
zu lange auf den Bescheid der Zulas­
sungsstelle warten mussten. Mit dem
VSG können die Weiterbildungsassis­
tenten nun für die gesamte Wartezeit –
also bis die Entscheidung des Zulas­
sungsausschusses steht – in der Praxis
weiterarbeiten (Paragraf 32 Abs. 2 Zu­
lassungsverordnung).
Vertretung auch für Angestellte
Erleichterungen gibt es für Ärzte auch
in Sachen Vertretungsregelung. So
dürfen Praxisinhaber nun für bis zu
sechs Monate eine Vertretung für ei­
nen angestellten Arzt beschäftigen.
Das gilt auch, wenn der angestellte
Arzt freigestellt ist oder das Anstel­
lungsverhältnis durch Tod, Kündigung
oder andere Gründe beendet ist. Das
verschafft Praxisinhabern Zeit bei der
Nachbesetzung einer Stelle. Dazu
wurde ebenfalls die Zulassungsverord­
nung (Paragraf 32b, Absatz 6) ange­
passt.
Förderung der Weiterbildung
Hier wurde der Gesetzentwurf noch
einmal nachgebessert: Neben der All­
gemeinmedizin muss nun auch im
Facharztbereich eine Förderung der
Weiterbildung erfolgen. Während bun­
desweit mindestens 7500 Stellen in
der Allgemeinmedizin gefördert wer­
den müssen, sind es im Bereich der
grundversorgenden Fachärzte jedoch
nur 1000 (Paragraf 75a SGB V).
Regressprüfung angepasst
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung orien­
tiert sich nicht mehr an bundesweiten
Vorgaben. Stattdessen sind die Lan­
desverbände der Kassen und die KVen
aufgerufen, bis Ende Juli 2016 regio­
nale Vereinbarungen zu treffen. Diese
sollen dann für Verordnungen ab Janu­
ar 2017 gelten.
Zweitmeinung gefragt
Vor „mengenanfälligen planbaren Ein­
griffen“ – so die Definition des Bun­
desgesundheitsministeriums – erhalten
Versicherte einen Anspruch auf eine
ärztliche Zweitmeinung (Paragraf 27b
SGB V). Welche Eingriffe dies genau
sind, legt der Gemeinsame Bundes­
ausschuss (GBA) fest. Der GBA soll
auch die indikationsspezifischen An­
forderungen, die die Zweitmeinung er­
füllen muss, vorgeben. Dabei soll
ebenso eine telemedizinische Erbrin­
gung der Zweitmeinung möglich sein.
Versorgungsgesetz: Was sich
für Vertragsärzte ändert
Seit dem 23. Juli ist das
Versorgungsstärkungsgesetz
– kurz VSG – in Kraft.
Doch damit entfalten längst
nicht nur die umstrittenen,
schärferen Regeln bei
der Bedarfsplanung ihre
Wirkung. Das Gesetz bietet
neben einigen Stolper­
steinen für Ärzte auch neue
Chancen. Die wichtigsten
Änderungen im Überblick.
Von Rebekka Höhl
Vor allem Kooperationen soll das VSG gute Aussichten bieten. Ob es dies auch hält?
© [M] TIL | ÄRZTIN: ANDREAS HAERTLE / FOTOLIA.COM | FERNGLAS: BILLIONPHOTOS / FOTOLIA.COM
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Gesetze und Verordnungen
be­
glückt das Versorgungsstärkungsge­
setz (VSG) mit Änderungen. Wobei
sich die meisten Änderungen im
SGB V finden. Betroffen sind aber
auch die Zulassungsverordnung für
Ärzte, das Krankenhausentgeltge­
setz, die Risikostruktur­Ausgleichs­
verordnung und das Entgeltfortzah­
lungsgesetz.
4
September 2015
BDI aktuell
Berufspolitik
Das Prinzip Selbstverwaltung ist ein
wesentliches Element des deutschen
Gesundheitswesens. Es soll garantie­
ren, dass medizinische Versorgung
und Finanzierbarkeit in unserer Ge­
sellschaft aufeinander abgestimmt
werden, in dem man den an den Ver­
sorgungen beteiligten Ärzten, Kran­
kenhäusern und Krankenkassen ein
Mitspracherecht in der Ordnungspo­
litik und deren Umsetzung einräumt.
Betrachtet man heute den Zustand
der an der Selbstverwaltung beteilig­
ten Körperschaften und Institutio­
nen, so gerät man schon ins Grübeln.
Der Vertragsarzt staunt über die in­
ternen Diskussionen und die Um­
gangsformen in seiner Kassenärztli­
chen Bundesvereinigung. Er reibt
sich verwundert die Augen, wie sich
die eigenen Vertreter öffentlich ge­
genseitig fertig machen. Politische
Arbeit scheint bei dieser Selbstzer­
fleischung nicht mehr vorzukommen.
So etwas nennt man schlicht De­
montage der eigenen Körperschaft.
Auch andere Beteiligte bekle­
ckern sich nicht mit Ruhm. So stel­
len öffentlich die Kassen die gesetz­
lich fixierten Regelungen der Ho­
norargestaltung der Ärzte infrage,
in dem sie nicht abgestimmte Vor­
schläge außerhalb dieser Regulari­
en einbringen – natürlich um das
Honorar der Ärzte zu kürzen.
Ähnlich sieht es beim Gemeinsa­
men Bundesausschuss, inzwischen
die hohe Schule des Selbstverwal­
tungsprinzips, aus. Betrachtet man
seine letzten Beschlüsse, unter an­
derem zur stationären Einweisung
durch Vertragsärzte, könnte man
annehmen, dass die eigentliche Ver­
sorgung der Menschen mutwillig
durch Bürokratie behindert werden
soll. Ohne Zweifel, die Selbstver­
waltung steckt in einer Krise.
Übrigens: Die Politik ist daran
nicht unschuldig, hat sie doch den
Entscheidungsspielraum der Gremien
durch gesetzliche Überregulierung so
reduziert, dass die Versorgung der Pa­
tienten in Deutschland auf die Dauer
zu kurz kommen muss. Hauptsache
die Regularien und Vorschriften wer­
den alle eingehalten; und davon gibt
es wahrlich genug.
Selbstverwaltung
in der Krise?
DER CHEFREDAKTEUR MEINT
Schreiben Sie dem Autor unter:
berufspolitik@bdi­aktuell.de
Von Dr. Hans­Friedrich
Spies
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