BDI aktuell 9_2015 - page 8

Scheitert die GOÄ­Novelle am Wi­
derstand der SPD­geführten Län­
der? Entsprechende Befürchtungen
hegen zumindest der Spitzenver­
band Fachärzte Deutschlands (Spi­
Fa) sowie der Verband Privatärztli­
cher Verrechnungsstellen (PVS).
Die GOÄ­Reform scheine auf der
Prioritätenliste von Bundesgesund­
heitsminister Hermann Gröhe trotz
gegenteiliger Beteuerungen nicht ganz
oben zu stehen, so SpiFa und PVS.
Dabei sei eine GOÄ­Novelle drin­
gend geboten, weil die im Wesentli­
chen aus dem Jahr 1982 stammende
Gebührenordnung schon lange zu
Auslegungsschwierigkeiten zwischen
Kostenerstattern und Leistungser­
bringern führe. Der medizinische
Fortschritt werde nur mangelhaft in
der GOÄ berücksichtigt. Ärzteschaft
und Private Krankenversicherer seien
ihrer Verantwortung gerecht gewor­
den und hätten in den vergangenen
zwei Jahren erhebliche Vorarbeiten ge­
leistet. Dabei seien sie auf ihren Seiten
bis an die Grenze des Zumutbaren
gegangen, um das Ziel einer moder­
nen Gebührenordnung nicht zu ge­
fährden. Jetzt, wo der Entwurf fast
fertig auf dem Tisch liege, „darf sie
nicht an durchschaubaren ideologi­
schen Schachzügen zugunsten einer
Vereinheitlichung der Systeme schei­
tern“, heißt es.
(chb)
Fachärzte und
PVS befürchten
Verzögerungen
GOÄ­NOVELLE
Jüngst hat Angela Merkels Minister­
runde den Kabinettsentwurf zum Ge­
setz zur Bekämpfung von Korruption
im Gesundheitswesen – kurz Korrup­
tionsgesetz –beraten und beschlossen.
Der Kabinettsentwurf unterscheidet
sich zwar in einigen wesentlichen
Punkten vom Referentenentwurf von
Anfang Februar. Doch aus Sicht der
Ärzteschaft reicht das noch nicht.
Ein von der Allianz Deutscher Ärzte­
verbände beauftragtes juristisches Gut­
achten hatte gezeigt, wo die Knackpunk­
te liegen (wir berichteten in Ausgabe 7,
Seite 4). Einer der wichtigsten: die soge­
nannte Berufsrechtsalternative. Danach
sollen bereits Verstöße gegen Berufsaus­
übungspflichten mögliches korruptives
Verhalten begründen. Das heißt, dass
auch Verstöße gegen Berufsordnungen
der Ärztekammern strafbegründende
Wirkung haben können und die Ärzte­
kammern berechtigt sind Strafantrag zu
stellen. Dies ist nach Auffassung der bei­
den Gutachter, den Juristen Professor
Bernd Müssig und Rechtsanwalt Dr.
Daniel Neuhofer, aus verfassungsrechtli­
chen Gründen unzulässig.
KV darf nun auch Strafantrag stellen
Ebenfalls noch im Gesetz verankert ist,
dass gesetzliche und private Kranken­
versicherer das Recht übertragen be­
kommen, Strafanträge gegen ihre Mit­
glieder zu stellen. Neu ist zudem, dass
die KVen nunmehr selbiges Recht er­
halten. Die Gutachter werteten schon
das Strafantragsrecht der Versicherer als
äußerst kritisch. Denn dies begründe
ein sehr hohes Konfliktpotenzial. So
könne nicht ausgeschlossen werden,
dass sich Kostenträger zur „Lösung“
wirtschaftlicher Konfliktfragen straf­
rechtlicher Mittel bedienen und Straf­
anträge gegen Leistungserbringer stellen
– und sei es nur, um aus Sicht des Straf­
antragstellers begehrenswerte, aber an­
sonsten ihm verborgene Informationen
aus Ermittlungsakten zutage zu fördern,
hieß es.
Da wirkt die Nachbesserung in Sa­
chen Kooperation wie ein Tropfen auf
den heißen Stein: Der Gesetzgeber hat
nämlich lediglich die „gesundheitspo­
litisch grundsätzlich gewollte“ berufli­
che Zusammenarbeit von Ärzten in
die Begründung des Gesetzentwurfes
aufgenommen. Damit will er explizit
die Kritik aus der Ärzteschaft und von
Juristen, die nach der Veröffentlichung
des Referentenentwurfs laut geworden
war, würdigen.
Ausdrücklich nennt der Entwurf
nun die vor und nachstationäre Be­
handlung im Krankenhaus (Paragraf
115a SGB V), das ambulante Operie­
ren im Krankenhaus (115b SGB V),
die ambulante spezialfachärztliche
Versorgung (116b SGB V) und sekto­
renübergreifende Versorgungsformen
wie die integrierte Versorgung (140a
ff. SGB V). „Die Gewährung ange­
messener Entgelte für die in diesem
Rahmen erbrachten heilberuflichen
Leistungen und dementsprechend die
Verschaffung entsprechender Ver­
dienstmöglichkeiten sind zulässig“,
haben die Autoren des Kabinettsent­
wurfs formuliert.
Auch die bloße Teilnahme an einer
vergüteten Anwendungsbeobachtung
könne den Straftatbestand der Kor­
ruption nicht erfüllen, heißt es an an­
derer Stelle des Textes. Anwendungs­
beobachtungen seien forschungs­ und
gesundheitspolitisch wünschenswert,
sofern ihre Ergebnisse öffentlich zu­
gänglich gemacht würden. Als mögli­
che Vorteilsannahme werden dagegen
Einladungen zu Kongressen, die
Übernahme der Kosten von Fortbil­
dungsveranstaltungen oder das Ein­
räumen von Vermögens­ und Gewinn­
beteiligungen genannt.
Transparenzkodex bereits etabliert
Seit Beginn dieses Jahres schon han­
deln die Unternehmen des Verbands
forschender Pharmahersteller (vfa)
europaweit nach einem Transparenz­
kodex. Systematisch erfassen die Un­
ternehmen ihre Kooperationen mit
Ärzten und anderen Beteiligten im
Gesundheitswesen und werden diese
bis Mitte nächsten Jahres auf ihren In­
ternetseiten veröffentlichen.
Mit dem Gesetz will die große Koali­
tion den Korruptionsparagrafen des
Strafgesetzbuches auf freiberufliche Ärz­
te ausweiten. Auslöser des Gesetzge­
bungsverfahrens war ein Urteil des Bun­
desgerichtshofes vom März 2012, mit
dem die Bundesrichter die Anwendbar­
keit der geltenden strafrechtlichen Kor­
ruptionstatbestände für niedergelassene
Vertragsärzte verneinten.
(af/reh)
Korruptionsgesetz erlaubt jetzt
gewollte Ärztekooperationen
Der Gesetzgeber hat den
Entwurf zum Korruptionsge­
setz noch einmal nachge­
bessert. Die Spielregeln für
gewollte Ärztekooperationen
werden nun immerhin be­
nannt. Nach wie vor können
jedoch Verstöße gegen
Berufsausübungspflichten
korruptives Verhalten be­
gründen.
Künftig sind auch niedergelassene Ärzte im Visier: Das Strafgesetzbuch wird entsprechend geändert.
© JENS BÜTTNER / DPA
Die bundesweite
Fallzahl wird sich
voraussichtlich im
niedrigen
dreistelligen
Bereich bewegen.
Aus dem Kabinettsentwurf
des
Gesetzes zur Bekämpfung von
Korruption im Gesundheitswesen.
Bezug ist das jährlich angenommene
Aufkommen von Verdachtsfällen.
8
September 2015
BDI aktuell
Berufspolitik
Glaubt man dem neuesten Ärzteatlas
des Wissenschaftlichen Instituts (Wi­
dO) der AOK, dann hat Deutschland
Ärzte im Überfluss. Rein rechnerisch
soll die Bundesrepublik mit mehr als
2300 Hausärzten und nahezu 4200
Fachinternisten überversorgt sein.
Daran stimmt nur, dass wir etwas
mehr Ärzte zählen als in den Vorjah­
ren. Die WidO­Statistik fußt nämlich
auf der sogenannten Bedarfsplanung,
die nichts abbildet als den vor Jahren
einmal erhobenen Ist­Stand der ver­
tragsärztlichen Versorgung. „Eine sol­
che Bedarfsplanung ist ein Witz“, kri­
tisiert BDI­Präsident Dr. Wolfgang
Wesiack, „und zwar ein schlechter“.
Tatsächlich bestehen schon jetzt
erhebliche Lücken in der flächende­
ckenden vertragsärztlichen Versor­
gung. Die Bevölkerung wird älter,
aber auch die Ärzteschaft. Je älter die
Bevölkerung, desto höher die Nach­
frage nach ärztlichen Leistungen. Bis
zum Jahr 2020 werden voraussichtlich
23 Prozent der niedergelassenen Ärzte
ihre Praxen aufgeben. Eine ausrei­
chende Zahl von Nachfolgern steht
nicht zur Verfügung. Besonders drin­
gend gesucht werden Hausärzte. Oh­
ne die Fachärzte für Innere Medizin,
die im hausärztlichen Versorgungsbe­
reich niedergelassen sind, wäre diese
Versorgung noch schlechter.
Die Politik ist aufgefordert, auch
unter diesem Aspekt mehr für die
Ausbildung zu tun und die Anzahl
der Studienplätze für Humanmedi­
zin zu erhöhen, fordert der BDI.
„Solange sich daran nichts ändert,
sind Statistiken wie der Ärzteatlas
des WidO nichts als Augenwische­
rei“, sagt BDI­Chef Wesiack.
(eb)
Der WidO­Ärzteatlas im Internet:
tinyurl.com/nul8oov
Mehr Ärzte und
doch noch zu
wenige!
BEDARFSPLANUNG
Der unbeteiligte Vertragsarzt betrachtet
die derzeitige Personaldiskussion in der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) mit einigem Erstaunen. Die aus
der Institution selbst kommenden In­
formationen sind widersprüchlich.
Nachrichtenmagazine wie Focus und
Spiegel sind – so scheint es – noch am
besten informiert. Die Körperschaft
Kassenärztliche Vereinigung mit KBV
und Länder­KVen hat in unserem Ge­
sundheitswesen eine zentrale Bedeu­
tung. Ihr hat man immerhin den Sicher­
stellungsauftrag für die gesamte ambu­
lante Versorgung übertragen. Sie ver­
waltet Millionenbeträge an ärztlichem
Honorar und ist ein wichtiger Bestand­
teil übergeordneter ordnungspolitischer
Gremien, wie z.B. des GBA.
Man kann deshalb verlangen, dass in
einem so wichtigen Gremium, das ho­
heitliche Aufgaben wahrzunehmen hat,
die Regularien einer sachgerechten Ver­
waltung eingehalten werden. Insofern
sind alle Bemühungen, eventuelle Fehl­
entscheidungen aufzudecken, berech­
tigt. Dazu gibt es, wie in jeder Verwal­
tungseinheit, Ausschüsse und Gremien,
die dies zunächst übernehmen können.
Es besteht nach Außen der Eindruck,
dass diese internen Gremien von hoher
Stelle der KBV nicht einbezogen wur­
den, bevor man die Aufsichtsbehörde, in
diesem Fall das Bundesgesundheitsmi­
nisterium, informiert hat. Es besteht zu­
dem der Verdacht, dass gezielt sensible
personalpolitische Entscheidungen an
die Presse weitergereicht werden, um in
diesem Falle insbesondere den ehemali­
gen KBV­Vorsitzenden Dr. Andreas
Köhler, und neuerdings auch den Vorsit­
zenden der Vertreterversammlung,
Hans­Jochen Weidhaas, zu beschädigen.
Man sollte sich jedweder Wertung
enthalten, bevor die geäußerten Vor­
würfe nicht endgültig geklärt sind.
Solche Indiskretionen gegenüber der
Presse fördern eine Vorverurteilung
der Mandatsträger. Man kann nur an
die Vertreterversammlung appellieren,
wieder geordnet die Regularien einzu­
halten und sich mit den Vorwürfen
sachlich auseinanderzusetzen. Bei Per­
sonaldiskussionen dieser Art besteht
übrigens immer der Verdacht, dass
politische Auseinandersetzungen die
eigentliche Triebfeder sind. Manche
Vorstandsvorsitzende der Länder­
KVen scheinen die KBV für weitge­
hend überflüssig zu halten und möch­
ten wohl ihre Politik allein auf Län­
der­Ebene umsetzen. Dies dürfte aber
nicht so einfach sein: Im Sozialgesetz­
buch sind die Aufgaben der KBV fest
umrissen. Der Gesetzgeber wird die­
sen ordnungspolitischen Ansatz zwi­
schen Bund und Ländern bei der
Struktur einer Kassenärztlichen Verei­
nigung kaum ändern.
(HFS)
Geht es bei den derzeitigen
Personaldiskussionen in der
KBV tatsächlich nur darum,
Transparenz zu schaffen?
Verwirrung in der Selbstverwaltung
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