BA_001 - page 10

Patienten mit Leptin-Mangel wer-
den gewöhnlich durch einen Blut-
test identifiziert. Bei einem Kind,
das mit drei Jahren über 40 kg wog,
aber wurden normale, sogar hohe
Werte gemessen. Daraufhin wurde
das Leptin-Gen untersucht und ei-
ne Mutation festgestellt, berichtet
das Universitätsklinikum Ulm in ei-
ner Mitteilung.
Die Information des Botenstoffs
sei daher am Ziel nicht angekom-
men. Dem Körper wurde ein Hor-
monmangel vorgetäuscht, der mit
herkömmlichen Verfahren nicht
messbar war, da die Konzentratio-
nen im Blut normal erschienen.
Doch konnte das defekte Hormon
keine Reduktion der Nahrungsauf-
nahme erzielen, während das nor-
male, gesunde Hormon zu einer ra-
schen Gewichtsabnahme führt. Es
sei davon auszugehen, dass dies
kein Einzelfall ist. Die Wissen-
schaftler hätten bereits weitere Pati-
enten mit dieser Diagnose identifi-
ziert.
Nach Vorliegen der experimen-
tellen Ergebnisse wurde das Kind
mit biotechnologisch hergestelltem
Leptin behandelt. Das Medikament
(Metreleptin) war bislang für diese
Indikation nicht zugelassen, doch
die Ethikkommission des Universi-
tätsklinikums Ulm gab grünes Licht
für die Behandlung. Bereits nach
wenigen Tagen war eine eindeutige
Wirkung zu erkennen. Die ausge-
prägte Nahrungssuche und der
übermäßige Appetit verschwanden
vollständig. Im Verlauf der nächsten
Wochen nahm der Patient deutlich
an Gewicht ab, und sein Stoffwech-
sel gesundete zusehends (NEJM
2015; 372: 48-54). Den Eltern war
von Verwandten und Freunden vor-
geworfen worden, das Kind zu
überfüttern.
(eb)
Neue Form
der Adipositas
identifiziert
Bei einem extrem überge-
wichtigen Kind wurde
biologisch inaktives Sätti-
gungshormon entdeckt.
MUTATION IM LEPTIN-GEN
Vorhofflimmern geht bekannterweise
mit einem erhöhten Risiko für ischä-
mische Schlaganfälle und systemische
Embolien einher. Bei der Risikoab-
schätzung wird bislang aber nicht da-
nach differenziert, ob es sich um paro-
xysmales, persistierendes oder perma-
nentes Vorhofflimmern handelt.
In Studien sind zahlreiche Prädikto-
ren für ein erhöhtes Schlaganfallrisiko
bei Vorhofflimmern identifiziert wor-
den, darunter höheres Lebensalter,
Herzinsuffizienz, Diabetes und nicht
zuletzt zerebrovaskuläre Ereignisse in
der Vorgeschichte. Basierend auf die-
sen klinischen Parametern wurden Ri-
sikoscores wie CHA
2
DS
2
-VASc entwi-
ckelt, die dazu dienen, über die Ab-
schätzung des Schlaganfallrisikos eine
begründete Therapieentscheidung be-
züglich Antikoagulation treffen zu
können. Die Klassifizierung von Vor-
hofflimmern nach der Dauer seines
Auftretens blieb dabei bisher unbe-
rücksichtigt.
Intuition spricht für Unterschiede
Intuitiv liegt aber die Vermutung nahe,
dass nicht jede Form von Vorhofflim-
mern mit dem gleichen Risiko für ei-
nen Schlaganfall einhergeht. Wenn es
stimmt, dass durch Vorhofflimmern
bedingte Stase im linken Vorhof und
Vorhofohr der entscheidende Mecha-
nismus für die Entstehung von kardia-
len Thromben ist, dann ist zu erwar-
ten, dass von länger anhaltenden Ar-
rhythmie-Episoden (persistierend/per-
manent) eine größere Gefahr ausgeht
als von kurzen und nur sporadisch auf-
tretenden Episoden (paroxysmal).
Zudem wird davon ausgegangen,
dass sich in den Attributen paroxys-
mal, persistierend und permanent eine
chronische Progredienz der Erkran-
kung Vorhofflimmern widerspiegelt.
Diese Progredienz wird durch eine
Zunahme von Begleiterkrankungen
und Risikofaktoren und damit einge-
henden strukturellen Veränderungen
begünstigt. Parallel dazu sollte dem-
nach eigentlich auch das Schlaganfall-
risiko zunehmen.
Keine eindeutigen Studiendaten
In den bisherigen Studien kommt das
allerdings so nicht eindeutig zu Aus-
druck. In einigen wurde ein unter-
schiedlich hohes Risiko je nach Klassi-
fikation von Vorhofflimmern beobach-
tet, in anderen nicht. Allerdings ist die
Aussagekraft vieler Studien aufgrund
methodischer Limitierungen begrenzt.
Eine kanadische Arbeitsgruppe um
den Arrhythmie-Experten Dr. Stuart J.
Connolly aus Hamilton hat sich in
jüngster Zeit intensiver mit dem The-
ma befasst. Ihre Forschungsergebnisse
sprechen dafür, dass zwischen paro-
xysmalem und nicht-paroxysmalem
Vorhofflimmern ein deutlicher Unter-
schied hinsichtlich des Schlaganfallri-
sikos besteht.
Connolly und seine Kollegen haben
sich in einer Studie (Eur Heart J 2014,
online 3. September) zunächst Daten
von 6563 Patienten mit Vorhofflim-
mern aus den beiden Studien
ACTIVE-A und AVERROES vorge-
nommen. Diese Patienten waren nur
mit ASS, nicht aber mit Antikoagulan-
zien behandelt worden.
Je nachdem, wie bei ihnen das Vor-
hofflimmern klassifiziert worden war,
betrug die Rate ischämischer Schlag-
anfälle 2,1 Prozent (paroxysmal), 3,0
Prozent (persistierend) und 4,2 Pro-
zent (permanent) pro Jahr. Nach Ad-
justierung für Unterschiede zwischen
den Gruppen ergab sich bei perma-
nentem Vorhofflimmern ein um 83
Prozent höheres und bei persistieren-
dem Vorhofflimmern ein um 44 Pro-
zent höheres Risiko — jeweils in Rela-
tion zum paroxysmalen Arrhythmie-
Muster. Neben Faktoren wie höheres
Alter erwies sich auch die Klassifizie-
rung des Vorhofflimmerns als starker
unabhängiger Risikoprädiktor.
Metaanalyse von 18 Studien
Die Forscher gingen dann einen
Schritt weiter, nämlich in Richtung
Metaanalyse. Dafür haben sie aus der
Literatur 18 geeignet erscheinende
Studien gewählt, an denen insgesamt
134 847 Patienten mit Vorhofflim-
mern beteiligt waren. Danach hatten
Patienten mit paroxysmalem Vorhof-
flimmern ein relativ um 25 bis 30 Pro-
zent niedrigeres Schlaganfallrisiko als
Patienten mit permanentem Vorhof-
flimmern — unabhängig davon, ob sie
eine Prophylaxe mit oralen Antikoagu-
lanzien erhalten hatten oder nicht.
Die Frage, ob permanentes Vorhof-
flimmern per se das Risiko erhöht oder
nur ein Surrogatmarker dafür ist, dass
davon betroffene Patienten generell
ein ungünstigeres kardiovaskuläres Ri-
sikoprofil aufweisen, kann die Meta-
analyse aufgrund ihres retrospektiven
Charakters jedoch nicht beantworten.
Die Autoren werten deren Ergebnis
zumindest als starkes Signal dafür,
dass paroxysmales Vorhofflimmern ein
niedrigeres Risiko birgt.
Was folgt für die Praxis?
Wenn paroxysmales Vorhofflimmern
weniger riskant ist — kann diese Er-
kenntnis als zusätzliches Kriterium da-
zu beitragen, die Risikostratifizierung
zu verbessern und so die Entschei-
dung, welcher Patient eine orale Anti-
koagulation erhalten soll und welcher
nicht, künftig zu erleichtern?
Wenn überhaupt, dann wohl nur in
sehr geringem Maße, nämlich allen-
falls bei Patienten, bei denen gemäß
CHA
2
DS
2
-VASc-Score ein niedriges
Schlaganfallrisiko besteht.
Bei einem CHA
2
DS
2
-VASc-Score
von 2 oder höher empfehlen die euro-
päischen ESC-Leitlinien eine Antiko-
agulation (Klasse-I-Empfehlung). Da-
ran dürfte auch die Berücksichtigung
der spezifischen Klassifizierung von
Vorhofflimmern nichts ändern. Bei
niedrigem Risiko (CHA
2
DS
2
-VASc-
Score: 1) lautet die weniger nach-
drückliche Empfehlung, eine orale An-
tikoagulation „in Betracht“ zu ziehen
(Klasse-IIa-Empfehlung). Allenfalls in
dieser Situation wäre darüber zu dis-
kutieren, ob bei paroxysmalem Vor-
hofflimmern wegen des niedrigeren
Risikos eher ein Verzicht auf Antiko-
agulation erwogen werden sollte.
Dabei ist aber zu bedenken, dass
die am zeitlichen Auftreten orientierte
Einteilung von Vorhofflimmern relativ
unpräzise ist. Das hat eine Arbeits-
gruppe aus Lübeck herausgefunden (J
Am Coll Cardiol. 2014; 63 (25):
2840- 2848). In ihrer Studie wurde
der Herzrhythmus bei allen Teilneh-
mern mithilfe kardialer Implantate
über Monate kontinuierlich dokumen-
tiert. Anhand der so objektivierten
Dauer der Arrhythmie-Episoden wur-
de die Korrektheit der Klassifizierung
von Vorhofflimmern überprüft. Ergeb-
nis: In der klinischen Klassifizierung
spiegelte sich die tatsächliche Dauer
der detektierten Arrhythmie-Episoden
nur sehr ungenau wider.
Paroxysmal, persistierend,
permanent – das Eintei-
lungsschema für Vorhof-
flimmern wird zur Differen-
zierung des damit assoziier-
ten Schlaganfallrisikos
nicht herangezogen. Je
nach Klassifizierung
scheint aber die Gefahr
durch Schlaganfälle neuen
Studien zufolge unter-
schiedlich zu sein.
Nicht jedes Vorhofflimmern
birgt das gleiche Risiko
Von Peter Overbeck
Schon die Pulsmessung an der A. radialis kann Hinweise auf ein bestehendes Vorhofflimmern liefern.
© F.SCHMIDT / FOTOLIA.COM
Die Einteilung von
Vorhofflimmern
Die Leitlinien teilen Vorhofflimmern
nach seiner Dauer folgendermaßen
ein:
Paroxysmal
ist binnen 48
Stunden bis sieben Tagen
spontan terminierendes Vorhof-
flimmern.
Als persistierend
wird länger
als sieben Tage anhaltendes Vor-
hofflimmern klassifiziert, das in
den Sinusrhythmus überführt
werden kann und Rhythmus
erhaltend behandelt werden soll.
Permanentes
Vorhofflimmern ist
gleichbedeutend mit der einver-
nehmlichen Entscheidung, dass
auf Rhythmus erhaltende Maß-
nahmen verzichtet werden soll.
10
BDI aktuell
März 2015
In jeder achten Computertomogra-
fie, die bei Verdacht auf eine Nie-
renkolik gemacht wird, finden sich
bedeutsame Zufallsbefunde. Das
melden Notfallmediziner und Ra-
diologen um Mohammad Samim
von der Yale University School of
Medicine in New Haven / Connec-
ticut nach Auswertung von knapp
5400 nativen Computertomogra-
fien (J Am Coll Radiol 2015; 12:
63-69). Zufallsbefunde im definier-
ten Sinn waren in 12,7 Prozent aller
Computertomogramme zu finden.
Am häufigsten betroffen waren die
Nieren (3,1 Prozent), das weibliche
Becken (3,0 Prozent) und die Lun-
gen (2,0 Prozent). Die Prävalenz
inzidenteller Befunde bei über 80-
Jährigen war viermal so hoch wie
bei den 18- bis 30-Jährigen.
(rb)
Zufallsbefunde
im Nativ-CT
sind häufig
DIAGNOSTIK
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...24
Powered by FlippingBook