Es droht der Kollaps des
Gesundheitssystems.
BOSNIEN-HERZEGOWINAS ÄRZTEKAMMER-PRÄSIDENT HARUN DRLJEVIC
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GOÄ-Novelle: Werden Steigerungs-
faktoren bald nur noch in
Ausnahmefällen möglich sein?
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BERUFSPOLITIK
ESC-Empfehlungen: Bei intermediä-
rem Risiko für Lungenembolie ist
Lyse nicht unbedingt nötig.
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MEDIZIN
MITGLIEDERZEITUNG BERUFSVERBAND DEUTSCHER INTERNISTEN BDI E.V.
PVST 58132 NR. 3, MÄRZ 2015
DIE INHALTE VON BDI AKTUELL FINDEN SIE AUF
Die Allianz der Ärzteverbände, der
auch der BDI angehört, hat sich mit
dem jüngsten Referentenentwurf der
Bundesregierung auseinandergesetzt,
dem sogenannten Anti-Korruptions-
gesetz für das Gesundheitswesen.
Die Ärzte haben einen neuen An-
sprechpartner. Neben dem Gesund-
heitsministerium dürfen sie sich auch
mit dem Justizministerium auseinan-
dersetzen. Zur Klarstellung: die Ver-
bände sind gegen jede Korruption im
Gesundheitswesen und begrüßen alle
Maßnahmen, die dies verhindern sol-
len. Sie begrüßen gesetzliche Rege-
lungen, vor allem wenn sie auch für
die Ärzte und ihre Partner im Ge-
sundheitswesen durch klare Formu-
lierungen Rechtssicherheit schaffen.
Auslöser ist ein BGH-Urteil
Dennoch ist es sinnvoll, sich mit der
Intention des Gesetzesentwurfes und
seiner Historie auseinander zu setzen -
vor allem deshalb, weil mancher die-
sen Gesetzesentwurf als „Ärztegesetz“
versteht und es im Unklaren bleibt,
warum nicht ähnliches mit anderen
freien Berufen, wie zum Beispiel
Rechtsanwälten, Steuerberatern und
Wirtschaftsprüfern
unternommen
wird. Die Korruption ist kein isoliertes
Problem der Gesundheitsversorgung.
Wie im Referentenentwurf klarge-
stellt – der Auslöser dieser Gesetzge-
bung ist ein Urteil des Großen Senates
des Bundesgerichtshofes. Danach han-
deln niedergelassene, für die vertrags-
ärztliche Versorgung zugelassene Ärzte
bei Wahrnehmen der ihnen in diesem
Rahmen übertragenen Aufgaben weder
als Amtsträger noch als Beauftragte der
gesetzlichen Krankenkassen – so wört-
lich. Der BGH sieht im Vertragsarzt so-
mit keinen Angestellten der Kranken-
kassen, sondern einen freiberuflich und
selbstständig tätigen Arzt.
Auch Kassen dürfen Anzeige erstatten
Korruptionstatbestände des Strafge-
setzbuches, die sich an abhängig Be-
schäftigten, wie z.B. Angestellten und
Beamten orientieren, gelten nicht für
freie Berufe, also auch für die Ärzte
nicht. Die Bundesregierung und vor
allem die Krankenkassen halten dies
für eine Gesetzeslücke, die man drin-
gend schließen muss. Dazu dient das
Anti-Korruptionsgesetz im Gesund-
heitswesen. Dass damit der Grundge-
danke des freien und selbstständigen
Berufes, den der BGH bekräftigt hat,
konterkariert wird, stört den Gesetzge-
ber offensichtlich nicht.
Durch die Hintertür macht das Ge-
setz den Kassenarzt zu einem Pseudo-
angestellten der Krankenkassen. Um-
so mehr wird verständlich, dass man
den Referentenentwurf in einem
Punkt noch nachbessern will. Nicht
nur Betroffene der Betrügereien, son-
dern auch die Krankenkassen sollen
direkt Strafanzeige stellen dürfen.
An dieser Stelle lohnt es, grund-
sätzlich über die Rolle des Vertragsarz-
tes in Deutschland nachzudenken. Er
hat die Kosten seiner Praxis zu tragen
und darf investieren, damit seine Pati-
enten regelgerecht und gut versorgt
werden. Kurz: Er darf das volle wirt-
schaftliche Risiko seiner vertragsärztli-
chen Tätigkeit tragen. Mithilfe des
neuen Gesetzes wird er aber gleichzei-
tig als abhängig Beschäftigter einge-
stuft. Es werden also die Nachteile der
Selbstständigkeit mit denen eines An-
gestellten kombiniert und das alles
wird mit einer hoheitlichen Aufgabe
garniert – dem Sicherstellungsauftrag,
natürlich unter strikten Budgetvorga-
ben.
Volles Risiko, aber kein Schutz
Nochmals zur Klarstellung: Keiner
will Korruption unterstützen, aber hier
setzt der Gesetzgeber einen Weg fort,
der die Frage erlaubt, ob das alles
noch zusammenpasst und auf die
Dauer von den Betroffenen ordnungs-
politisch toleriert werden kann.
Wenn der Vertragsarzt das System
weiter akzeptieren soll, muss man zu-
mindest darauf drängen, dass Geset-
zesformulierungen gefunden werden,
die so eindeutig sind, dass die Inter-
pretationsspielräume von Staatsan-
waltschaft und Gerichten minimiert
werden. So etwas nennt man Rechtssi-
cherheit für die Betroffenen.
Man kann nur hoffen, dass dabei
die Vereinbarungen von Playern im
Gesundheitswesen besonders an den
Budgetgrenzen, z.B. zwischen der am-
bulanten und stationären Versorgung,
nicht unter die Räder kommen. Nur
um einige Beispiele zu nennen: Verträ-
ge von Konsiliarärzten mit Kliniken
über eine stationäre Versorgung, von
Kliniken mit Arzneimittel- oder Medi-
zinprodukteindustrie, ja sogar alle In-
tegrationsverträge, die gesetzlich er-
laubt sind, etwa nach Paragraf 140
SGB V. Die Krankenkassen brauchten
nur Strafanzeige zu stellen, um die
Verträge staatsanwaltschaftlich über-
prüfen zu lassen. Schon sitzt der
Staatsanwalt erst einmal mit am Tisch
– gleichgültig, ob er das Verfahren
nachher einstellt oder nicht.
Damit würde es den Kassen gelin-
gen, innovative Vereinbarungen in un-
serem Gesundheitswesen von Anfang
an in Misskredit zu bringen, sodass
keiner mehr wagen wird, solche Ver-
einbarungen auch nur anzudenken.
Damit ginge die letzte Flexibilität in
unserem überbürokratisierten und ver-
backenen Gesundheitswesen verloren.
Korruption im Gesund-
heitswesen darf es nicht
geben – keine Frage. Der
Gesetzentwurf, den die
Regierung nun zu ihrer
Bekämpfung vorgelegt hat,
konterkariert allerdings
den Grundgedanken des
freien Arztberufes.
Die Bundesregierung sagt der Korruption
im Gesundheitswesen den Kampf an
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Korruption – ein immer wieder aufflammendes Thema: Die Bezirksärztekammer verteilte in Stuttgart anlässlich der Messe
Medizin 2013 bereits vor zwei Jahren Buttons mit der Aufschrift: „Nicht korrupter Arzt“. (Archivbild)
© F. KAUFMANN / DPA
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Durch die Hinter-
tür macht das
Gesetz den
Kassenarzt zu
einem Pseudo-
angestellten der
Kassen.
Dr. Hans-Friedrich Spies
2. BDI-Vizepräsident
Vorhofflimmern (VHF) geht bekann-
terweise mit einem erhöhten Risiko
für Schlaganfälle und systemische
Embolien einher. Bei der Risikoab-
schätzung wird bislang aber nicht da-
nach differenziert, ob es sich um par-
oxysmales, persistierendes oder per-
manentes VHF handelt. Je nach
Klassifizierung scheint jedoch die
Gefahr durch Schlaganfälle neuen
Studien zufolge unterschiedlich zu
sein.
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Risiko hängt von
VHF-Dauer ab
SCHLAGANFALL
Künftig müssen Vertragsärzte vor
einer Klinikeinweisung alle ambu-
lanten Behandlungsangebote als Al-
ternative in Erwägung ziehen. Was
sich wie selbstverständlich anhört,
hat nach Angaben der KBV durch-
aus Brisanz. Denn es bedeute, dass
Ärzte sich über sämtliche Angebote
informieren müssen – unabhängig
davon, ob sie diese überhaupt ken-
nen können. Das sei „im Praxisall-
tag nicht zu leisten“, so KBV-Vor-
stand Dipl.-Med. Regina Feldmann.
Die Regelung ist Teil der Kran-
kenhauseinweisungs-Richtlinie (KE-
RL), die der Gemeinsame Bundes-
ausschuss (GBA) überarbeitet und
noch Ende Januar beschlossen hat.
Hintergrund der Überarbeitung war
nach Angaben der KBV, dass man
die vielen neu entstandenen ambu-
lanten Angebote abbilden und sie
von der stationären Behandlung ab-
grenzen wollte. Doch mit seinem Be-
schluss hat der GBA nach Ansicht
der KBV übers Ziel hinausgeschos-
sen. Durch die Regelung entstehe
obendrein das Risiko, dass Vertrags-
ärzte sich im Rahmen einer Wirt-
schaftlichkeitsprüfung für Kranken-
hauseinweisungen rechtfertigen müs-
sen, heißt es. In Kraft tritt die Richtli-
nie übrigens mit ihrer Veröffentli-
chung im Bundesanzeiger.
(reh)
Die Neufassung der
Krankenhauseinweisungs-
Richtlinie könnte laut KBV
für Vertragsärzte böse
Folgen haben.
Mehr als ein Bürokratie-Streich
Der Bundesrat will beim
Versorgungsstärkungsgesetz mit-
reden. In einer 130 Seiten starken
Stellungnahme hat er seine Än-
derungswünsche
vorgebracht.
Dabei will er offenbar den Ver-
sorgungsauftrag novellieren. Statt
der bislang geltenden 20 Stunden
Sprechzeit pro Woche sollen Ärz-
te künftig mind. 75 Prozent der
durchschnittlichen Fallzahl der
Fachgruppe am Hauptsitz ab-
rechnen müssen.
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Ist bald Fall zählen
angesagt?
VERSORGUNGSAUFTRAG