Noch nicht praxistauglich und hin-
sichtlich der Vergütung nicht ausrei-
chend. Das ist das Fazit der KBV
zum Entwurf für ein Gesetz zur digi-
talen Kommunikation im Gesund-
heitswesen (E-Health-Gesetz).
So begrüßt die KBV die Einfüh-
rung eines digitalen Medikations-
plans, fordert dazu aber, wahrschein-
lich höhere Lizenzgebühren der Soft-
wareanbieter
vergütungstechnisch
auszugleichen. In den Medikations-
plan sollen nach Auffassung der
KBV zudem nur Arzneimittel aufge-
nommen werden, von denen der
Arzt Kenntnis hat und deren Doku-
mentation vom Patienten gewollt sei.
Kritisch sieht die KBV die Verpflich-
tung der Praxen, die Verordnungs-
software im Zwei-Wochen-Rhyth-
mus zu aktualisieren. Derzeit ge-
schieht dies quartalsweise. Die Fre-
quenzerhöhung bedeute zusätzlichen
Aufwand, der ebenfalls vergütet wer-
den müsse. Auch für das von den
Ärzten zu übernehmende Versicher-
tenstammdatenmanagement fordert
die KBV eine gesetzlich festgelegte
Vergütung von einem Euro je durch-
geführtem Online-Abgleich und Ak-
tualisierung in den Jahren 2016 und
2017 sowie ab 2018 eine Vereinba-
rung mit der GKV über einen Ver-
gütungszuschlag.
Beim Medikationsplan legt auch
die Bundesärztekammer (BÄK)
den Finger in die Wunde. Zum ei-
nen werde die Erstattung im Vagen
gelassen. Zum anderen gelte es,
über die Zielgruppen zu diskutie-
ren. So ist der Plan für Patienten
mit fünf oder mehr Arzneien vorge-
sehen – eine willkürliche Grenzzie-
hung, die sich nur schwer mit Da-
ten begründen lässt.
(HL/gvg)
KBV fordert
Korrekturen beim
E-Health-Gesetz
Vor allem beim digitalen
Medikationsplan
müsse es ergänzende
Vergütungsregeln geben.
VERNETZUNG
In der Februar-Ausgabe ist uns lei-
der ein Rechenfehler unterlaufen.
Im Bericht zu den neuen oralen
Therapien zur Behandlung der He-
patitis C (Seite 7) hatten wir be-
richtet, dass die Therapie aller
HCV-Patienten hierzulande selbst
im günstigsten Fall rund 2,6 Milli-
arden Euro verschlingen würde.
Richtig wäre, dass es sogar 26 Milli-
arden Euro wären, wenn für eine
Therapie von 12 Wochen im
Schnitt 60000 Euro angesetzt wer-
den. Und man davon ausgeht, dass
rund 430000 Menschen eine aktive
Virusreplikation haben. Damit ist
das Ausmaß auf das Versicherungs-
system weitaus größer, als zunächst
vermutet. Wir möchten uns für die-
sen Rechenfehler entschuldigen.
Inzwischen haben sich der GKV-
Spitzenverband und der Hersteller
Gilead auch auf einen Erstattungs-
preis für das HCV-Medikament So-
valdi® (Sofosbuvir) geeinigt: Dem-
zufolge soll die 12-wöchige Therapie
die Kassen brutto rund 43600 Euro
kostet. Bestandteil der auf drei Jahre
befristeten Vereinbarung ist eine
jährliche Preis-Abstaffelung.
(eb)
Therapiekosten
belaufen sich auf
26 Milliarden
HCV-THERAPIE
„Wir haben immer noch zu viele Me-
dienbrüche im Gesundheitswesen“,
sagt der Pneumologe Dr. Stefan
Heindl. Neben den Praxen, die bereits
die EDV ausgiebig nutzen, gebe es
nach wie vor viele Kollegen, die Arzt-
briefe per Fax oder Papier versenden,
so der stellv. Vorstandsvorsitzende des
Praxisnetzes München West und Um-
gebung. Damit landen Informationen
zur Diagnose in unterschiedlich
schnellem Tempo bei Mitbehandlern.
Einen Einblick in die Medikation er-
halten die Kollegen indes oft gar nicht.
Genau hier setzt das Vernetzungskon-
zept des Münchener Praxisnetzes an.
Von den 115 Mitgliedspraxen mit ih-
ren derzeit 243 Haus- und Fachärzten
sind immerhin 50 Praxen bereits di-
rekt elektronisch vernetzt, bis Jahres-
ende sollen es 70 Praxen sein. Dabei
werden die aktuelle Medikation, Diag-
nosen und die Epikrise automatisch
unter den Behandlern ausgetauscht.
Den elektronischen Medikations-
plan sieht zwar auch das E-Health-Ge-
setz als erste echte Mehrwertanwen-
dung der elektronischen Gesundheits-
karte (eGK) vor. Dies aber erst ab Ok-
tober 2016 – und zunächst auch nur in
Papierform und für Patienten, die
mindestens fünf Medikamente verord-
net bekommen.
Netz kommt ohne „Zentralserver“ aus
Im Münchener Praxisnetz laufen die
Fremd-Verordnungen und Diagnosen
indes direkt in die Arztsoftware bzw.
jeweilige Patientenakte ein. Dabei se-
hen die Ärzte in der Patientenakte,
welche Infos von außen eingespielt
werden. Jede Fremdmedikation und
jeder Fremdbefund ist mit einem „F“
markiert. Eine „Weltkugel“ hinter ei-
nem eigenen Eintrag zeigt dem Arzt
zudem, welche Daten automatisiert
ausgetauscht werden. Dr. Heindl de-
monstriert, wie sich alle Fremdbefun-
de mit wenigen Mausklicks in einen
eigenen Reiter legen oder nach einzel-
nen Behandlern selektieren lassen.
Beim Datenschutz hat sich das Netz
gleich doppelt abgesichert. Den einen
Zentralserver, auf dem alle Patientenin-
fos abgelegt werden, gibt es nicht.
Heindl: „Jede Praxis kommuniziert di-
rekt mit der anderen Praxis.“ Dabei
werden die Daten über eine gesicherte
Web-Verbindung – ein sogenanntes
Virtual Private Network – übertragen
und immer nur in der jeweiligen Praxis
vor Ort gespeichert. Damit ist ein groß
angelegter Datendiebstahl, der alle
Netzpatienten betrifft, kaum möglich.
Zwischengeschaltet sei lediglich ein
Key-Server, erklärt Netz-Geschäftsfüh-
rer Christian Brucks. Dieser liefere den
Schlüssel für den chiffrierten Daten-
transfer – denn alle Daten werden prin-
zipiell nur verschlüsselt übertragen.
Gleichzeitig bleibt die Datenhoheit
beim Patienten: Grundlage für die
Vernetzung ist zwar ein Selektivver-
trag mit der AOK Bayern, der als
Add-on-Vertrag mit speziellen Vorsor-
geleistungen läuft. Doch auch nicht
AOK-Patienten können zumindest an
der vernetzten Kommunikation der
Ärzte teilnehmen. In beiden Fällen
müssen die Patienten ihr Einverständ-
nis zum Datenaustausch geben. Die
entsprechenden Formulare sind in der
Praxissoftware hinterlegt.
Ampelsystem für schnellen Überblick
Interessant ist hierbei, dass im Status-
menü der jeweiligen Patientenakte dem
Arzt immer per Farbskala angezeigt
wird, ob der Patient schon an der Ver-
netzung teilnimmt oder nicht. „Gelb“
bedeutet etwa, dass der Patient sich be-
reits in einer anderen Praxis einge-
schrieben hat. Der Datenaustausch fin-
det aber nur dann statt, wenn sich der
Patient auch beim Arzt vor Ort noch
einmal einschreibt. Geschieht dies,
wechselt der Status auf „Grün“ und
der Arzt kann die Daten aus den ande-
ren Praxen erhalten. Damit entscheidet
der Patienten auch innerhalb des Ärz-
tenetzes frei, welcher Arzt die Infos an-
derer Mitbehandler sehen darf.
Welche Daten in den automati-
schen Transfer einfließen, bestimmt
dabei der Netzausschuss, so Heindl.
Die Ärzte können die Netzsoftware
aber noch an anderer Stelle für ihre
Belange anpassen. „Wir haben inner-
halb des Ärztenetzes derzeit sieben in-
terne Leitlinien“, berichtet Hausarzt
und Netz-Vorstandsvorsitzender Dr.
Bernd Matzner. Zwei dieser Behand-
lungspfade – zu COPD und Vorhof-
flimmern –, die sich an evidenzbasier-
ten Leitlinien orientieren, sind bereits
in die Software eingepflegt. „Damit ist
innerhalb von acht Minuten eine leitli-
niengerechte Behandlung und Doku-
mentation möglich“, sagt Heindl.
Das Problem der fehlenden Kompa-
tibilität, das derzeit auch erneut das
Projekt Gesundheitskarte ereilt (siehe
Kasten), konnten aber auch die Mün-
chener Ärzte nicht einfach lösen. Die
Ärzte haben sich daher nicht nur für ei-
ne zusätzliche Netzsoftware, nämlich
x.comdoxx des Software-Anbieters me-
datixx entschieden. Sie sind auch auf ei-
ne einheitliche Praxissoftware umgestie-
gen, damit die Daten unkompliziert di-
rekt in die Patientenakte einlaufen kön-
nen. Zwar bietet medatixx für die Netz-
software eine offene Schnittstelle, das
bedeutet jedoch, dass die anderen Pra-
xissoftware-Anbieter ihre Systeme an
comdoxx anbinden müssten. „Wir wis-
sen natürlich, dass man mit solchen Lö-
sungen ein Monopol schafft“, so
Heindl. Doch da in Sachen Interopera-
bilität noch immer eine klare Richtlinie
vonseiten der KBV fehle, bleibe dem
Netz kaum eine andere Möglichkeit.
110 EDV-Schulungen waren nötig
Dabei hat der Umstieg die Praxen – je
nach ihrer bisherigen technischen
Ausstattung und der Zahl der vorhan-
denen EDV-Arbeitsplätze – einmalig
zwischen 2000 und 20000 Euro ge-
kostet. Zusätzlich waren insgesamt
110 EDV-Schulungen vor Ort in den
Praxen nötig, wie Brucks berichtet.
Auch wenn es eine Insellösung ist,
die Netzärzte sind von ihrem Weg
überzeugt. Heindl: „Manchmal muss
man Versorgung auch regional se-
hen.“ In München und dem Umland
seien schnelle Facharzttermine etwa
kein Problem. „Ich habe eher Patien-
ten, die mich heute anrufen und –
wenn ich Ihnen sage, dass sie morgen
vorbeikommen können –, mir antwor-
ten das sei zu lang und ob ich nicht
heute noch einen Termin hätte.“
Für die Zukunft hat sich das Netz
daher weitere Projekte vorgenommen.
Ein wichtiges ist die Polypharmakothe-
rapie. Heindl: „Wir wollen im Netz ei-
ne Wirkstoffverordnung erreichen.“
Außerdem steht die EDV-Vernetzung
mit Kliniken an. Hier könnte nicht nur
der Notfalldatensatz ausgetauscht wer-
den. Über eine entsprechende Schnitt-
stelle könnte der Arzt in der Praxis so
künftig auch sehen, auf welcher Station
der Patient in der Klinik gerade ist.
E-Akte: Praxisnetz macht
schnellen Datenaustausch vor
Während das Großvernet-
zungsprojekt Gesundheits-
karte erneut ins Stocken
zu geraten droht, zeigt ein
Ärztenetz aus München, dass
es gar nicht so kompliziert
sein muss, die wichtigsten
Versorgungsdaten allen
beteiligten Behandlern
zeitnah zur Verfügung zu
stellen. – Und dies auch
noch datenschutzkonform.
Von Rebekka Höhl
Pneumologe Dr. Stefan Heindl erklärt einer Patientin, wie der Datenaustausch im Ärztenetz funktioniert und sich dadurch etwa
Doppeluntersuchungen vermeiden lassen.
© PRAXISNETZ MÜNCHEN WEST UND UMGEBUNG
6
März 2015
BDI aktuell
Berufspolitik
Die Vorbereitungen für die gro-
ßen Online-Tests der elektroni-
schen Gesundheitskarte (eGK)
im Echtbetrieb laufen auf Hoch-
touren. Dennoch soll der Aufbau
der zugehörigen Telematikinfra-
struktur (TI) - insbesondere die
elektronische Vernetzung der Be-
teiligten - nach Darstellung der
mit dem Projekt befassten Ex-
perten noch auf erhebliche tech-
nische Schwierigkeiten stoßen.
Die mit der Umsetzung beauf-
tragte Industrie habe die Kom-
plexität des Vorhabens völlig un-
terschätzt, so das übereinstim-
mende Fazit der Sachverständi-
gen am 28. Januar im Gesund-
heitsausschuss des Bundestages.
Bislang sollen ab November
zunächst rund 1000 Ärzte, Zahn-
ärzte und Psychotherapeuten so-
wie zehn Krankenhäuser in zwei
großen Regionen die ersten On-
line-Anwendungen testen. Ob
der Zeitplan gehalten werden
kann, ist nach Aussage der Ex-
perten jedoch von den Zuliefe-
rungen der Industrie abhängig.
Wie sich im Bundestag zeigte,
sollen vor allem die Abstimmung
der verschiedenen bestehenden
Systeme aufeinander (Kompati-
bilität) sowie die Anforderungen
des Bundesamtes für Sicherheit
in der Informationstechnik (BSI)
den Herstellern noch große Pro-
bleme bereiten. Dennoch gaben
sich die Sachverständigen zuver-
sichtlich, dass die Telematikinfra-
struktur in absehbarer Zeit in den
Testbetrieb gehen kann.
(reh)
TELEMATIKINFRASTRUKTUR
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