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Juli 2014
BDI aktuell
Panorama
TOMICEK’S WELT
Totale Panik
ZITIERT
Die Aussagen der
Kassen sind falsch.
Wahr ist, dass von ge-
zielten Falschabrech-
nungen der Kranken-
häuser keine Rede
sein kann. 70 Prozent
der Prüfungen des
MDK stellen infrage,
ob Patienten ins
Krankenhaus hätten
aufgenommen wer-
den sollen oder ob sie
früher hätten entlas-
sen werden können.
Georg Baum
Deutsche Krankenhausgesellschaft, zur
Meldung des GKV-Spitzenverbands, den
Krankenkassen entstünden durch fehler-
hafte Abrechnungen der Kliniken Schä-
den von 2,3 Milliarden Euro.
TEL AVIV.
Auch Bären bleiben nicht
von Rückenleiden verschont: Ein
Team von Tierärzten hat in Israel
einen Braunbären mit einem Band-
scheibenvorfall operiert. Es handele
sich um die weltweit erste Wirbel-
säulenoperation eines derart schwe-
ren Bären, sagte die Sprecherin des
Safari-Zoos bei Tel Aviv. Der 19
Jahre alte syrische Bär namens
Mango wiege rund 250 Kilo, sagte
Sagit Horowitz.
„In der letzten Zeit haben wir
bemerkt, dass es Mango nicht gut
geht und dass er komisch läuft“, so
Horowitz. Bei einer Untersuchung
unter Narkose sei dann der Band-
scheibenvorfall diagnostiziert wor-
den. 15 Mitarbeiter hätten das
schwere Tier auf den Operations-
tisch gehoben, erzählte die Spreche-
rin. „Es hat bei der Operation allein
fünf Stunden gebraucht, um den
Weg bis zur Wirbelsäule zu bah-
nen“, sagte sie. „Es mussten ganz
viele dicke Muskelschichten durch-
schnitten werden.“
(dpa)
„Mango“ wird
an Bandscheibe
operiert
AUCH DAS NOCH
Ihr Darm ist ihr „Schätzelchen“. Um
ihn zu verwöhnen, füttert ihn Giulia
Enders täglich mit gesunder und ver-
träglicher Kost. Wenn sie ihm doch
einmal Pommes oder Pizza zumutet,
entschuldigt sie sich und gelobt Besse-
rung. „Er hält zwar viel aus“, sagt die
24-jährige Medizinstudentin, „ist aber
nicht doof.“ Ihr Respekt wächst, je
mehr sie über ihn erfährt. „In letzter
Zeit habe ich fast schon ein kollegiales
Verhältnis zu ihm.“ Manchmal holt sie
sich bei ihm Rat. „Was hältst du ei-
gentlich von Probiotika?“, fragt sie ihn.
Oder: „Wie wirken deine Bakterien
auf meine Psyche?“
Nach Selbstversuchen das Studium
Giulia Enders ist ein Internetstar. Auf
YouTube wurde ihr ebenso heiterer
wie erhellender Vortrag „Darm mit
Charme“ bis heute sagenhafte 500000
Mal angeklickt. Neulich hat sie die
NDR-Talkshow „3 nach 9“ gerockt, in
der sie ein Plädoyer zur Ehrenrettung
des Pupses hielt – Moderator Giovan-
ni di Lorenzo schwärmte nachher, sie
habe sein Leben verändert. Jetzt wid-
met Giulia Enders ihrem Schätzelchen
ihr erstes Buch. Es trägt denselben Ti-
tel wie ihr Vortrag und verspricht „Al-
les über ein unterschätztes Organ“.
Giulia Enders ist neugierig. „Von
der Natur fürs Leben lernen“ will sie
und hat dazu bereits als Schülerin ih-
ren eigenen Körper erforscht.
Mönchspfeffer beispielsweise steigert
ihre Aggressivität, fand sie im Selbst-
versuch heraus, eine Überdosis Zink
ihren Geruchssinn. Später stellte sie
ihre Ernährung um. Indem sie auf
Weizen verzichtete, verbesserte sich
die Konsistenz ihres Stuhls.
„Zur Medizin hat mich meine Neu-
rodermitis gebracht“, erzählt die in
Mannheim geborene angehende Ärz-
tin. Die Texte, die sie als Schülerin
über ihre Krankheit studierte, hätten
sie derart fasziniert, dass sie immer
mehr erfahren wollte und immer mehr
las. Nach einem einjährigen Aufent-
halt in den USA und bestandenem
Abitur schrieb sie sich in Frankfurt am
Main für Medizin ein. Schon in den
ersten Semestern entwickelte sich ihre
Begeisterung für den Darm.
Dass „wir nur ganz wenig von ihm
wissen“, führt sie auf seinen anrüchi-
gen Ruf zurück. Der weit verbreiteten
Scham setzt sie nun ihren jugendli-
chen Charme entgegen – und das mit
großem Erfolg.
Zu ihrer zweiten Leidenschaft, dem
Schreiben, sei sie während der ersten
Semester selten gekommen, bedauert
Giulia Enders, die viele Multiple-
Choice-Fragen beantwortete, doch
nur wenige Texte schrieb. Eines Tages
habe ihr eine Freundin den Link zu ei-
ner Veranstaltung geschickt, bei der sie
ihre beiden Talente verknüpfen könne.
In Science-Slams treten Jungwissen-
schaftler gegeneinander an.
Vor einigen Hundert Zuhörern prä-
sentieren sie in populärwissenschaftli-
chen Kurzvorträgen neue Forschungs-
ergebnisse – auf möglichst verständli-
che und unterhaltsame Weise. Das Pu-
blikum entscheidet mit seinem Ap-
plaus darüber, wer den Wettstreit ge-
winnt.
Mit ihrer älteren Schwester Jill, die
ein Talent für lustige Zeichnungen hat,
entwickelte Giulia Enders einen zehn-
minütigen Power-Point-Vortrag über
jenes Organ, das sie seiner außeror-
dentlichen Größe und seines „Wahn-
sinnspotenzials“ wegen am meisten
fasziniert. „Darm mit Charme“ ge-
wann auf dem 6. Freiburger Science-
Slam im Januar 2012 den ersten Preis.
Rasant verbreitet sich das Video des
Vortrags seither im Netz, was sie, sagt
Enders, vor allem den Bloggern zu
verdanken habe, die bei ihrem zweiten
Science-Slam in Berlin im Publikum
saßen. Der Erfolg habe sie überrascht
und ein wenig auch geängstigt. „Weil
mir das Ganze plötzlich entglitt und
ich nichts mehr beeinflussen konnte.“
Als eine Literaturagentin auf sie zu-
kam und sie fragte, ob sie sich vorstel-
len könne, ein Buch über den Darm
zu schreiben, habe sie das als einmali-
ge Chance begriffen. Nicht um den
Menschen Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa zu erklären – dazu, gibt sich
Giulia Enders bescheiden, habe sie
noch lange nicht die nötige Kompe-
tenz. Vielmehr um bei den Menschen
eine Begeisterung für den Darm zu
wecken und aufzuzeigen, „wie edel der
menschliche Körper gebaut ist“.
Pups „leise raustwitschen“ lassen
Vergnügt schreibt die Jungautorin mit
ihrem Buch die Erfolgsgeschichte ihres
Vortrags fort. Beispielsweise über das
Zusammenspiel zwischen äußerem
und innerem Schließmuskel, deren
Sensorzellen den Darminhalt auf sei-
nen Aggregatszustand prüfen und bei
der Entscheidung helfen, ob man ei-
nen Pups „leise raustwitschen“ lässt
oder doch lieber dicht macht.
Derzeit forscht sie für ihre Disserta-
tion, wen wundert’s, über ein Bakteri-
um, speziell um Acinetobacter baum-
annii, das womöglich noch „ausge-
fuchster“ sei als MRSA. Gastroenter-
ologin will sie werden, irgendwann mit
eigener Praxis. Und sie hofft, dass man
in absehbarer Zeit den positiven Ein-
fluss spezieller probiotischer Bakterien
auf das Wohlbefinden des Menschen
erforscht haben wird. Ihr Schätzelchen
hat ihr den längst bestätigt.
Ein Schätzelchen, dieser Darm!
Von Pete Smith
Kann der Darm wirklich
Charme haben? Und wie –
besonders, wenn Medizin-
studentin Giulia Enders
über den Darm oder die
Schließmuskeln berichtet.
Bekannt wurde sie auf
Science-Slams, nun hat
sie über ihr Lieblingsorgan
ein Buch geschrieben.
Giulia Enders
Medizinstudentin
in Frankfurt,
forscht am Institut für Mikrobiolo-
gie und Krankenhaushygiene
Ihr Buch:
„Darm mit Charme.
Alles über ein unterschätztes
Organ.“ Ullstein Verlag. Berlin
2014. 288 Seiten. 16,99 Euro.
Medizinstudentin und Autorin Giulia Enders: Mit ihrem Buch „Darm mit Charme“
und den dazugehörigen Vorträgen macht sie derzeit Furore.
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