Bund und Länder wollen bis zum Jah-
resende Eckpunkte für eines der bri-
santesten gesundheitspolitischen The-
men der jetzigen Legislatur vorlegen,
nämlich die Krankenhausreform. Das
ist gut so. Schließlich ist eine Reform
der veralteten und zementierten Struk-
turen in diesem Sektor längst überfäl-
lig.
Bereits jetzt zeigt sich, dass die
Große Koalition um ihre Aufgabe
nicht zu beneiden ist. Denn leicht wird
die Umsetzung nicht, zu unterschied-
lich sind die Interessenlagen. Längst
haben die Deutsche Krankenhausge-
sellschaft und der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen ihre Positio-
nen abgesteckt. Am Ende könnte es in
dieser Gemengelage darauf hinaus lau-
fen, dass keine durchgreifenden struk-
turellen Reformen angegangen wer-
den, sondern nur hie und da mehr
Geld verteilt wird. Aus Sicht der Kas-
sen darf es jedoch keine Reform wer-
den, bei der die Krankenhäuser am
Ende einfach nur pauschal mehr Geld
erhalten.
Im Zentrum einer Reform muss die
konsequente Restrukturierung des
Krankenhaussektors stehen, ausgerich-
tet an den Themen „Qualität der Ver-
sorgung“, den Interessen von Patien-
ten und der Entwicklung der Medizin.
Mittel sollten ausschließlich zielgerich-
tet für bedarfsgerechte Strukturen flie-
ßen, die die vom Gemeinsamen Bun-
desausschuss vorgegebene Mindest-
strukturqualität für bestimmte Leis-
tungen vorhalten. Im Mittelpunkt
müssen dabei die Bedürfnisse der Pati-
enten stehen. Dazu gehört auch, dass
Leistungen aus stationären Einrich-
tungen, die die Qualitätsanforderun-
gen nicht erfüllen, in qualifizierte
Krankenhäuser verlagert werden. Nur
so kann langfristig die Qualität der
Versorgung wachsen.
Bereits während der Koalitionsver-
handlungen hatten SPD und Union
die Möglichkeit eines Investitionsfonds
diskutiert, dann die Idee aber verwor-
fen. Dieser Fonds ist in jedem Fall der
richtige Weg, um die Restrukturierung
einzuleiten und vorhandene Überka-
pazitäten abzubauen. Allerdings muss
sichergestellt werden, dass sich die
Bundesländer daran angemessen fi-
nanziell beteiligen.
Im internationalen Vergleich hat
Deutschland eine sehr hohe Kranken-
haus- und Bettendichte. Die Kliniken
konkurrieren nicht nur um Personal,
sondern auch um Betriebs- und Inves-
titionsmittel. Die Folge sind Überka-
pazitäten und Leistungsausweitungen.
Mehrleistungsabschläge sind zwar zu-
nächst ein wirksamer Ansatz gegen
sehr hohe Operationszahlen, die nicht
allein medizinisch begründbar sind.
Allerdings streiten sich die Protagonis-
ten über Ausmaß und Ursachen des
Problems. Mehr Klarheit bringt hof-
fentlich das durch die Selbstverwal-
tung initiierte Gutachten zur Mengen-
entwicklung. Darüber hinaus müssen
die Länder ihrer Pflicht zur Investiti-
onsfinanzierung wieder vollumfänglich
nachkommen. In den letzten zwei
Jahrzehnten ist der von den Bundes-
ländern finanzierte Anteil an den Aus-
gaben für die Krankenhäuser von rund
neun auf weniger als vier Prozent ge-
sunken. Ein kontinuierlicher Kosten-
anteil von acht bis zehn Prozent ist
aber notwendig.
Aus diesem Grund ist davon auszu-
gehen, dass die fehlenden Investitions-
mittel durch die Betriebsmittel quer-
subventioniert werden. Die von den
Kassen zur Verfügung gestellten Gel-
der sind allein für die Betriebsmittelfi-
nanzierung vorgesehen. Sollte diese Si-
tuation weiterhin bestehen bleiben,
müssen die Krankenkassen aufgrund
ihrer indirekten Beteiligung an der In-
vestitionsmittelfinanzierung deutlich
mehr Mitspracherechte in der Kran-
kenhausplanung erhalten.
Am 30. Juni verhandeln
Bund und Länder wieder
über die Klinikreform.
Ziel muss es sein, Über-
kapazitäten abzubauen und
die Qualität zu steigern.
Kliniken – neue Strukturen, statt nur mehr Geld verteilen
GASTKOMMENTAR
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Dr. Christoph Straub
Vorstandsvorsitzender
der Barmer GEK
© BARMER GEK
Die Auffassung des Autoren deckt sich nicht
unbedingt mit der Meinung der Redaktion oder
des Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V.
HINWEIS
Von Dr. Christoph Straub
Vor etwa 20 Jahren hat man die ambu-
lante Versorgung in den Onkologie-
praxen für so wichtig gehalten, dass
man zusätzliche Vergütungen zwi-
schen den Länder-KVen und den
Krankenkassen außerhalb des Einheit-
lichen Bewertungsmaßstabes (EBM)
vereinbart hat, um den besonderen
ärztlichen Aufwand bei der Versor-
gung schwerkranker Tumorpatienten
abzubilden. Diese Onkologievereinba-
rungen haben über 20 Jahre gehalten
und werden jetzt zur Disposition ge-
stellt.
Dies gilt für die Neuordnung des
EBM, wo für Sondervereinbarungen
kein Platz mehr zu sein scheint, ist
aber auch für die neue ambulante spe-
zialfachärztliche Versorgung (ASV)
von Bedeutung. Die Krankenkassen
scheinen nicht bereit, die Onkologie-
vereinbarungen bei der ASV-Vergü-
tung zu berücksichtigen, die der Er-
weiterte Bewertungsausschuss berät.
Nach Meinung der Onkologen ha-
ben die Zusatzhonorare eine solch
wirtschaftliche Bedeutung für die
Arztpraxen, dass man sich nicht vor-
stellen kann, dass Onkologen in der
ambulanten spezialfachärztlichen Ver-
sorgung mitmachen, wenn kein Ersatz
für die Onkologievereinbarung in der
Vergütung gefunden wird.
Aber es geht nicht nur um das prin-
zipielle Weiterbestehen der Onkologie-
vereinbarung innerhalb und außerhalb
der ASV. Der strukturelle Wandel bei
der onkologischen Therapie weg von
der Infusion, hin zu einer oralen oder
subkutanen Behandlung führt zu Ho-
norarverlusten, selbst wenn die Onko-
logievereinbarung in der jetzigen Form
erhalten bleibt.
Die Abrechnung ist nämlich neben
dem Vorhandensein aktiver hämatolo-
gischer oder solider Tumore vor allem
an eine intravenöse Chemotherapie
geknüpft. Genau in diesem letzten
Punkt haben sich die Therapieformen
gewandelt. Immer mehr Indikationen
zytostatischer Behandlungen lassen
sich oral oder durch subkutane Injekti-
onen abdecken, sodass die Pauschale
nicht mehr abrechenbar ist. Dies ist
nach Meinung der Onkologen nicht
sachgerecht. Denn die Führung des
Tumorkranken durch die orale Thera-
pie ist nicht minder aufwendig und bei
der ursprünglichen Onkologieverein-
barung ging es um den ärztlichen Auf-
wand, der nur an einer intravenösen
Therapie formal festgemacht wurde.
Die Onkologen befürchten, dass ihr
Honorar in Zukunft im Sumpf des Re-
gelleistungsvolumens stecken bleibt.
Es werden erhebliche Umsatzverluste
befürchtet, mit und ohne EBM-Re-
form oder mit und ohne Einführung
der ASV.
Für die Onkologen muss somit eine
neue Vergütungssystematik entwickelt
werden, die den hohen ärztlichen Auf-
wand bei der Versorgung von Tumor-
kranken auch ohne Bindung an die
Applikationsform von Zytostatika ab-
bildet.
Die erhöhte Morbidität solcher Pa-
tienten muss auch bei ihren behan-
delnden Ärzten über das Honorar an-
kommen, sowohl im EBM als auch bei
der ambulanten spezialfachärztlichen
Versorgung. Dabei sollte man prüfen,
ob bei diesen besonders schwer kran-
ken Patienten eine EBM-Systematik
überhaupt ausreichend ist oder ob
man sich nach einem ganz anderen
System, zum Beispiel diagnosebezoge-
nen Fallgruppen (Diagnosis-Related-
Groups), umsehen sollte.
Die Vergütung von Onkolo-
gen ist bisher vor allem an
die Applikationsform von
Zytostatika gebunden. Der
Aufwand neuer, oraler
Therapien spiegelt sich in
der Honorierung nicht.
Eine Vergütungsreform ist
dringend nötig.
Onkologie in Not: Mit neuen
Therapien sinken die Honorare
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Weg von Infusionen, hin zu oralen Behandlungen – das bedeutet für Onkologen Honorarverluste.
© MATHIAS ERNERT
Im Gesundheitswesen sind Anfang
2012 insgesamt 4,92 Millionen Per-
sonen berufstätig gewesen, so das
Statistische Bundesamt. Dies sind
rund 800000 Personen mehr als
noch zu Beginn des Jahrtausends,
was einem Anstieg um fast 20 Pro-
zent entspricht. Dabei wurden die
Beschäftigten im Primär- und Se-
kundärsektor des Gesundheitswe-
sens gezählt: einschließlich der Be-
schäftigten in der Pharmaindustrie,
Heil- und Hilfsmittelindustrie, Ge-
rätehersteller, Diagnostika-Indust-
rie, Laboratorien, Zahntechniker
und anderer Heilhilfsberufe.
Mit 7,79 Millionen Berufstätigen
arbeiten weit mehr als die Hälfte in
Gesundheitsdienstleistungsberufen.
Darunter sind die akademischen
Heilberufe Ärzte, Zahnärzte, Apo-
theker und psychologische Psycho-
therapeuten mit einer halben Milli-
on (508000) Berufstätigen.
Die mit 2,9 Millionen weitaus
größte Gruppe arbeitet als Kran-
kenpfleger und -schwester, medizi-
nische oder zahnmedizinische
Fachangestellte, Psychotherapeut
und Heilpraktiker. Eine halbe Milli-
on Beschäftigte hat ihren Arbeits-
platz in sozialen Berufen, so in der
Pflege und in den Sozialdiensten
(rund 470000). Darin einbezogen
sind auch Heilhilfsberufe und Heil-
pädagogen.
In Deutschland sind zurzeit
knapp zwölf Prozent aller Erwerbs-
tätigen im Gesundheitswesen be-
schäftigt. Nimmt man auch die ge-
sundheitsnahen Sektoren hinzu, et-
wa die Bereiche „Fitness und Well-
ness“, beträgt der Anteil rund 14
Prozent. Damit ist die „Gesund-
heitswirtschaft“ nach dem verarbei-
tenden Gewerbe der zweitgrößte
Beschäftigungssektor mit einem
weiter sich dynamisch entwickeln-
den Wachstumspotenzial.
(HC)
Fast fünf
Millionen
Beschäftigte
Fast zwölf Prozent der Er-
werbstätigen in Deutsch-
land sind im Gesund-
heitswesen beschäftigt.
GESUNDHEITSWIRTSCHAFT
Berufspolitik
BDI aktuell
Juli 2014
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