Eine Revolution kündigte Gesundheitsminister Lauterbach an. Was die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ Ende letzten Jahres als Empfehlung vorgelegt hat, umfasst in der Tat einige grundlegende Neuerungen, ob diese aber ausreichen, um das jetzt schon kollabierende Gesundheitssystem aufzufangen, bleibt fraglich.
Eine bundeseinheitliche Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen und Leistungsgruppen ist lange überfällig und scheint (aus medizinischer Sicht) konsensfähig – wobei auch hier abzuwarten bleibt, was die Länder zu diesen Vorschlägen zu sagen haben. Krankenhausplanung ist nun einmal Ländersache. Aus Bayern und NRW deutete sich schon Widerstand an. Auch im Hinblick auf die Vergütung beschreitet die Regierungskommission neue Wege: Das Fallpauschalensystem soll ergänzt werden um sogenannte Vorhaltekosten mit dem Ziel einer „Reduktion der mengenbezogenen Komponente zugunsten einer bedarfs-gerechten und qualitätsorientierten Vorhaltefinanzierung“. Hier stellt sich mir die Frage, warum der Mut fehlt, sich ganz von einer auf Fallzahlen basierenden Logik zu verabschieden. Jahrelang haben wir Medizin gemacht, die diese Fehlanreizen unhinterfragt bediente. Die Folge: Tausende nicht indizierte, jedoch lukrativ abzurechnende Fälle.
Medizin sollte weder verschwenderisch noch ineffizient sein. Aber dass man sie für diesen Zweck marktwirtschaftlich lenken muss, bleibt ein Irrglaube. Das immer wieder vorgebrachte Argument der Kommission, durch die Ergänzung der Fallpauschalen um Vorhaltung würde der Anreiz, mehr Fälle zu generieren, wegfallen, ist nicht nachvollziehbar. Er ist geringer, sicherlich. Aber er bleibt bestehen.
Darüber hinaus bleibt zu erwähnen, dass sich das sogenannte Vorhaltebudget – zumindest für die Konvergenzphase von fünf Jahren – ausschließlich an den zuvor generierten Fallzahlen eines Krankenhauses bemisst. Somit bleibt auch das Vorhaltebudget zunächst mengenabhängig. Nach der besagten Konvergenzphase basiert die Festlegung der Höhe des Vorhaltebudgets auf drei Faktoren: Bevölkerungsbezug, Fallmenge sowie Prozess- und Ergebnisqualität. Wie letzteres genau ermittelt werden soll, lässt die Kommission aktuell offen. Es gilt zudem abzuwarten, wie sich die Reformvorschläge ohne zusätzliche finanzielle Mittel in die Realität werden umsetzen lassen können. Die Kommission beharrt darauf, dass „genug Geld im System sei, dieses nur falsch verteilt wäre“.
Unterm Strich bleibt bei mir ein gewisses Unverständnis: Sowohl Prof. Karagiannidis als auch Prof. Bschor, beide federführend an der Erarbeitung der Reformvorschläge beteiligt, betonten bei der Pressekonferenz mit Lauterbach im Dezember, man wolle weg vom „Hamsterrad“, in dem sich viele Ärztinnen und Ärzte aufgrund der profitorientierten Fehlanreize des Fallpauschalensystems befinden. Wenn doch die dramatische Entwicklung unseres Gesundheitswesens mit für viele Ärztinnen und Ärzte nicht mehr tolerierbaren Arbeitsbedingungen und einer schlechteren Versorgung unserer Patienten von der Kommission erkannt wurde, warum wird dann die Dekonstruktion des „Hamsterrades“ nicht stärker in den Fokus der Reformvorschläge genommen?
Dr. Jana Reichardt,
Assistenzärztin Innere Medizin an der Charité in Berlin und BDI-Mitglied
erschienen in BDIaktuell 2/2023