Vieles hört sich sehr vernünftig an. Weniger DRG, mehr Vorhaltefinanzierung, Leistungsgruppen, die zur Steuerung beitragen können und gleichzeitig eine differenziertere Planung ermöglichen und verschiedene Krankenhauslevel. Kritische Stimmen sind deshalb, bezogen auf das Ausmaß der möglichen Reform, eher leise. Neben der Sorge vor noch mehr Bürokratie wird kritisiert, dass in der aktuellen finanziellen Lage es viele Krankenhäuser gar nicht bis zum Start der Reform schaffen werden und damit eine unstrukturierte Konsolidierung vorgeschaltet wird.
Was aber macht die Reform mit der Inneren Medizin? Durch Leistungsgruppen und die dafür vorgesehenen Strukturvoraussetzungen und Mindestmengen, werden die klassischen Schwerpunkte, die sich über klare Funktionen definieren, wie Kardiologie, Gastroenterologie und Nephrologie (Dialyse) gut abzubilden sein. Was jedoch nicht zu erwarten sein wird, ist eine Renaissance der allgemeinen Inneren Medizin.
Deutlich wird dies bei der Zuordnung von Allgemeiner Innerer und Geriatrie in das Leistungsgruppen-Level 1. Somit kann und sollen diese Überblicks- oder Querschnittsfächer in den Basisleveln vertreten sein, werden aber nicht auf höherer Ebene wertgeschätzt. Auch wenn Level 1 zugeordnete Leistungsgruppen auch in Level 3 Krankenhäusern vorhanden sein können, so wird dies für Querschnittsgebiete kaum stattfinden. Im Gegensatz zu extra benannten Querschnittsbereichen wie Radiologie, Virologie und Labormedizin wird diese Komplexitätsmedizin für multimorbide (oft ältere) Menschen sich nur schwer ab Level II aufwärts etablieren. Warum soll eine Klinikdirektion bei vielen internistischen Schwerpunkten noch zusätzlich einen allgemeinen Bereich etablieren, der mit allen anderen Schwerpunkten konkurriert und deren Haupt-DRG praktisch immer in einen der Schwerpunkte fällt?
Dabei ist gerade im Bereich von Notaufnahmen und nach fachspezifischer Intervention (OP, TAVI, Schlaganfall u.a.) bei Menschen mit mehr als einer relevanten Erkrankung ein guter Überblick wichtig. Beispielhaft war und ist dies auch in Alterstraumazentren zu sehen, wo immer mehr Kliniken in ihrer unfallchirurgischen Abteilungen Geriaterinnen und Geriater anstellen, um eine Frührehabilitation abzurechnen. Ebenso wird, im Falle von Kooperationen zwischen zwei Abteilungen, weiterhin gestritten werden, zu welchem Anteil die DRG wem zuzuordnen ist. Und nur über DRG kann ja weiterhin leistungsbasiert abgerechnet werden.
Wäre es nicht vernünftig, dass teamorientierte und breit allgemein-internistisch und geriatrisch aufgestellte Stationen zeitnah nach Op der Schenkelhalsfraktur, nach TAVI oder nach Schlaganfallversorgung übernehmen und etwa den noch entgleisten Diabetes einstellen, die Parkinsonbehandlung optimieren und die Schmerztherapie anpassen? Das alles während das prolongierte Delir durch eine aktivierend therapeutische Pflege mit Tagesstrukturierung und intensive Physio- und Ergotherapie, angeleitet im Team durch breit weitergebildete ärztliche Kolleginnen und Kollegen, abklingt. Selbstverständlich mit Unterstützung/ Konsil durch die anderen Fachgebiete, wenn zum Beispiel der Diabetes sich nicht routiniert in den Griff bekommen lässt.
Die Idee der Level 1i Kliniken stellt dennoch für zahlreiche geriatrische Fachkliniken und kleinere internistisch geprägte Häuser eine interessante Möglichkeit dar, die weiterhin dringend benötige sektorenübergreifende Versorgung zu stärken. Wenn allerdings vor allem dort allgemeine Innere und Geriatrie zu finden sein werden, werden eine Weiterentwicklung, eine relevante und breite Teilnahme an Forschung und Lehre, gute Weiterbildung und Innovationskraft leiden und die Fachgebiete weiter zurückfallen.
Prof. Dr. Michael Denkinger,
Chefarzt und ärztlicher Direktor an der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm, Mitglied im Vorstand des BDI
erschienen in BDIaktuell 2/2023