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Berufspolitik
Nr. 12 • Dezember 2013
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Die restriktiven Abrechnungsbestim-
mungen in Form von Regelleistungsvo-
lumina tragen sicher auch zur Unter-
versorgung bei – trotz ausreichender
Arztzahl. In Praxen wird mehr Urlaub
als nötig gemacht, um nicht in die
Abstaffelungsmaschinerie der Hono-
rarverteilung zu kommen. Bei tatsäch-
lich nachgewiesener rechnerischer
Unterversorgung löst sich durch die
Bedarfsplanung wenig – die Ärzte, die
zur Besetzung benötigt werden, fallen
nicht vom Himmel und fehlen weiter.
An diesem Manko wird übrigens jede
neue Planung scheitern müssen.
BDI: Internisten nicht in Schwer-
punkte aufsplittern
Der BDI hat von Anfang an darauf
gedrungen, dass die fachärztlichen
Internisten als Einheit beplant werden
und nicht in Schwerpunkte aufgesplit-
tet werden. Dies fördert die Flexibilität
in den Zulassungsausschüssen vor Ort.
So kann auch eine frei werdende
Rheumatologenpraxis verkauft und
besetzt werden, auch wenn kein Rheu-
matologe mehr zur Verfügung steht.
Die Zulassungsausschüsse müssen
aber mit dieser neu gewonnen Freiheit
im Einzelfall sachgerecht umgehen,
indem sie jede Einzelfallentscheidung
auch rechtssicher und nachvollziehbar
begründen.
Über die Landesausschüsse haben
Politik und Kommunen zusätzlich Ein-
fluss gewonnen. Dies dürfte dazu füh-
ren, dass Städte und Gemeinden mehr
Haus- und Fachärzte als in der
Bedarfsplanung vorgesehen anfordern
werden. Die Krankenkassen werden
dafür keine zusätzlichen Gelder zur
Verfügung stellen, die Zeche dürfte bei
dem vorgegebenen Budget für die
ambulante Versorgung der einzelne
Vertragsarzt zu zahlen haben. Die Trä-
ger der Zulassungsausschüsse müssen
deshalb versuchen, politischen Einfluss
zurückzudrängen. Das gilt im Übrigen
für die KV genauso wie für die Kran-
kenkassen.
Unter- und Überversorgung
Maßnahmen, um eine Unterversor-
gung zu beheben, werden zahlreich
vorgeschlagen – von Eigeneinrichtung
der KV über Starthilfen durch die Kör-
perschaft bis hin zur Aufhebung von
Abstaffelungsvorgaben bei der Hono-
rarverteilung. Knackpunkt bleibt die
Überversorgung. Der Gesetzgeber hat
hier vorgesehen, dass bei mehr als
110 % Versorgungsquote Praxissitze
nicht mehr ausgeschrieben werden
müssen. Die Sitze müssen aus dem
Honorartopf entschädigt werden –
zum Verkehrswert, der nur mit größ-
ter Mühe definierbar sein wird.
Dies alles entscheidet der Zulassungs-
ausschuss bei paritätischer Besetzung,
der Antrag ist bei Stimmengleichheit
abgelehnt. Die KV kann somit bei kon-
sequenter Abstimmung eine Stillle-
gung immer verhindern. Die Ärzte-
schaft und die Körperschaft der KV
wären natürlich froh, wenn die Über-
versorgung nicht zu zulassungsrechtli-
chen Konsequenzen führen würde.
Damit ist aber nicht zu rechnen. Die
Krankenkassen im Zulassungsaus-
schuss bestehen nach den ersten
Erfahrungen auf der Umsetzung des
entsprechenden Paragraphen und for-
dern Praxisschließungen. Bei den
beschriebenen Mehrheitsverhältnissen
haben sie sich aber bis jetzt noch nicht
durchsetzen können.
Inzwischen gibt es aber auch in den
einzelnen KVen Überlegungen, wie
man den Überversorgungsparagra-
phen dennoch umsetzen kann. Man
will von Überversorgungsgrenzen weit
über 110 % ausgehen und die zu
erwartende Entwicklung der Arztzah-
len in die Entscheidung einbeziehen,
indem man die Altersstruktur der
übrigen vor Ort praktizierenden Ärz-
tinnen und Ärzte des jeweiligen Fach-
gebietes oder Schwerpunktes berück-
sichtigt. Man rückt als auch in der KV
von einer apodiktischen Ablehnung
von Praxisschließungen ab. Setzt sich
diese Entwicklung fort, wird die Arzt-
zahl im ambulanten Bereich generell
abnehmen, da nicht damit zu rechnen
ist, dass der in der Stadt bei einer
Bewerbung gescheitere Arzt schnur-
stracks sich im unterversorgten Land
niederlassen wird. Er bleibt dann im
Krankenhaus. Dies hat unter Umstän-
den weitreichende Folgen. Kommt die
von der Politik bei den Koalitionsver-
handlungen ins Spiel gebrachte sektor-
übergreifende Bedarfsplanung unter
Einbeziehung der Krankenhäuser, wird
eine Ausdünnung von niedergelasse-
nen Ärzten gravierende Folgen haben.
Auch die Krankenkassen fordern eine
neue Bedarfsplanung. So äußert sich
Franz Knieps, neuer Chef des BKK-
Bundesverbandes, wie folgt:
„Bestimmte Themen bewegen alle
gesetzlichen Krankenversicherungen
in diesem Land, so beispielsweise die
längst überfällige Reform der Kranken-
hausplanung. Zentrale Ursache für die
Mengendynamik im Krankenhausbe-
reich sind Überkapazitäten. Um diese
sukzessive abbauen zu können, muss
für eine wirksame Krankenhausreform
endlich mit einer Rahmenplanung
begonnen werden, die auch den
ambulanten Bereich mit einbezieht.“
Die Versorgungsprobleme sind durch
die neue Bedarfsplanung alles andere
als gelöst und werden zu allem Über-
fluss auch nicht mit der Krankenhaus-
planung verknüpft Schon jetzt werden
die zahlreichen neuen Vorschriften die
Bürokratie steigern, die flexiblen Vor-
gaben stärken zudem nicht die Rechts-
und Planungssicherheit bei der Zulas-
sung. Die Zahl der Niederlassungswilli-
gen wird dadurch nicht gesteigert –
wahrscheinlich im Gegenteil. Es
besteht die Gefahr, dass die neue
Bedarfsplanung ihre Ziele nicht
erreicht und an ihren eigenen Vorga-
ben ersticken wird.
HFS
Versuch einer ersten Bilanz
Die neue Bedarfsplanung
(Fortsetzung von Seite 1)
Die freien Berufe in der Krise
Bei allem Verständnis für innerverband-
liche Kritik hat hier die verfasste Ärzte-
schaft zu einem denkbar unglücklichen
Zeitpunkt das falsche Signal gesetzt. Von
allen Ebenen unserer Gesellschaft wird
der ärztliche Beruf in seiner freien
Berufsausübung behindert. Verbrau-
cherverbände wollen die hochsensible
Arzt-Patienten-Beziehung auf ein Kun-
denniveau herunterziehen. Die Freiheit
der Berufsausübung wird im ambulan-
ten Bereich durch gesetzliche Restrikti-
on und wirtschaftliche Vorgaben
erkennbar behindert. In den Kranken-
häusern wird der Arzt zum ausführen-
den Organ ökonomischer Vorgaben
degradiert. Die Entscheidungsgremien
der Selbstverwaltung benötigen ärztli-
chen Sachverstand nur noch dazu, ihre
ökonomischen Motive bei der Entschei-
dungsfindung zu verschleiern. Ärztliche
Körperschaften sollten dieser Entwick-
lung entgegenwirken. Dazu passt ein
Austritt aus dem Verband freier Berufe
überhaupt nicht. Aber die Schwierigkei-
ten werden nicht nur von ärztlichen
Körperschaften ausgelöst. Auch die Bun-
desanwaltskammer ist auf dem Trip,
sich zu verabschieden. Dies alles zeigt
die desolate Lage der freien Berufe in
unserem Staat. Der Europäische
Gerichtshof hat in einem Urteil am
11.10.2001 die freien Berufe unter
anderem dadurch definiert, dass das
persönliche Element bei der Tätigkeit
eine besondere Bedeutung hat und des-
halb auf jeden Fall eine große Selbst-
ständigkeit bei der Vornahme der beruf-
lichen Handlung vorausgesetzt wird, so
das Zitat. Dabei wird noch darauf hinge-
wiesen, dass Freiberuflichkeit nicht mit
Selbstständigkeit verwechselt werden
darf. Unser Staat hat inzwischen ein
überzogenes Bedürfnis, das Handeln sei-
ner Bürger transparent zu machen und
dabei immer mehr zu reglementieren.
Er macht auch vor der hochsensiblen
Arzt-Patienten- oder Anwalts-Klienten-
Beziehung nicht mehr Halt. Er vergisst
offensichtlich, dass genau dies die letzte
Wiese einer Privatsphäre in einem Staat
mit freiheitlich demokratischer Grund-
ordnung ausmacht. Für totalitäre Syste-
me ist gerade der Missbrauch der freien
Berufe ein klassisches Merkmal.
Dieser für unser Gemeinwesen unglück-
lichen Entwicklung sollte man sich ent-
gegen stellen. Dies wird besonders
schwierig, wenn die betroffenen Berufe
selbst nicht mehr für ihre eigenen Werte
kämpfen wollen.
HFS
Bundesverband der freien Berufe (BFB)
Es gibt – noch – einen Bundesverband der freien Berufe (BFB). Die
ärztlichen Körperschaften Bundesärztekammer und Kassenärztliche
Bundesvereinigung haben zum 31.12.2013 ihren Austritt erklärt –
ein schwerer Schlag für den Verband.
Nachfolgend skizzieren wir die für Ihre
ärztliche Tätigkeit wesentlichen Ände-
rungen:
Bonushefte
In der Vergangenheit gab es unter-
schiedliche Auffassungen zu der Frage,
ob für das Ausfüllen von Bonusheften
eine gesonderte Vergütung verlangt
werden darf oder ob diese Leistung
kostenlos zu erbringen ist. Nunmehr
gilt folgende Regelung: Das Ausfüllen
von Bonusheften „im Zusammenhang
mit der Bestätigung von gesundheits-
bewusstem Verhalten eines Versicher-
ten“ wird als vertragsärztliche Pflicht
definiert und wurde in den Bundes-
mantelvertrag aufgenommen. In allen
anderen Fällen, also bei Vorlage des
Bonusheftes in einem späteren Quar-
tal, ist diese Tätigkeit keine vertrags-
ärztliche Leistung; der Arzt darf dann
das Ausfüllen des Bonushefts dem
Patienten als Selbstzahlerleistung in
Rechnung stellen.
Formlose Kassenanfragen
„Selbstgestrickte“ Formularanfragen
einzelner Krankenkassen darf es in
Zukunft nicht mehr geben. Für formlo-
se Anfragen müssen die Krankenkas-
sen künftig ein sogenanntes Rahmen-
formular verwenden. Dieses Formular
wird allerdings erst noch entwickelt,
liegt also noch nicht vor. Da sich aus
dem Formular auch die Rechtsgrundla-
ge für die Anfrage ergeben soll, erhal-
ten Ärzte Rechtssicherheit insbesonde-
re in Bezug auf die Schweigepflicht
und den Datenschutz. Fest steht
zudem, dass Ärzte für Gutachten oder
gutachtlicher Stellungsnahmen, wie sie
bisher formlos von den Krankenkassen
angefragt wurde, auf jeden Fall eine
Vergütung erhalten.
Anstellung von Ärzten
Das für Arztpraxen (nicht aber für Medi-
zinische Versorgungszentren) geltende
Verbot der arztgruppenübergreifenden
Anstellung von Ärzten, die nur auf Über-
weisung tätig werden oder überwei-
sungsgebundene Leistungen durchfüh-
ren, wird aufgehoben. Damit können
sich künftig Pathologen, Laborärzte,
Mikrobiologen, Nuklearmediziner,
Radiologen, Strahlentherapeuten in Pra-
xen anstellen lassen und ohne Überwei-
sung in Anspruch genommen werden.
Ungültige Versichertenkarten
Mehr Rechtssicherheit gibt es für Ärzte
auch in Sachen elektronische Gesund-
heitskarte bzw. Versichertenkarte.
Ungültige oder missbräuchlich einge-
setzte Karten führen künftig nicht zu
Schadensersatzverpflichtungen der
Ärzte. Wenn eine Versichertenkarte
unzulässig verwendet wird, kann die
Krankenkasse den Arzt nur dann in
Regress nehmen, wenn der Arzt die
unzulässige Verwendung, zum Beispiel
aufgrund des Alters, Geschlechts oder
Bildes, hätte erkennen können.
Die Krankenkassen sind weiterhin ver-
pflichtet, ungültige Krankenversicher-
tenkarten bzw. elektronische Gesund-
heitskarten selbst einzuziehen. Eine
von den Krankenkassen geforderte
Sperrung solcher Karten im Rahmen
eines Onlinestammdatendienstes wird
es nicht geben.
Anderseits können aber auch Kassen-
ärztliche Vereinigungen unter Umstän-
den Honorar von den Krankenkassen
zurückholen, das sie einem Arzt
gezahlt haben, der Patienten mit
ungültiger oder falscher Versicherten-
karte behandelt hat. Außer die Kassen-
ärztlichen Vereinigungen hat bereits
einen Vergütungsanteil für den betref-
fenden Patienten erhalten oder der
Patient hat die Leistung selbst bezahlt.
Zurückhaltung der Gesamt-
vergütung
Das Zurückbehaltungsrecht der Kran-
kenkassen (§ 75 Abs. 1 Satz 5 SGB V)
wurde spezifiziert. Teile der Gesamtver-
gütung dürfen nur dann von den Kas-
sen zurückbehalten werden, sofern eine
weiter andauernde, erhebliche Verlet-
zung des Sicherstellungauftrags vorliegt.
Fälle der Unterversorgung begründen
grundsätzlich kein Zurückbehaltungs-
recht, es sei denn, die KV hat keinerlei
Maßnahmen getroffen, um die Unter-
versorgung zu beheben. Und auch dann
kommt das Zurückbehaltungsrecht
nicht zur Anwendung, wenn die Kassen
ihren Beitrag in einen eingerichteten
Strukturfonds nicht gezahlt haben.
Vor einer Einbehaltung der Mittel, hat
die Kassenärztliche Vereinigung jedoch
das Recht, innerhalb einer vierwöchi-
gen Frist, die Defizite bei der Sicher-
stellung der Versorgung zu beseitigen,
bzw. Stellung zu nehmen. Bei unge-
rechtfertigtem Einbehalte von Gesamt-
vergütungsteile durch die Kassen, sind
diese mit eine fünfprozentigen Verzin-
sung zurückzuzahlen.
Ass. Jur. Christina Zastrow-Baldauf
Justiziarin des Berufsverbandes
Deutscher Internisten e.V.
Von Bonusheften bis
Zurückbehaltungsrecht
Einheitlicher Bundesmantelvertrag seit 1. Oktober 2013
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Krankenkassen
haben sich nach monatelangen Verhandlungen und Anrufung des
Schiedsamtes auf einen neuen für alle Kassenarten einheitlichen
Bundesmantelvertrag verständigt. Dieser tritt zum 1. Oktober 2013
in Kraft. Die bisherigen Regelwerke für Primär- und Ersatzkassen
wurden zusammengeführt und gleichzeitig gibt es eine Reihe von
Änderungen bzw. Erleichterungen für die Arztpraxen.
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...28
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