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Berufspolitik
Nr. 12 • Dezember 2013
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CDU/CSU-Politiker der
Arbeitsgruppe
Für einigen Unmut in den Reihen der
CDU hat die Aufstellung der Arbeits-
gruppe durch die Parteizentrale
gesorgt, da eine starke Fraktionsbil-
dung aus Nordrhein-Westfalen erkenn-
bar war. Neben Jens Spahn wird die
Arbeitsgruppe durch Karl-Josef Lau-
mann, CDU-Präsidiumsmitglied,
Hubert Hüppe, bislang Behindertenbe-
auftragter der Bundesregierung, Chris-
tine Clauß, gelernte Anästhesie- und
Intentivschwester, Maria Michalk,
Bundestagsabgeordnete aus Sachsen,
Emine Demirbüken-Wegner, Gesund-
heitsstaatssekretärin Berlin, sowie
Michael Schierack, Orthopädie- und
Unfallchirurg aus Brandenburg, kom-
plettiert. Auch die CSU-Delegation
setzt auf die Kompetenz einer Ärztin
und entsendet Melanie Huml, Bayeri-
sches Staatministerium für Gesundheit
und Pflege, in die Arbeitsgruppe. Wei-
terhin wurden Johannes Singhammer,
gesundheitspolitischer Sprecher der
CDU/CSU in der abgelaufenen Legisla-
turperiode, sowie der Bundestagsabge-
ordnete Stephan Stracke entsandt.
Ärztlicher Sachverstand auch in
der SPD-Arbeitsgruppe
Im Team um Professor Lauterbach sind
die weiblichen Delegierten in der
Überzahl. Allen voran die Biotechnolo-
gin Dr. Carola Reimann, die als Genera-
listin zahlreiche Themengebiete inner-
halb der Gesundheitspolitik ausfüllen
kann. Mit Cornelia Prüfer-Storcks,
Gesundheitssenatorin in Hamburg und
vormals jahrelang dem Vorstand der
AOK Rheinland/Hamburg angehörend,
ist ein weiterer Profi in den SPD-Rei-
hen zu finden. Überdies übernimmt
Prüfer-Storcks 2014 den Vorsitz der
Gesundheitsministerkonferenz. Kom-
plettiert wird das Team durch Hilde
Mattheis, Pflegespezialistin, Kristin
Alheit, Gesundheitsministerin Schles-
wig-Holstein, Alexander Schweitzer,
Sozialminister Rheinland-Pfalz, sowie
Günter Baaske, Minister für Arbeit und
Soziales in Brandenburg.
Demnach ist also in jeder Delegation
mindestens ein Arzt vertreten, um die
brennenden Themen der Gesundheits-
politik für die kommende Legislatur-
periode und die Koalitionsverhandlun-
gen vorzubereiten.
Themen: Von der Bürgerversiche-
rung bis zur Krankenhausreform
Die SPD hat sich intern bereits auf eine
Themenliste von mindestens sieben
Gebieten konzentiert. Hier finden sich
die Themen Bürgerversicherung als
Kranken- und Pflegevollversicherung,
Reform der Pflege, Krankenhausre-
form, Prävention, Sicherung der flä-
chendeckenden Versorgung, Sicherung
der Fachkräfte sowie „Sonstiges“ wie-
der. Unter dem Thema „Sonstiges“ ver-
birgt sich vor allem die Forderung
nach einer strafrechtlichen Regelung
zur Verhinderung der Korruption im
Gesundheitswesen. Für das Thema
Pflegeversicherung soll ein neuer Pfle-
gebedürftigkeitsbegriff entwickelt
werden, zu dessen Finanzierung der
Beitragssatz um mindestens 0,5 Pro-
zentpunkte steigen wird. Darüber
hinaus wird von Dr. Carola Reimann
ein erleichterter Wechsel von der PKV
in die BKV unter Mitnahme der Alters-
rückstellungen ins Gespräch gebracht.
Auch Kristin Alheit, Gesundheitsminis-
terin Schleswig-Holstein, bringt das
Thema Errichtung einer Pflegekammer
mit in die Beratungen und wird hier-
bei gestärkt durch eine Umfrage unter
Pflegekräften in Schleswig-Holstein,
von denen sich 51 % für eine Kammer-
gründung ausgesprochen haben.
Im Hinblick auf die Einführung einer
Bürgerversicherung hat sich die SPD
intern allem Anschein nach bereits auf
deutliche Einschnitte eingestellt.
Gleichwohl wollen sie einige Elemente
ihres Konzeptes dennoch umsetzen.
Hierzu gehört u.a. die Beitragsautono-
mie an die Krankenkassen zurückzu-
führen, um mehr Wettbewerb unter
den Kassen entstehen zu lassen. Hier-
mit wäre der Zusatzbeitrag hinfällig.
Darüber hinaus soll die paritätische
Finanzierung zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer wieder verankert
werden, welche derzeit durch Zusatz-
beiträge und den um 0,9 Prozentpunk-
te höheren allgemeinen Beitragssatz
für Arbeitnehmer nicht existiert.
Daran anschließen würde sich die
Frage, ob unter solchen neuen Rah-
menbedingungen der Gesundheits-
fonds in seiner jetzigen Form noch
benötigt würde.
Innerhalb der Union ist das Thema der
Krankenhausreform, die Sicherstellung
der flächendeckenden Versorgung und
Änderungen im Pflegesektor mit
oberster Prioritätsstufe zu sehen. Am
zweitgliedrigen Kassensystem von
GKV und PKV wird weiter festgehal-
ten, verbunden mit der Einschränkung,
die steigenden Beiträge der PKV im
Alter einen Lösungsvorschlag zu ent-
wickeln. Zumindest wollen CDU und
CSU die Mitnahme von Altersrückstel-
lungen für Privatversicherte verbes-
sern.
Die gesamte Verhandlungsdelegation
zur Entwicklung eines Koalitionsver-
trages erreicht dieses Mal rekordver-
dächtige 75 Politiker aus den jeweili-
gen Parteien und Fraktionen. Bis Ende
November soll der Koalitionsvertrag
ausgehandelt sein, damit im Anschluss
die SPD-Mitglieder hierüber in einer
Abstimmung noch entscheiden kön-
nen. Sofern die Verhandlungen nicht in
der gewünschten Zeitschiene verlau-
fen, haben die Parteivorsitzende Ange-
la Merkel, Horst Seehofer und Sigmar
Gabriel Gespräche unter sechs Augen
vereinbart, um die Konsensfindung
ggf. zu beschleunigen.
Dipl.-Betrw. Tilo Radau
Geschäftsführer Berufsverband
Deutscher Internisten e. V.
Der Fahrplan zur 3. schwarz-
roten Gesundheitspolitik
Koalitionsverhandlungen in Berlin
(Fortsetzung von Seite 1)
Wer in Berlin in einer Großen Koaliti-
on das Gesundheitsressort überneh-
men wird, ist angesichts der Mehr-
heitsverhältnisse offen. In Bayern,
sagte der Erste Vorsitzende der Verei-
nigung Bayerischer Internisten und
Erste stellvertretende Präsident des
Berufsverbands Deutscher Internisten,
Dr. Wolf von Römer, sind die Verhält-
nisse dank der absoluten Mehrheit der
CSU klarer: Melanie Huml, bislang
Staatssekretärin im Staatsministerium
für Umwelt und Gesundheit, ist nun
neue Ministerin für Gesundheit und
Pflege. Inhaltlich dürfte sich nicht viel
ändern, kommentierte von Römer.
BDI fordert Krankenkassenreform
Der BDI hat schon im Vorfeld mit allen
politischen Parteien des Bundestags
seine Kernforderungen diskutiert,
betonte BDI-Präsident Dr. Wolfgang
Wesiack. Er machte sich für eine Kran-
kenkassenreform stark. Unter neuen
Rahmenbedingungen mit echtem
Wettbewerb bräuchten wir keinen
Gesundheitsfonds und auch keinen
GKV-Spitzenverband mehr.
Notwendig sei auch eine Krankenhaus-
reform. Der § 116b SGB V ist laut
Wesiack ein guter Weg, der weiterent-
wickelt werden muss. Er sei im Prinzip
richtig, weil damit der ambulante und
der stationäre Sektor verbunden wer-
den und es Leistungen zu definierten
Preisen gebe. Die von einigen Parteien
präferierte Bürgerversicherung sieht
der BDI-Präsident durch eine Große
Koalition erst einmal aufgeschoben.
Wie es gesundheitspolitisch weiter-
geht, hängt nach Ansicht von Dr. Hel-
mut Platzer, Vorstandsvorsitzender der
AOK Bayern, wesentlich davon ab, wer
das Amt übernehmen wird. Da besteht
noch Unsicherheit. Sicher sei nur, dass
der Handlungsbedarf in der Gesund-
heitspolitik unabweisbar sei. Längst
überfällig sei es, das Thema Pflege
anzugehen, insbesondere, wie das
Demenzrisiko innerhalb der Pflegever-
sicherung abgebildet werden solle.
Auch das Thema Präventionsgesetz
muss von der neuen Regierung wieder
aufgenommen werden, nachdem es
kurz vor der Wahl von der Tagesord-
nung verschwunden ist. Unumgänglich
sei auch eine Krankenhausreform.
Momentan werde ernsthaft über eine
Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem
Thema diskutiert. Platzer sieht darin
„eine klassische Lösung, die nicht zum
Problem passt“, weil die Interessenlage
der Länder höchst unterschiedlich ist.
Um die Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung zu stabilisieren,
sei eine Finanzreform nötig. Die Bür-
gerversicherung spielt dabei keine
Rolle, erklärte der AOK-Chef. Große
Privatversicherer hätten die Lust an
einer Vollversicherung offenbar verlo-
ren. Eine Sanierung der PKV durch die
GKV dürfe es nicht geben. Mit einem
freien Wettbewerb zwischen beiden
Systemen kämen wir nach seinen
Worten am weitesten.
Auch für die Kassenärztliche Vereini-
gung Bayerns ist eine Krankenhausre-
form wünschenswert, betonte deren
Erster stellvertretender Vorsitzender
Dr. Pedro Schmelz. Es sei zu überlegen,
ob wirklich jedes Krankenhaus mit
aller Gewalt erhalten werden müsse.
Der KVB komme es darauf an, die Frei-
beruflichkeit der niedergelassenen
Ärzte zu erhalten und zu stärken, auch
im Krankenhaus. In der ambulanten
spezialfachärztlichen Versorgung sieht
er einen guten Weg, die Sektorengren-
zen zu überwinden, doch müsse man
dabei auf gleich lange Spieße achten.
„Es darf nicht sein, dass die niederge-
lassenen Kollegen mit dem Kranken-
haus nicht mithalten können.“ Mehr
Regionalität statt des Mottos „einheit-
lich und gemeinsam“ bei den Verhand-
lungen würde den Wettbewerb stär-
ken.
Neue GOÄ bis Ende 2014?
Der Präsident der Bayerischen Landes-
ärztekammer, Dr. Max Kaplan, schlug
eine Reduzierung des Gesundheits-
fonds auf die Hälfte vor. Nur noch die
Arbeitgeberbeiträge sollten in den
Fonds fließen, die Beiträge der Mitglie-
der sollten dagegen direkt an die Kran-
kenkassen gehen.
In die Diskussion um eine neue GOÄ
ist zu seiner Freude wieder Bewegung
gekommen. Die Bundesärztekammer
sei optimistisch, dass es in den nächs-
ten Wochen zu einer Rahmenvereinba-
rung mit dem PKV-Verband kommen
werde. Die Öffnungsklausel sei vom
Tisch. Man brauche künftig ein Bewer-
tungsgremium mit einer Datensam-
melstelle, damit die Bewertungen
immer aktuell angepasst werden kön-
nen. Über den Gebührenrahmen sei
noch nicht endgültig entschieden,
doch die Richtig stimme. Kaplan geht
davon aus, dass die grobe Strukturie-
rung bis Ende 2013 fertig sein wird.
Mit Optimismus sei vorstellbar, dass
der Gesetzgeber bis Ende 2014 eine
neue Rechtsverordnung zur GOÄ vorle-
gen werde, so dass die neue Gebüh-
renordnung zum 1. Januar 2015 in
Kraft treten könne.
Neue Bedarfsplanung: „großer
Rohrkrepierer“
Wenig bis gar nichts hielten die Exper-
ten auf dem Podium von der neuen
Bedarfsplanung. Das System ist viel-
leicht klug durchdacht, meinte Platzer,
aber sei zu kompliziert, um zu geeig-
neten Lösungen zu kommen. Die zen-
trale Herausforderung sei der Abbau
der eklatanten Versorgungsunterschie-
de zwischen Ballungsgebieten und
ländlichem Raum.
Vorher gab es in Bayern 79 Planungs-
bereiche für Hausärzte, jetzt sind es
137, aber damit hat man noch lange
keine neuen Kolleginnen und Kollegen
geschaffen, stellte Schmelz fest. Wich-
tig sei es, die Rahmenbedingungen zu
verändern. Junge Mediziner scheuten
die Belastung durch den Bereitschafts-
dienst und hätten Angst vor Regressen.
Durch Regresse sind besonders die
Internisten betroffen, fügte von Römer
hinzu, weil sie mehr Technik einsetzen
als andere Fächer.
BDI-Präsident Wesiack nannte die
Bedarfsplanung einen „großen Rohr-
krepierer“. Dadurch werde kein einzi-
ger neuer Arzt gewonnen, sondern
eher noch abgeschreckt. Die Bedarfs-
planung müsse flexibilisiert werden. Es
müsse attraktiv werden für junge Ärz-
tinnen und Ärzte, aufs Land zu gehen.
KS
Warten auf die neue
Regierungsmannschaft
52. Bayerischer Internistenkongress im Oktober in München
Wenige Wochen nach den Wahlen zum bayerischen Landtag und
zum Bundestag und kurz vor den Koalitionsverhandlungen zur
Regierungsbildung in Berlin beschäftigte sich der Bayerische Inter-
nistenkongress in einer berufspolitischen Diskussionsrunde am
19. Oktober in München mit der gesundheitspolitischen Lage.
BIld: ccvision
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,...28
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