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117. Deutscher Ärztetag
BDI aktuell
Juli 2014
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Noch schlimmer aber seien die un-
angemeldeten Kontrollen des Medizi-
nischen Dienstes der Krankenkassen
(MDK) in den Krankenhäusern zur
Überprüfung der Vorgaben des GBA –
wie es Union und SPD im Koalitions-
vertrag vorhaben. „Das ist Willkür.“
Wer das wolle, der versuche, einen
Keil zwischen den MDK als eigen-
ständige Arbeitsgemeinschaft, die im
Auftrag der Kassen handelt, und die
Ärzte in den Krankenhäusern zu trei-
ben.
Sondereinsatz des MDK unnötig
„Wir brauchen keine Sondereinsatz-
kommandos des MDK, wir brauchen
vertrauensvolle Zusammenarbeit, wir
brauchen eine Kultur der Verständi-
gung und des Verstandes, nicht des
Misstrauens.“ Minister Gröhe ging da-
rauf in seiner Rede nicht ein.
Dauerbaustelle Gebührenordnung
für Ärzte (GOÄ): Seit zwei Jahren ver-
handelt die BÄK mit dem PKV-Ver-
band über eine neue GOÄ. Im Febru-
ar hat die BÄK die Berufsverbände
über den Verhandlungsstand infor-
miert. Dennoch sind Nervosität und
Misstrauen „bei einigen unserer Kolle-
gen groß“, räumte Montgomery in
Düsseldorf ein. Die Verhandlungsfüh-
rer der BÄK, Hauptgeschäftsführer
Dr. Bernhard Rochell und Dr. Theo-
dor Windhorst (Ärztekammerpräsi-
dent in Westfalen-Lippe), konnten
dieses Misstrauen auch in einer eigens
anberaumten GOÄ-Runde nicht be-
seitigen (siehe Seite 1).
Knifflige Fragen wie die nach den
möglichen Steigerungsfaktoren wur-
den vage beantwortet. Man habe den
alten Steigerungsfaktor 2,3 „einge-
preist“ in den „robusten Einfachsatz“.
Den hätten bislang 85 Prozent der
Ärzte angesetzt, nur zehn Prozent hät-
ten den 3,5-fachen Satz verlangt. Auf
jeden Fall, so Windhorst, werde auch
ein zweifacher Satz möglich sein; ob
auch das 2,5- oder 3-fache möglich
sein werden, sei noch nicht festgelegt.
Regeln zur Leichenschau vorziehen?
Die Leichenschau erschien manchen
Delegierten wichtig, anderen dagegen
weniger. Viele möchten die Regelung
der Leichenschau vorziehen, ehe es
zur neuen GOÄ kommt. Die alte
GOÄ hat ein Entgelt von 51 Euro vor-
gesehen. Die neue Systematik, erklärte
Windhorst, gehe bis zu 200 Euro, je
nach den Umständen, etwa aus der
laufenden Sprechstunde oder bei be-
sonderen Schwierigkeiten. Da die Lei-
chenschau keine Leistung der Versi-
cherung ist, muss sie von den Angehö-
rigen bezahlt werden, was diese leider
häufig unterlassen.
Den vollen Inflationsausgleich – seit
1996 bis heute 31,8 Prozent – werden
die Ärzte in den Verhandlungen nicht
durchsetzen können. Endgültige Zah-
len konnten Rochell und Windhorst
aber nicht präsentieren. Die Simulati-
onsberechnungen laufen nach ihren
Angaben noch bis Ende 2014. Ein
großer Unsicherheitsfaktor ist die Zeit-
schiene, da noch die Bundesländer zu-
stimmen müssen.
Gesundheitsminister Gröhe hat in
Düsseldorf immerhin zugesagt, dass
die neue GOÄ noch in dieser Legisla-
turperiode kommen wird. Die dauert
bis 2017. Es geht insgesamt um einen
Betrag von zehn Milliarden Euro Aus-
gaben der privaten Krankenversiche-
rung für vier Millionen privat Versi-
cherte und vier Millionen Beihilfebe-
rechtigte. Verhandelt wird laut Rochell
über eine Spanne zwischen 11,3 Milli-
arden Euro (inklusive Inflationsaus-
gleich) und 7,8 Milliarden Euro, auf
die die PKV die Ausgaben absenken
möchte. Windhorst versicherte treu-
herzig: „Es muss ein Mehr geben.
Zehn Milliarden plus Add on.“ Aber
wie hoch der Zuwachs werden wird, so
die beiden Verhandler unisono, könn-
ten sie erst hinterher sagen.
Eine Anpassung
der Gebühren-
ordnung für Ärzte
ist überfällig.
Hermann Gröhe (CDU)
Bundesgesundheitsminister
Brisante innerärztliche Themen wie
Honorar oder EBM blieben auf der
Vertreterversammlung (VV) der Kas-
senärztlichen
Bundesvereinigung
(KBV) im Vorfeld des Ärztetages
ausgeklammert. Damit soll sich eine
nicht-öffentliche VV später befassen.
Den Delegierten blieb somit wenig
Stoff zur Debatte. Einer davon war
die Abwehr von Ärzten zweiter Wahl,
sogenanntem nicht-ärztlichen akade-
misierten Personal.
Fast unbemerkt von der Öffent-
lichkeit wachse ein neuer Beruf her-
an, bekannt etwa aus den USA als
„physician assistent“, der sich als
Konkurrenz zu den Vertragsärzten
etablieren möchte, so die KBV-Vor-
sitzenden. Private Hochschulen offe-
rieren acht-semestrige Studiengänge,
nach deren Abschluss der Absolvent
in der Lage sein soll, Verantwortung
für die Patientenversorgung zu über-
nehmen. Zu seinen Tätigkeiten zäh-
len die Erstanamnese mit körperli-
cher Untersuchung, die Ausarbei-
tung von Verdachtsdiagnosen, die
Aufstellung von Behandlungsplänen
und die Durchführung eigenständi-
ger kleinerer operativer Eingriffe.
Nein zur Substitution
Die KBV-VV hat den Deutschen
Ärztetag aufgefordert, sich mit dem
Thema zu befassen und die KBV so-
wie die Bundesärztekammer aufzu-
fordern, Rahmenvorgaben für die
Ausbildung und den Einsatz von
nichtärztlichem akademisierten Per-
sonal zu schaffen. Die aufgezählten
Aufgaben stellen nach Ansicht der
KVB-VV eine originär ärztliche Tä-
tigkeit dar, die im Hinblick auf die
Qualität der Versorgung und zur
Vermeidung einer Zweiklassenmedi-
zin nicht auf nichtärztliches akademi-
siertes Personal übertragen werden
dürfen. Delegation ja, Substitution
nein, heißt die klare Devise.
Zudem diskutierten die Vertreter
über die geplante Vier-Wochen-Frist
für Facharzttermine. KBV-Chef Dr.
Andreas Gassen gab zu bedenken:
Die Vergabe von Arztterminen funk-
tioniert so gut, wie es unter den Be-
dingungen eines gedeckelten Ge-
samtbudgets gehe. „Dass dabei nicht
jeder Patient seinen Wunschtermin
bekommt und weniger dringende
Termine auch mal aufgeschoben
werden, ist leider nicht zu vermei-
den.“
Wo viele Patienten, aber wenige
Ärzte seien, könnten keine Termine
schneller vergeben werden. „Da hel-
fen auch keine Servicestellen, wie sie
die Große Koalition vorsieht.“ Der
KBV-Vorsitzende wunderte sich, ob
die Wartezeiten wirklich das drän-
gendste Problem sind. Im europäi-
schen Vergleich habe Deutschland
mit die kürzesten Wartezeiten. Gas-
sen: „Hier werden in Politik und
Selbstverwaltung Ressourcen gebun-
den für die Beseitigung eines Prob-
lems, das allenfalls punktuell auf-
taucht und häufig sehr subjektiv ist.“
Parität nicht einfach herzustellen
In eigener Sache erinnerte Gassen an
die Verdienste der ärztlichen Selbst-
verwaltung: Jeder Versicherte könne
rund um die Uhr einen Haus- oder
Facharzt erreichen, monatelange
Wartezeiten seien die „absolute Aus-
nahme“ und es gebe eine flächende-
ckende, sehr hohe Qualität der Ver-
sorgung. Die Selbstverwaltung könne
das leisten, weil alles aus einer Hand
komme, gemeinsam und mit einem
fairen Interessenausgleich. So will
Gassen auch den Paritätsgedanken
im Koalitionsvertrag verstanden wis-
sen. Die KBV will sich nicht von au-
ßen gestalten „lassen“, betonte er,
sondern eine Lösung im Rahmen der
Satzung der KBV finden.
Eine wortgetreue Umsetzung des
Koalitionsvertrags sei mit dem gel-
tenden Rechtsrahmen nicht mach-
bar, erklärte Gassen. Der Bundes-
mantelvertrag würde seine Geltung
verlieren und der Sicherstellungsauf-
trag habe sich damit auch erledigt.
„Dann sollte man gleich das ganze
System sektionieren.“
Parität im Sinne einer Sektionie-
rung oder als Vorstufe davon sei ge-
fährlich, mahnte der KBV-Chef.
Dann gäbe es kein „gemeinsam und
einheitlich für alle Versicherten“
mehr. „Dann hätten wir ein freies
Spiel der Kräfte mit dem mittelfristi-
gen Effekt, dass wir uns gegenseitig
kannibalisieren würden.“ Am Ende
stünde eine echte Mehr-Klassen-Me-
dizin in Deutschland.
Die VV müsse entscheiden, ob sie
sich um einen fairen Interessenaus-
gleich aller durch das KV-System
vertretenen Gruppen bemühen wolle
oder ob es darum gehe, das körper-
schaftliche System zu demontieren.
Die Politik solle darüber nachden-
ken, ob sie auf Betreiben Einzelner,
die nicht nur versorgungspolitische,
sondern finanzielle oder ideologische
Interessen hätten, das System infrage
stellen und gefährden möchte.
In Düsseldorf blieb dieses Streit-
thema ausgespart. Eine Sektionie-
rung sei nicht geplant, versicherte
das hausärztliche KBV-Vorstands-
mitglied Regina Feldmann. Das letz-
te Wort war das wohl nicht.
(KS)
Der „physician assistent“
bereitet Ärzten Sorge.
Die KBV sieht darin Ärzte
zweiter Klasse, die die
Qualität der Versorgung
gefährden können. Sie will
Regeln für den Einsatz.
KBV erteilt klare
Absage an „Ärzte
zweiter Wahl“
KBV-Vertreterversammlung in Düsseldorf: wenige brisante Themen.
© JOCHEN ROLFES
Der 117. Deutsche Ärztetag hat davor
gewarnt, dem Gesundheitsfonds Fi-
nanzmittel aus dem Bundeshaushalt
zu entziehen. Das Geld müsse der me-
dizinischen Versorgung der Bevölke-
rung zur Verfügung stehen. Die Mittel
sollten zum Beispiel für die Finanzie-
rung der ambulanten Weiterbildungs-
abschnitte oder von Präventionsleis-
tungen genutzt werden.
Zum Hintergrund: Aufgrund der
hohen Reserven im Gesundheitsfonds
und bei den Krankenkassen hatte
Bundesfinanzminister
Wolfgang
Schäuble (CDU) angekündigt, den
Bundeszuschuss von 14 auf 10,5 Milli-
arden Euro zu kürzen.
(KS)
Ärzte sind gegen Griff in
den Gesundheitsfonds
Der 117. Deutsche Ärztetag begrüßt
den hohen Stellenwert, den die Bun-
desregierung der Qualität der gesund-
heitlichen Versorgung in ihrem Koali-
tionsvertrag einräumt.
Die von Schwarz-Rot angekündigte
Qualitätsoffensive könne aber nicht
ohne die Ärzteschaft geschehen. „Seit
jeher zählt die Qualitätssicherung des
eigenen Handelns zum professionellen
Selbstverständnis der Ärzteschaft“,
heißt es in dem einstimmig vom Ärzte-
parlament angenommenen Leitantrag
der Bundesärztekammer.
Als ersten Schritt hat die Koalition
bereits die Weichen für ein neues Qua-
litätsinstitut gestellt.
(KS)
Delegierte unterstützen
Qualitätsoffensive
Der 117. Deutsche Ärztetag hat die
Europäische Kommission aufgefor-
dert, die geplante EU-Normungsver-
ordnung nicht auf Gesundheitsdienst-
leistungen anzuwenden. Das Normen
medizinischer Prozesse und Qualifika-
tionen auf EU-Ebene sei nicht nur
kontraproduktiv für die betroffenen
Berufsgruppen, sondern auch schäd-
lich für die Patienten. Davon betroffen
sind der Bundesärztekammer zufolge
vor allem die Fächer Chirurgie, Chiro-
praktik oder Osteopathie. Grundlegen-
de Inhalte ärztlicher Tätigkeit seien
europaweit über Aus-, Weiter- und
Fortbildung und entsprechende Aner-
kennungsverfahren geregelt.
(KS)
Keine EU-Normung für
Gesundheitsleistungen!
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