GKV-Patienten warten 20 Tage
länger
In Hessen musste der gesetzlich versi-
cherte Patient auf einen Termin im
Durchschnitt 36 Tage, der Privatversi-
cherte 16 Tage warten. Es gab damit
eine durchschnittliche Differenz von
20 Tagen zwischen PKV und GKV.
Maisch hat regional erhebliche Unter-
schiede festgestellt. So war der Unter-
schied in der Wartezeit zwischen PKV
und GKV im Raum Hanau mit 36
Tagen am größten. In Kassel und Fulda
lagen die Werte mit 21 Tagen im
Durchschnitt und in den Ballungszen-
tren Frankfurt und Wiesbaden betrug
die Differenz nur 11 bis 12 Tage.
Nicht bei allen Facharztpraxen war
eine unterschiedliche Handhabung
bei der Termingestaltung festzustel-
len. Bei 25 % aller Praxen gab es keine
Differenz.
Bei den einzelnen Fachgruppen fielen
besonders die Augenärzte aus dem
Rahmen. Hier musste normalerweise
ein GKV-Patient 53 Tage und ein PKV-
Patient 20 Tage auf einen Termin war-
ten. Die geringsten Unterschiede wur-
den bei den Kardiologen mit 10 Tagen
bei PKV-Patienten und 13 Tagen bei
GKV-Patienten festgestellt.
Methodische Schwächen
Über diese Ergebnisse hinaus hat
keine Differenzierung zwischen den
Regionen und den Fachgebieten statt-
gefunden. Methodische Kritik ist
schon deshalb angebracht, weil man
nicht auf regionale Unterschiede in
der Häufigkeit von GKV- und PKV-
Versicherten eingegangen ist. Denn
bei einer hohen Anzahl von PKV-Ver-
sicherten im Rhein-Main-Gebiet und
in der Beamtenstadt Wiesbaden sind
geringere Differenzen zu erwarten als
z.B. in einem Gebiet wie Hanau, wo
der überwiegende Teil der Bevölke-
rung gesetzlich versichert ist. Auch
geht man in der Studie nicht auf die
unterschiedlichen Finanzierungssitua-
tionen der Fachgebiete und hier ins-
besondere auf die Regelleistungsvolu-
mina ein. Auch die Dichte der Arzt-
gruppen in den einzelnen Regionen
wird bei der Betrachtung nicht
berücksichtigt.
Trotz dieser methodischen Unzuläng-
lichkeiten kann die Tatsache, dass
GKV-Versicherte länger auf einen
Facharzttermin warten als Privatver-
sicherte, nicht bestritten werden.
Wartezeit ist Folge der Regel-
leistungsvolumina
Maisch geht auch auf die Erklärungs-
versuche der Ärzte ein. Hier wird vor
allem auf das gedeckelte Honorarbud-
get hingewiesen, ohne dass die Regel-
leistungsvolumina in ihrer grundsätz-
lichen Bedeutung differenziert
betrachtet werden.
Es muss klargestellt werden, dass die
genannten Fachgruppen in der Basis-
versorgung durch die Regelleistungs-
volumina finanziert werden. Hier
greift die seit Jahren gesetzlich veran-
kerte Kostendämpfungspolitik voll.
Der Arzt bekommt pro Quartal im
Vorhinein seine Fallzahl und den Fall-
wert mitgeteilt. Das Regelleistungsvo-
lumen ist aber kein Budget, sodass
der Facharzt, der unterhalb seines
Regelleistungsvolumens bleibt, auch
weniger Honorar ausgezahlt
bekommt. Der Arzt, der mehr Patien-
ten versorgen muss, als ihm die Kas-
senärztlichen Vereinigung zugesteht,
stellt sich deutlich schlechter als der-
jenige, der sich nach dem Regelleis-
tungsvolumen richtet. Jeder zusätzli-
che Patient verursacht nämlich nur
Kosten, die durch ein extrem abge-
staffeltes Honorar nicht mehr gedeckt
werden können. Der Vertragsarzt ver-
sucht deshalb, sein Regelleistungsvo-
lumen einzuhalten. Ihm drohen Defi-
zite, wenn er die Vorgabe überschrei-
tet. Dieses widersinnige System ist
bewusst eingeführt worden, um die
Zahl der ambulanten Leistungen ein-
zugrenzen.
Die direkte Folge dieser Kostendämp-
fungspolitik mit den Regelleistungs-
volumina ist an dieser Studie ables-
bar. Die Vertragsärzte können nur die
vorgegebene Anzahl von Patienten
behandeln, die sie auch bezahlt
bekommen. Wartezeiten ließen sich
nur dadurch verkürzen, wenn eine
ausreichende Finanzausstattung der
Praxen von den Krankenkassen ange-
boten wird. Diese differenzierte
Betrachtung fehlt in der Darstellung
der grünen Bundestagsabgeordneten.
Die Bürgerversicherung
ist keine Lösung!
Es wird auch angemerkt, dass not-
wendige Investitionen ohne das höhe-
re PKV-Honorar nicht finanziert wer-
den können. Dies ist aber nur die
Spitze des Eisberges. Praxen, die mehr
Patienten als nach dem Regelleis-
tungsvolumen versorgen, benötigen
ein ausreichendes Privathonorar, um
ihre Praxiskosten auch unabhängig
von den Investitionen zu decken. Dies
nennt man Quersubventionen der
GKV durch das PKV-Honorar.
Maisch zieht daraus eine politische
Konsequenz: Die Bürgerversicherung
muss her. PKV und GKV müssen
angeglichen werden, damit die Diffe-
renz in den Wartezeiten zwischen
gesetzlich und privat Versicherten
angeglichen wird. Dies würde bedeu-
ten, dass bei 10 % Privatversicherten
beim Augenarzt die Wartezeit von 53
auf 48 Tage sinkt. Es würden jetzt alle
Patienten gleich spät behandelt.
Die Bürgerversicherung führt somit
nur zu Gleichmacherei. Will man die
ambulante fachärztliche Versorgung
tatsächlich verbessern, sind ausrei-
chende Finanzmittel notwendig.
HFS
Lösung durch die
Bürgerversicherung?
Wartezeiten auf Facharzttermine
(Forts. von Seite 1)
Berufspolitik
Nr. 6 • Juni 2013
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Gut der Freiberuflichkeit zu schützen.
Damit wurde dem Gesetzgeber aufge-
tragen, die Beziehung der Leistungs-
erbringer im Gesundheitswesen ggf.
auch strafrechtlich neu zu ordnen.
Neues Gesetz zur Vorteilsnahme
eingebracht
Diesem Auftrag ist Bundesgesund-
heitsminister Daniel Bahr durch einen
entsprechenden Vorschlag gefolgt. Er
hat einen Diskussionsentwurf in die
Koalition eingebracht, der davon aus-
geht, dass alle Leistungserbringer,
auch die Angestellten und Beauftrag-
ten, die an einer Untersuchung und
Behandlung von Versicherten der
gesetzlichen Krankenversicherung
nach den Regeln des SGB V mitwir-
ken, unabhängige, von finanziellen
Eigeninteressen freie medizinische
Entscheidungen treffen sollen. Sie
hätten sich an dem gesetzlichen
Gebot der Wirtschaftlichkeit der Leis-
tungserbringung zu orientieren. Eine
Beteiligung gewerblicher Anbieter
medizinischer Leistungen in der Ver-
sichertenversorgung solle nur in sach-
gerechter und fairer Auswahl erfol-
gen.
Wörtlich heißt es weiter, dass Leis-
tungserbringer bei der Zusammenar-
beit mit anderen Leistungserbringern
oder bei der Veranlassung medizini-
scher Leistungen gewerblicher Anbie-
ter (z. B. bei der Verordnung von Arz-
neimitteln und der Zuweisung an
Krankenhäuser) keine Entgelte oder
wirtschaftlichen Vorteile als Gegen-
leistung annehmen dürfen. Bahr will
eine Strafvorschrift im Fünften Buch
des Sozialgesetzbuchs einführen, um
das Verbot der unzulässigen Vorteils-
nahme oder Vorteilsgewährung zu
sanktionieren. Je nach Schwere der
Schuld droht eine Geldstrafe oder eine
Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Was ist mit Bonus- und Rabatt-
verträgen?
Grundsätzlich hat Prof. Dr. Frank
Ulrich Montgomery, der Präsident der
Bundesärztekammer, die gesetzliche
Regelung begrüßt, auch wenn er in
manchen Punkten die Verhältnismä-
ßigkeit der Mittel nicht erkennen
kann. Es wird befürchtet, dass hier das
Kind mit dem Bade ausgeschüttet
werden könnte. Montgomery begrüßt,
dass in dem Gesetzesentwurf auch
vorgesehen ist, dass diejenigen, die
den Vorteil gewähren, ebenfalls zur
Rechenschaft gezogen werden können.
Sieht man sich die Vorschläge des
Gesundheitsministeriums aus der
Distanz an, fällt auf, dass offensicht-
lich weitere wichtige Player im
Gesundheitswesen nicht in die
Betrachtung einbezogen worden sind.
Es geht nur um die freie Ausübung
des Arztberufes, der vom wirtschaftli-
chen Interesse nicht beeinflusst wer-
den sollte. Den unvoreingenommenen
Betrachtern fallen bei dieser Gelegen-
heit vor allem die Bonusverträge für
die Chefärzte auf. Zusätzlich wün-
schenswert wäre eine vermehrte
Transparenz der Rabattverträge der
Krankenkassen, die man auch unter
dem Aspekt der Vorteilsnahme durch-
leuchten sollte.
HFS
Die Gemeinschaft Fachärztlicher
Berufsverbände (GFB) begrüßt
grundsätzlich die gesetzliche
Neufassung des § 116 b mit der
Einführung der ambulanten spe-
zialfachärztlichen Versorgung,
vor allem, weil die unzeitgemä-
ße Grenze ambulant/stationär
schwindet. An ihre Stelle treten
in Zukunft Kooperationsstruktu-
ren zwischen Praxis und Kran-
kenhaus.
Die Vergütungsvorgaben werden
angeglichen. An Stelle der unglück-
seligen Budgetierung tritt eine Men-
gensteuerung über Qualitätsvorgaben.
Erstmals werden strukturelle Forde-
rungen der Ärzteschaft gesetzlich
geregelt. Der Gemeinsame Bundes-
ausschuss (G-BA) hat das Gesetz
inhaltlich mit Leben zu erfüllen. Mit
der Beschlussfassung, die die Struktu-
ren der ambulanten spezialfachärztli-
chen Versorgung verbindlich regelt,
wurde ein entscheidender Schritt in
die richtige Richtung getan. Die von
Krankenkassen, Krankenhäusern, Kas-
senärztlicher Bundesvereinigung und
Patientenvertretern beschlossene Vor-
gabe zeigt die Funktionsfähigkeit der
Selbstverwaltung im deutschen
Gesundheitswesen.
Die GFB hält den Beschluss für diese
neue Versorgungsstruktur für einen
wichtigen Meilenstein und unter-
stützt ihn ausdrücklich.
Sie fordert, dass der G-BA nun zügig
und strukturiert die Vorgaben für die
betroffenen Krankheitsbilder im
Detail erarbeitet, damit die Versor-
gung umgesetzt werden kann.
Pressemitteilung der Gemeinschaft
fachärztlicher Berufsverbände e.V.
(GFB)
GFB begrüßt neues Gesetz zur
spezialfachärztlichen Versorgung
Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände
Dass die Wartezeit auf einen Arztterm für Patienten der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung differiert, ist unbestritten. Schuld daran sind
auch die Regelleistungsvolumina. Doch die Einführung einer Bürgerversicherung würde die Wartezeiten für GKV-Patienten nur unwesentlich verkürzen –
und die ambulante Versorgung ansonsten in keiner Weise verbessern und die Finanzierung zahlreicher Arztpraxen gefährden.
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