Medizin
Nr. 6 • Juni 2013
13
Bei der Geräteauswahl sind bei jünge-
ren Patienten 1-Kammer-ICD-Systeme
zu bevorzugen, wenn keine Indikation
für eine atriale oder ventrikuläre Sti-
mulation besteht. Zweikammer-Geräte
empfehlen sich für Patienten mit
Sinusbradykardie und/oder Vorhof-
flimmern. Diese sind auch sinnvoll in
Hinblick auf eine mögliche durchge-
hende rechtsventrikuläre Stimulation
zum Versuch der Gradientenreduktion.
Die Rolle von CRT-ICD-Schrittmacher-
systemen (CRT = Kardiale Resynchroni-
sationstherapie [biventrikulärer
Schrittmacher]) bei HCM ist noch
nicht durch ausreichende Evidenz aus
Studien belegt.
kurzgefasst
Die Implantation eines ICD-Sys-
tems ist etabliert in der Primär- und
Sekundärprophylaxe des plötzlichen
Herztodes. Das Für und Wider, insbe-
sondere der primärprophylaktischen
Implantation sollte zwischen behan-
delnden Kardiologen und dem Patien-
ten abhängig von individuellen Risiko-
faktoren erörtert werden.
Teilnahme an Sport
Sport ist Teil eines aktiven und gesun-
den Lebensstils, dies gilt in Maßen
auch für Patienten mit HCM – die Leit-
linien empfehlen hier nur die Teilnah-
me an Sportarten von niedriger Inten-
sität, z. B. Golf. Patienten mit HCM soll-
ten unabhängig von allen Faktoren
(Gradient, NYHA-Klasse, ICD-Träger)
nicht an intensivem Sport oder Leis-
tungssport teilnehmen.
Vorhofflimmern
Die Entwicklung von Vorhofflimmern
stellt einen Wendepunkt im klinischen
Verlauf von HCM-Patienten dar, da es
doch mit einer substanziellen Mortali-
tät sowie einer Verschlechterung der
Symptomatik und einem relevanten
Thrombembolie-Risiko assoziiert ist
[9]. Zwei Drittel der Patienten mit
HCM, bei denen sich ein Vorhofflim-
mern entwickelt, tolerieren dieses nur
schlecht. Häufig reicht eine adäquate
Frequenzkontrolle aus, doch viele
Patienten bedürfen auch einer Rhyth-
muskontrolle. Amiodaron ist unter
Berücksichtigung der Nebenwirkungen
effektiv, so dass es die Medikation der
Wahl darstellt. Sotalol und Dofetilid
können vor allem bei ICD-Trägern ein-
gesetzt werden. Der Einsatz von Dro-
nedaron sollte mangels Erfahrung bei
HCM zurückhaltend erfolgen. Unab-
dingbar ist die frühe Einleitung einer
Leitlinien-gerechten oralen Antikoagu-
lation mit Phenprocoumon oder neue-
ren Antikoagulantien.
Katheter-basierende Ablationstechni-
ken konnten kürzlich gute Ergebnisse
bei Patienten mit symptomatischem
Vorhofflimmern zeigen, aber diese
Ergebnisse müssen in größeren Kohor-
ten mit längerer Nachbeobachtungs-
phase reproduziert werden.
kurzgefasst
Pharmakologische Therapie und
Septum-reduzierende Eingriffe ermög-
lichen eine effektive symptomatische
Behandlung von Patienten mit
H(O)CM. Die Implantation von ICD-
Systemen zur Verhinderung des plötz-
lichen Herztodes lässt sich auf objek-
tivierbare Risikofaktoren stützen, so
dass in der Zusammenschau von
mehreren komplementären Untersu-
chungsmethoden und den Vorstellun-
gen und Wünschen der Patienten die
Indikation gestellt werden sollte.
Fazit
Die hypertrophische Kardiomyopathie
hat sich zu einer Erkrankung mit
objektivierten Zielen in Diagnostik und
Therapie entwickelt. Eine weitere Auf-
klärung der pathophysiologischen
Zusammenhänge sollte künftig zusätz-
liche Optionen in Diagnostik und The-
rapie eröffnen.
Konsequenz für Klinik und Praxis
▶ Die hypertrophische Kardiomyopa-
thie ist eine häufige Erkrankung,
sodass Hinweise aus Anamnese,
klinischer Untersuchung, EKG oder
Echokardiographie eine erweiterte
kardiologische Diagnostik rechtferti-
gen.
▶ Die klinischen Verläufe differieren
sehr, sodass regelmäßige Nachsorge-
untersuchungen durchgeführt wer-
den müssen, um ggf. frühzeitig und
aggressiv therapieren zu können.
Dabei sollte auch die Familie des
Patienten mit einbezogen werden.
▶ Die Entscheidung für oder wider
einer primärprophylaktischen ICD-
Implantation sollte abhängig von
individuellen Risikofaktoren und
Patientenwunsch erfolgen.
Glossar
CMR: kardiale Magnetresonanz-
tomographie
ICD: Implantierbarer
Cardioverter/Defibrillator
HCM: Hypertrophische Kardiomyo-
pathie
LVOT : Ausflusstrakt des linken
Ventrikels
PTSMA: Perkutane transluminale
septale Myokardablation
SAM: Systolic anterior movement
TASH: Transkoronare Ablation der
Septumhypertrophie
Autorenerklärung: Die Autoren erklä-
ren, dass sie keine finanzielle Verbin-
dung mit einer Firma haben, deren
Produkt in diesem Beitrag eine Rolle
spielt (oder mit einer Firma, die ein
Konkurrenzprodukt vertreibt).
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C. Kühl 1 , M. Luedde 1 , C. Langer 1 , N. Frey 1
1
Innere Medizin III, Kardiologie und
Angiologie, Universitätsklinikum Schles-
wig Holstein, Campus Kiel
Korrespondenz
Prof. Dr. Norbert Frey
Klinik für Innere Medizin III - Kardiologie
und Angiologie
Arnold-Heller Str. 3, Haus 6
24105 Kiel
eMail:
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2013; 138:583–
588). Alle Rechte vorbehalten.
Peginesatid ist bei Patienten mit fort-
geschrittener Niereninsuffizienz
ebenso wirksam wie Erythropoetin-
Analoga bezüglich der Aufrechterhal-
tung der Hämoglobinkonzentratio-
nen. Allerdings zeigten sich bei
Patienten, die nicht dialysiert wurden,
vermehrt kardiovaskuläre Nebenwir-
kungen und Todesfälle gegenüber der
Vergleichstherapie. – Dies waren die
Ergebnisse der vier randomisierten,
kontrollierten, offenen Studien bei
Patienten mit renaler Anämie auf-
grund einer chronischen, fortgeschrit-
tenen Niereninsuffizienz, die sich
einer Hämodialyse unterziehen muss-
ten (EMERALD 1 und 2), sowie bei
Patienten, die noch nicht dialyse-
pflichtig waren (PEARL 1 und 2).
In die EMERALD-Studien (Fishbane et
al.) wurden insgesamt 1608 dialyse-
pflichtige Patienten aufgenommen.
Diese wurden im Verhältnis 2:1 zu
Peginesatid einmal monatlich bzw.
zur Fortführung ihrer laufenden The-
rapie mit Epoetin alfa oder beta ein-
bis dreimal pro Woche für mindens-
tens 52 Wochen randomisiert. In das
PEARL-Programm (Macdougall et al.)
wurden 983 Patienten, die nicht dia-
lysiert wurden, aufgenommen. Sie
wurden im Verhältnis 1:1:1 zu Pegi-
nesatid mit einer Anfangsdosis von
0,025 mg/kg Körpergewicht einmal
monatlich, Peginesatid mit einer
Anfangsdosis von 0,04 mg/kg Körper-
gewicht einmal monatlich oder Dar-
bepoetin alle 2 Wochen für mindes-
tens 52 Wochen randomisiert.
Primärer Wirksamkeitsendpunkt war
sowohl in EMERALD 1 und 2 als auch
in PEARL 1 und 2 die mittlere Verän-
derung der Hämoglobinkonzentration
gegenüber dem Ausgangswert. Für
das kardiovaskuläre Risiko unter der
Behandlung wurden u.a. die Daten
der vier Studien gepoolt und beurteilt
anhand eines kombinierten End-
punkts aus Tod (alle Todesursachen),
Schlaganfall, Myokardinfarkt oder
schweren unerwünschten Ereignissen
im Zusammenhang mit Herzinsuffi-
zienz, instabiler Angina oder Arrhyth-
mie. Es zeigte sich für den primären
Wirksamkeitsendpunkt eine Nicht-
Unterlegenheit von Peginesatid zu
den Erythropoetin-Analoga. Für den
kombinierten Sicherheitsendpunkt
waren insgesamt 1722 Patienten
unter Peginesatid und 869 der Ver-
gleichs-ESA auswertbar. Der kombi-
nierte Endpunkt trat bei 384 (22,3%)
Patienten auf, die Peginesatid und bei
188 (21,6%), die Vergleichs-ESA erhal-
ten hatten (Hazard Ratio [HR] 1,06,
95%-Konfidenzintervall [KI] 0,89–
1,26). Bei separater Betrachtung der
Patienten in EMERALD und PEARL
ergab sich bei Patienten unter Dialyse
ein vergleichbares kardiovaskuläres
Sicherheitsprofil für die beiden The-
rapien (HR 0,95, 95%-KI 0,77–1,17).
Für die Patienten, die nicht dialysiert
wurden, bestand jedoch unter Pegine-
satid ein erhöhtes kardiovaskuläres
Risiko (HR 1,32, 95%-KI 0,97–1,81).
Erhöhte Ereignisraten traten dabei in
drei Kategorien auf: Tod (8,8% unter
Peginesatid vs. 6,7% unter Darbepoe-
tin), instabile Angina (2,4% vs. 0,9%)
und Arhythmien (5,6% vs. 4,0%).
Fazit
Zur Aufrechterhaltung einer adäqua-
ten Hämoglobinkonzentration bei
Patienten mit renaler Anämie ist
Peginesatid ebenso wirksam wie Ery-
thropoetin-Analoga. Allerdings, so die
Autoren der PEARL-Studien, scheint
bei Patienten, die sich nicht einer
Hämodialyse unterziehen, unter Gabe
von Peginesatid ein erhöhtes kardio-
vaskuläres Risiko zu bestehen. Dessen
Ursache kann derzeit nicht erklärt
werden. In dieser Patientengruppe
müssten weitere Untersuchungen
zum Nutzen-Risiko-Verhältnis durch-
geführt werden.
Sponsoring: Die Studien wurden von
zwei Pharmafirmen finanziert.
Dr. med. Elke Ruchalla, Trossingen
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 767).
Alle Rechte vorbehalten.
Vor etwa einem Jahr wurde Peginesatid in den USA zur Behandlung
der renalen Anämie zugelassen. Es handelt sich dabei um eine
synthetische, nicht von Erythropoetin abgeleitete Erythropoese-
stimulierende Substanz (ESA), die im Gegensatz zu den Erythropoetin-
Analoga nur einmal pro Monat verabreicht werden muss. Die zulas-
sungsrelevanten Studien haben die Gleichwertigkeit von Peginesatid
mit Erythropoetin-Analoga im Hinblick auf die Behandlung der Anä-
mie gezeigt. Aktuelle Studien sollten die kardiovaskuläre Sicherheit
beurteilen. Zwei internationale Gruppen legen nun ihre Ergebnisse
vor.
N Engl J Med 2013; 368: 307-319 und 320-332
Nephrologie
Peginesatid bei Patienten
mit renaler Anämie?