Medizin
Nr. 6 • Juni 2013
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linium enhancement“ den Nachweis
von myokardialer Fibrose, die bei der
Abwägung einer primärprophylati-
schen ICD-Implantation zunehmend in
den Fokus rückt. Das Ausmaß und die
Verteilung des „late gadolinium enhan-
cement“ korreliert mit Markern des
plötzlichen Herztodes wie nicht anhal-
tenden ventrikulären Tachykardien.
Allerdings reicht die Studienlage der-
zeit noch nicht aus, die pathologische
MRT als binären Risikofaktor zu propa-
gieren.
Invasive Diagnostik (Herzkatheter-
untersuchung mit Myokardbiopsie)
In der Herzkatheteruntersuchung kann
eine obstruktive HCM durch direkte
intrakardiale Druckmessung objekti-
viert werden. Die Diagnose einer
begleitenden KHK hat wegen der
schlechteren Prognose unmittelbare
Konsequenzen. Die Myokardbiopsie
liefert zusätzliche diagnostische Infor-
mationen, insbesondere im Hinblick
auf Differentialdiagnosen wie z. B.
M. Fabry oder kardiale Amyloidose.
Genetische Testung und Beratung
Die genetische Testung ist ein wichti-
ges Werkzeug zur endgültigen Diagno-
se und ist zur Zeit am effektivsten in
der Identifikation betroffener Famili-
enmitglieder. In spezialisierten Labo-
ren können bei 60–70 % der Patienten
mit positiver Familienanamnese Muta-
tionen nachgewiesen werden, bei
Patienten mit unauffälliger Familien-
anamnese sind es nur 10–50 %. Bei
Angehörigen mit HCM-Mutation und
unbekanntem klinischen Status erfol-
gen eine körperliche Untersuchung,
ein EKG und eine Echokardiographie
mit anschließender Risikostratifizie-
rung. Auch klinisch unauffällige Ange-
hörige ersten Grades mit unbekanntem
genetischem Status sollten regelmäßig
(alle 2–5 Jahre) mittels EKG und Echo-
kardiographie nachverfolgt werden.
Genotyp-negative Familienangehörige
und ihre Nachkommen haben dagegen
kein Risiko und bedürfen keiner weite-
ren Diagnostik.
kurzgefasst
Eine konsequente, breit angeleg-
te initiale kardiale Diagnostik und
regelmäßige ambulante Kontroll-
Untersuchungen sind unabdingbar im
Management der Patienten mit HCM.
Therapie der hyper-
trophischen Kardiomyo-
pathien
Grundpfeiler der Therapie sind die
medikamentöse Therapie, die Septum-
reduzierenden Therapien sowie die
„Device“-Therapie.
Pharmakotherapie
Betablocker
Betablocker sind bei allen symptoma-
tischen Patienten (Angina pectoris/
Dyspnoe) indiziert. Sie sind vor allem
effektiv in der Kontrolle eines Belas-
tungs-induzierten Gradienten, zeigen
aber weniger Wirkung bei ausgepräg-
tem Ruhegradienten. Auch bei asymp-
tomatischen Patienten reduzieren Bet-
ablocker den LVOT-Gradienten [8]. Ob
eine Dauertherapie mit Betablockern
das Langzeitüberleben verbessert,
bleibt derzeit unklar.
Kalzium-Antagonisten
Die Non-Dihydropyridine (Verapamil,
Diltiazem) werden bei Betablocker-
Unverträglichkeit von symptomati-
schen Patienten mit HCM eingesetzt.
Vorsicht ist geboten bei ausgeprägtem
LVOT-Gradienten: Die periphere Vaso-
dilatation kann die negativ inotrope
Wirkung überwiegen, so dass der Gra-
dient zunimmt. Es gibt keine sichere
Evidenz, dass Verapamil die funktio-
nelle Kapazität verbessert. Auch eine
fortgeschrittene Herzinsuffizienz oder
Sinusbradykardie sprechen gegen den
Einsatz von Kalzium-Antagonisten.
Kalzium-Antagonisten vom Nifedipin-
Typ sollten bei Vorliegen einer (laten-
ten) Obstruktion nicht verwendet wer-
den.
Disopyramid
Bei therapierefraktären Symptomen
lässt sich als Kombinationstherapie das
negativ inotrope Antiarrhythmikum
Disopyramid ergänzen. Signifikante
Verlängerungen der QT-Zeit und anti-
cholinerge Nebenwirkungen können
die Langzeitverträglichkeit dieses vor
allem in den USA verbreiteten Konzep-
tes reduzieren.
Amiodaron
Entgegen früherer Annahmen ist
Amiodaron keine effektive Medikation
in der Prävention des plötzlichen Herz-
todes. Die Dauertherapie ist aufgrund
der bekannten Nebenwirkungen
zudem herausfordernd. Zurzeit ist
Amiodaron die wirksamste Medikation
für die Behandlung des Vorhofflim-
merns bei HCM-Patienten. Zudem fin-
det es Verwendung in der Behandlung
ventrikulärer Ektopien, um die Wahr-
scheinlichkeit inadäquater ICD-Entla-
dungen zu minimieren.
Vasodilatatoren/Diuretika
Kommt es zu sekundärer systolischer
Dysfunktion (3–10 % der Patienten im
Verlauf), ist analog den etablierten
Leitlinien der Herzinsuffizienz zu
behandeln. Die Therapie mit negativ
inotropen Pharmaka wie Verapamil,
Diltiazem oder Disopyramid ist zu re-
evaluieren und ggf. zu beenden.
Unabhängig von der Symptomatik sind
reine Vasodilatatoren und hoch dosier-
te Diuretika für Patienten mit Ruhe-
oder Belastungs-induzierten Gradien-
ten potenziell nachteilig. Auch ACE-
Hemmer/AT
1
-Antagonisten sind bei
erhaltener systolischer Funktion nicht
etabliert. Grundsätzlich könnte ein
relevanter Gradient verstärkt werden.
Umgekehrt gibt es tierexperimentelle
Befunde, die günstige Effekte auf das
Myokard nahelegen.
Ausblick
Die Entschlüsselung genetischer Hin-
tergründe und pathophysiologischer
Zusammenhänge auf molekularer
Ebene lassen neue Therapieoptionen
erwarten, die allerdings bisher nur in
präklinischen Modellen untersucht
wurden: Laufende klinische Studien
untersuchen N-Acetylcystein, Statine,
Perindopril/Indapamid, Ranolazin und
Ivabradin. Ein weiteres neues Thera-
peutikum ist Perhexilin, welches den
Energiestoffwechsel von Herzmuskel-
zellen moduliert: Hier zeigte sich eine
verbesserte diastolische Funktion und
Belastbarkeit [1].
kurzgefasst
Die pharmakologische Therapie
ist der Grundpfeiler der Therapie von
symptomatischen Verläufen und
basiert in erster Linie auf Betablockern,
in Ausnahmefällen Calcium-Antago-
nisten. Bei Vorhofflimmern kommt
einer Antikoagulation eine große
Bedeutung zu. Je nach Verlauf ist
zusätzlich die Indikation zur erweiter-
ten Therapie einer Herzinsuffizienz zu
prüfen.
Operative Myektomie und perkutane
transluminale septale Ablation mit
Ethanol
Vor der Einleitung einer invasiven The-
rapie sollte die konservative Therapie
ausgeschöpft werden. Treten weiterhin
Dyspnoe (NYHA III, IV), Angina pecto-
ris oder (Prä-)Synkopen auf und
besteht ein LVOT-Gradient in Ruhe
oder bei Belastung ≥ 50 mmHg assozi-
iert mit septaler Hypertrophie und
SAM der Mitralklappe besteht eine
Indikation zur invasiven Therapie.
Die operative Myektomie nach Mor-
row gilt als Goldstandard. Faktoren, die
einen chirurgisch-operativen Zugang
bevorzugen lassen sind:
▶ begleitende Herzerkrankungen, die
ebenfalls einer operativen Korrektur
bedürfen (aortokoronare Bypässe,
Herzklappenersatz),
▶ jüngeres Alter,
▶ exzessive Hypertrophie (≥ 30 mm)
sowie
▶ spezifische Pathologien der Mitral-
klappe und des Klappenapparates.
Die operative Myektomie ist in 90–
95 % erfolgreich. Typische postoperati-
ve Komplikationen sind: Kompletter
AV-Block 2 %, iatrogener Ventrikelsep-
tumdefekt < 1 %, Verletzung einer
Herzklappe < 1 %.
Als Alternative existiert die perkutane
Septumablation: transkoronare Ablati-
on der Septumhypertrophie (TASH),
perkutane transluminale septale
Myokardablation (PTSMA). In einer
Herzkatheteruntersuchung wird ein
septaler Perforator-Ast sondiert und
durch Injektion von Ethanol verödet –
dadurch kommt es zur Ischämie und
myokardialen Nekrose eines Teils des
Septums. Zielregion ist hierbei die sep-
tale Kontaktstelle der Mitralklappe
während des SAM. Durch Umbauvor-
gänge reduziert sich im Verlauf der
kommenden Monate der linksventri-
kuläre Gradient. Kontraindikationen
zur chirurgischen Therapie, hohes
Alter, Multimorbidität aber auch der
Patientenwunsch sind die ausschlagge-
benden Faktoren für das interventio-
nelle Vorgehen. Verglichen mit der chi-
rurgischen Myektomie erzielt TASH
eine vergleichbare Reduktion des
LVOT-Gradienten [14]. Die Mortalitäts-
raten zeigen keinen signifikanten
Unterschied zwischen TASH, Myekto-
mie und einer Vergleichspopulation
der Normalbevölkerung. Bei TASH-
Patienten kommt es häufiger zu einer
postprozeduralen Schrittmacherab-
hängigkeit (bis 20 %). Meta-Analysen
zeigen, dass kein Unterschied zwischen
Myektomie und TASH in Bezug auf die
mittelfristige Inzidenz von plötzlichem
Herztod oder Mortalität besteht, so
dass die Sorge der Schaffung eines
möglichen arrhythmogenen Substrates
wohl unbegründet ist [2]. Es ist zu
betonen, dass die Septum-reduktive
Therapie nichts an der Notwendigkeit
ändert, bei jedem Patienten eine Risi-
kostratifizierung im Hinblick auf den
plötzlichen Herztod vorzunehmen (s. u.).
kurzgefasst
Patienten mit refraktären Ver-
läufen einer konservativen Therapie
können den inzwischen etablierten,
Septum-reduzierenden Therapien mit
guten Erfolgschancen zugeführt wer-
den. Die Indikation zum interventio-
nellen oder operativen Vorgehen ist
anhand des Risikoprofils, Komorbiditä-
ten und Patientenwunsch zu stellen.
Prävention des plötzlichen Herztodes
Patienten mit HCM haben ein erhöhtes
Risiko am plötzlichen Herztod zu ster-
ben. Dieses Risiko beträgt rund 1% pro
Jahr. Der Nutzen der ICD-Implantation
zur Sekundärprophylaxe ist unbestrit-
ten, schwierig ist aber die Identifikati-
on von Patienten zur primärprophy-
laktischen Implantation eines ICD-Sys-
tems. Dieses gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass es sich häufig um
junge Patienten handelt und eine
lebenslange ICD-Therapie mit einer
signifikanten Morbidität und Mortali-
tät verbunden ist. So beträgt die Rate
an adäquaten ICD-Interventionen jähr-
lich 3,3 %, die der nicht-adäquaten liegt
mit 4,8 % höher. Komplikationen treten
mit einer jährlichen Rate von 3,4 % auf,
kumulativ bei 15 % der Patienten (Elek-
trodenfehlfunktion 7 %, Infektion 3 %,
Elektrodendislokation 3 %, psychologi-
sche Komplikationen 4 %) [11].
Zur Identifikation von Patienten mit
einem hohen Risiko für den plötzli-
chen Herztod gibt es etablierte Risiko-
faktoren (Tab. 1), von denen jeder ein-
zelne aber nur einen geringen positiv
prädiktiven Wert aufweist (10–20 %)
bei einem negativ-prädiktiven Wert
von 85–95 %. Auch die Zahl der Risiko-
faktoren korreliert nur schwach mit
der Rate an adäquaten ICD-Interven-
tionen. Dieses bedeutet, dass schon ein
einzelner Faktor genügen kann, eine
ICD-Implantation zu rechtfertigen. In
jedem Fall sollte aber die Entscheidung
individualisiert werden in Hinblick auf
Alter, Patientenpräferenz, Stärke des
Risikofaktors und die Morbidität und
Mortalität einer lebenslangen ICD-The-
rapie. Ein simples Aufrechnen der Risi-
kofaktoren als Punktescore ist aus
unserer Sicht nicht zielführend, auch
wenn die europäischen Leitlinien die
Implantation bei mehr als einem Risi-
kofaktor empfehlen. Entscheidet man
sich gegen eine ICD-Implantation sollte
alle 12-24 Monate eine Reevaluation
erfolgen. Eine routinemäßige elektro-
physiologische Untersuchung zur Risi-
kostratifizierung wird bei geringer
prognostischer Relevanz in den Leit-
linien nicht empfohlen.
Einige neuere Risiko-Faktoren bedür-
fen noch weiterer Evidenz, dienen aber
dennoch bereits dazu eine Diskussion
pro oder contra ICD weiter mit Argu-
menten zu untermauern:
▶ MRT mit „gadolinium late enhance-
ment“: „gadolinium late enhance-
ment“ gilt als Korrelat der myokar-
dialen Fibrose und Narbenbildung.
Der Nachweis und das Ausmaß von
„gadolinium late enhancement“ (bis
zu 60–70 % der Patienten) ist assozi-
iert mit ventrikulären Arrhythmien,
Herzinsuffizienz und indirekt auch
mit plötzlichem Herztod [3, 10].
▶ Einige Studien sehen einen linearen
Zusammenhang zwischen der Größe
des Ruhegradienten und dem Risiko
für plötzlichen Herztod. Ein großes
Problem ist seine hochdynamische
Natur mit großen tagesabhängigen
Schwankungen und damit fehlender
Vergleichbarkeit (intra- und inter-
individuell).
▶ Bei einigen wenigen HCM-Patienten
entwickelt sich ein apikales Aneu-
rysma (2 %) in Verbindung mit einer
schlechteren klinische Prognose.
Obwohl hier nur begrenzte Daten
aus Studien vorliegen, sollte diese
Entwicklung bei der Risikobeurtei-
lung des Patienten berücksichtigt
werden.
Tab.
ʃ
1
Risikofaktoren für den plötzlichen Herztod.
Hauptkriterien:
3
Generalisierte ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern,
überlebter plötzlicher Herztod, adäquate ICD-Intervention
3
Positive Familienanamnese für plötzlichen Herztod
Das jährliche Risiko beträgt 10͇%, dass ein erneutes Ereignis des plötzlichen
Herztods auftritt.
3
Synkope unklarer Genese
3
Nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie (nsVT)
Bedeutsamer bei jüngeren Patienten (<͂30. ͇LJ). Bei Belastungs-induzierten nsVT
unabhängig vom Alter. Keine systematische Analyse, die Dauer, Länge und
Häufigkeit einer nsVT in Zusammenhang mit SCD stellt.
3
LV-Wanddiameter
•
30͂mm
Linearer Zusammenhang zwischen Diameter und Risiko,
von größerer Bedeutung bei jüngeren Patienten.
3
Inadäquate Blutdruck-Antwort bei körperlicher Belastung
Eine Erhöhung des Blutdrucks über 20͂mmHg oder ein Abfall um 20͂mmHg.
Zusammenhang mit Belastungs-induzierter dynamischer Steigerung
des LVOT-Gradienten unklar.
Nebenkriterien
3
MRT mit Gadolinium late enhancement
3
Ruhegradienten
•
30͂mmHg
3
Apikales Aneurysma
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...28