Bluthusten stand über Jahrhunderte
als Synonym für eine offene Tuberku-
lose. Der „Blutsturz“ zeigte die Gefäß-
arrosion einer Kaverne an und verlief
tödlich. In vielen Teilen der Welt ist
die Tuberkulose weiterhin der Haupt-
grund für Hämoptysen, wohingegen
in den industrialisierten Nationen mit
Rückgang der Tuberkuloseprävalenz
in den letzten Jahrzehnten häufig ein
Bronchialkarzinom zu Grunde liegt.
Neben Neoplasien gehören pulmonale
Infektionserkrankungen, vielfach auch
in Zusammenhang mit der Einnahme
gerinnungswirksamer Medikamente,
zu den häufigsten Ursachen. Eine
Sonderform ist die iatrogen ausgelös-
te Blutung im Rahmen einer Broncho-
skopie durch transbronchiale- oder
Tumorbiopsie (Tab. 2).
Klinisches Vorgehen vor
der Bronchoskopie
Hustet ein Patient reines Blut ab, soll-
te er in jedem Fall unverzüglich sta-
tionär eingewiesen werden. Er sollte
ab sofort nicht mehr essen oder trin-
ken, damit gegebenenfalls eine Bron-
choskopie oder gar Operation durch-
geführt werden kann. Während des
Transportes zur Klinik sollte ihm ein
intravenöser Zugang gelegt und über
eine Nasensonde Sauerstoff appliziert
werden. In der Notaufnahme gilt es -
je nach klinischem Zustand und der
Sauerstoffsättigung des Patienten -
zunächst orientierend Dauer, Menge
der Hämoptoe und begleitende Symp-
tome wie beispielsweise Fieber, ver-
färbtes Sputum, Luftnot oder
Gewichtsverlust abzufragen, um Ursa-
che und Bedrohlichkeit einzuschät-
zen. Aus der Anamnese erhält man
Hinweise auf mögliche extrapulmo-
nale Ursachen des Bluthustens;
Anamnese und Inspektion des expek-
torierten Blutes ermöglichen ferner
die Entscheidung, ob das Blut wirklich
aus der Lunge (hellrot, manchmal
schaumig, alkalisch) oder aus dem
Gastrointestinaltrakt (eher dunkel,
evtl. mit Speiseresten vermischt,
sauer) stammt. Die Inspektion des
Oropharynx lässt Blutungen aus dem
Nasenrachenraum erkennen.
Im Zweifelsfall sollte erst bronchosko-
piert und dann gastroskopiert wer-
den. Die Gabe von Sauerstoff ist die
wichtigste Notfallmaßnahme, da die
Patienten hauptsächlich durch die
Einschränkung des Gasaustauschs
bedroht sind. Haben sich größere
Koagel in den Bronchien gebildet kann
der Patient sie nur noch schwer
abhusten, es droht eine Asphyxie.
Sofern möglich, sollte vor der endo-
skopischen Abklärung eine Bildge-
bung des Thorax angestrebt werden.
Falls es der klinische Zustand des
Patienten und die Verfügbarkeit
erlauben, ist eine CT des Thorax zu
bevorzugen. Bei der Planung des
bronchoskopischen Vorgehens ist die
eigene Erfahrung im Umgang mit
Hämoptoe und den eventuell erfor-
derlichen therapeutischen Schritten
in Betracht zu ziehen. Sind die eige-
nen Möglichkeiten und/ oder die
Erfahrung begrenzt, sollte frühzeitig
die Verlegung in ein entsprechendes
Zentrum mit der Möglichkeit einer
starren Narkosebronchoskopie und
intensivmedizinischer Versorgung
angestrebt werden, um die therapeu-
tische Intervention nicht zu verzö-
gern.
Der Patient sollte analog des Vorge-
hens bei akuter gastrointestinaler
Blutung einen großlumigen venösen
Zugang erhalten. Therapieziel und
Vorgehen unterscheiden sich aber
grundsätzlich von dem bei Blutungen
aus dem Magen-Darm-Trakt. Das blu-
tende Ulcus ventriculi führt im
schweren Fall zum hämorrhagischen
Schock. Bei einer Lungenblutung
kommt es in erster Linie zur Blockade
der Atemwege durch flüssiges Blut
und Koagel zunächst im primär befal-
lenen, dann im Bereich der übrigen
Lunge und damit zur respiratorischen
Insuffizienz. Das primäre Ziel ist
immer die Sicherung des Gasaustau-
sches, und die Dringlichkeit definiert
sich wesentlich über den respiratori-
schen Status und nicht nur über die
abgehustete Blutmenge. Bei schwerer
Hämoptoe sollten allerdings Volu-
mensubstitution und Erythrozyten-
konzentrat-Transfusion durchgeführt
werden. Eine beeinträchtigte Blutge-
rinnung sollte in jedem Fall korrigiert
werden. Bei einer Plättchenaggregati-
onshemmung ist dies allerdings
schwierig. Neben der Applikation von
Sauerstoff ist die Lagerung des Patien-
ten auf die betroffene Seite sinnvoll
(Blut folgt der Schwerkraft) [8, 11].
Eine ergänzende vorsichtige medika-
mentöse Unterdrückung des Husten-
reizes kann hilfreich sein. Allerdings
sollte hierbei berücksichtigt werden,
dass gerade ein funktionierender
Hustenreflex und dadurch das Abhus-
ten von Koageln lebensrettend sein
können.
kurzgefasst
Insbesondere bei schweren Blu-
tungen sind die Patienten hauptsäch-
lich durch die Störung des Gasaus-
tauschs bedroht. Die erste Notfall-
maßnahme sollte deshalb die Sauer-
stoffgabe sein. Die Anamnese ist häu-
fig wegweisend hinsichtlich der Blu-
tungsursache. Eine Computertomo-
grafie des Thorax sollte vor der zwin-
gend notwendigen bronchoskopi-
schen Diagnostik erfolgen, sofern die
klinische Situation es zulässt.
Bronchoskopische
Diagnostik
Die Bronchoskopie ist das zentrale
diagnostische Verfahren bei Hämop-
toe [2, 4]. Da die Blutungsquelle kli-
nisch nicht immer zweifelsfrei
bestimmt werden kann, dient die
Bronchoskopie auch dazu, die Lunge
als Ursprung der Blutung zu beweisen
und eine Blutung aus dem HNO-
Bereich auszuschließen. Ferner lässt
sich damit die Blutungsaktivität
bestimmen. Eine noch aktive Blutung
z. B. aus einem Tumor zwingt zur
Dringlichkeit und macht eine weiter-
gehende Ressourcenplanung (Allge-
meinanästhesie, Intensivkapazität
etc.) notwendig. Für das endobron-
chiale Vorgehen ist entscheidend, ob
es sich um eine zentrale (Läsion im
einsehbaren Bereich) oder eine peri-
phere Blutung (Läsion jenseits der
dritten Bronchialgeneration) handelt.
Ist die Blutungsquelle wie beispiels-
weise eine Schleimhautmetastase
endoskopisch sichtbar, kann die Blu-
tung mit bronchoskopisch interven-
tionellen Mitteln zum Stillstand
gebracht werden. Einer zentralen Blu-
tung liegt fast immer ein Tumor
zugrunde. Sicherer ist es, die notwen-
dige Biopsie und Blutstillung mit
einer starren Bronchoskopie vorzu-
nehmen. In jedem Fall sollte man die
Möglichkeit haben, bei Zunahme
einer Blutung von einer flexiblen zu
einer starren Bronchoskopie zu wech-
seln [1]. Die Blutungskapazität z. B.
eines Karzinoids oder einer Metastase
von Nieren- oder Kolonkarzinomen
darf nicht unterschätzt werden. Selbst
nach einer kleinen Biopsie kann es zu
schweren, hartnäckigen Blutungen
kommen. Bronchialsekret zur Unter-
suchung auf spezifische und unspezi-
fische Erreger sowie zur Zytologie
sollte in jedem Fall entnommen wer-
den. Eine Zangenbiopsie hat natürlich
eine höhere diagnostische Ausbeute,
aber auch ein klar höheres Risiko.
Verschließt ein Koagel den zuführen-
den Bronchus, sodass die Blutung
steht, kann eine periphere Biopsie,
die diagnostisch sicher sinnvoll ist,
erst recht zu einer starken Blutung
führen. Blutet es spontan mit relevan-
ter Menge aus der Peripherie ist eine
therapeutische Bronchusblockade
notwendig. Hier sollte man sich auf
das Abnehmen von Sekret oder Spül-
flüssigkeit beschränken.
Viele Krankheiten, die einer Blutung
zugrundeliegen, betreffen beide Lun-
genflügel. Daher ist hinsichtlich einer
potenziellen definitiven Therapie eine
möglichst genaue Bestimmung der
Blutungsquelle notwendig. Zur Pla-
nung der palliativen Resektion eines
bipulmonal metastasierten Tumors
oder der interventionell-radiologi-
schen Therapie einer Blutung aus
Bronchiektasen ist eine Identifizie-
rung des betroffenen Segmentes
erforderlich. Bronchoskopisch gelingt
dies in der Mehrzahl der Fälle [5].
Hierzu müssen die Bronchien durch
Anspülen und Absaugen von Blutres-
ten befreit werden, um den blutenden
Segmentbronchus zu bestimmen. Zu
berücksichtigen ist aber, dass insbe-
sondere bei Gerinnungsstörungen
auch mehrere Blutungsquellen vorlie-
gen können.
Das Blut bei Hämoptoe ist in der Regel
hellrot (Abb. 1), da es in den weitaus
meisten Fällen aus den Bronchialarte-
rien stammt [6]. Es verfärbt sich aller-
dings bei zunehmender Gerinnung, so
dass auch dunkle Blutspuren und
Koagel intrabronchial vorgefunden
werden können. Insofern gibt die
Bronchoskopie auch Anhalt über den
zeitlichen Verlauf der Blutung.
kurzgefasst
Zur Identifikation von Blu-
tungsursache und -quelle und zur
Festlegung der weiteren Therapie ist
eine Bronchoskopie, möglichst in star-
rer Technik, unabdingbar. Diese klärt
auch, ob eine zentrale oder periphere
Blutung vorliegt.
Bronchoskopische
Therapie
Grundsätzliches
Neben der diagnostischen Sicherung
der Blutungsquelle hat die Broncho-
skopie mit der zunehmenden Ent-
wicklung der interventionellen Bron-
chologie auch einen wesentlichen
Stellenwert in der Therapie der
Hämoptoe. Die Auswahl therapeuti-
scher Verfahren ist abhängig von den
lokal verfügbaren Ressourcen. Nicht
selten wird die abgehustete Blutmen-
ge vom Patienten selbst unterschätzt
oder bewusst heruntergespielt und
die Bronchoskopie offenbart trotz
klinisch mäßiger Hämoptoe einen
bedrohlichen Befund. Daher sollten
der bronchoskopierende Arzt und das
therapeutische Team auf die wesentli-
chen interventionellen Verfahren
zugreifen und sie beherrschen kön-
nen. Liegt eine respiratorische Insuffi-
zienz vor, beträgt die Blutmenge mehr
als eine Wasserglas oder legen die
Vorbefunde die Notwendigkeit einer
Intervention nahe, so sollte eine star-
re Bronchoskopie erfolgen, denn nur
durch ein großlumiges Rohr können
sehr große Koagel entfernt werden,
Tamponaden gesetzt und alle Koagu-
lationsinstrumente eingesetzt wer-
den. Ist eine starre Bronchoskopie in
der Klinik nicht möglich, so hilft die
flexible Bronchoskopie über einen
Tubus. Nach rascher Identifizierung
der blutenden Lunge und gegebenen-
falls Ansaugen und Herausziehen von
Koageln kann man den Tubus in den
kontralateralen Hauptbronchus schie-
ben und zumindest mit Sauerstoffbe-
atmung die Oxygenierung der nicht-
befallenen Lunge sichern. Hierzu soll-
te ein möglichst großlumiger Tubus
(Innendurchmesser mindestens
8,5 mm) verwendet werden [3]. Nur
der Geübte sollte einen Doppellumen-
tubus verwenden, da eine erschwerte
Platzierung das Outcome verschlech-
tert [7]. Zu berücksichtigen ist aller-
dings, dass eine bronchoskopische
Intervention bei liegendem Doppel-
lumentubus nicht mehr möglich ist.
Während der Bronchoskopie ist der
gezielte Einsatz der Saugfunktion des
Bronchoskopes von entscheidender
Bedeutung. Das Endoskop mit größt-
möglichem Arbeitskanal sollte
benutzt werden. Die Atemwege verle-
Medizin
Nr. 5 • Mai 2013
12
Hämoptoe – diagnostische
und therapeutische Ziele
Aktuelle Diagnostik & Therapie
Bluthusten – kaum ein Symptom wirkt auf den Betroffenen derart bedrohlich und beängstigend. Wäh-
rend die Symptome vieler internistischer Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Adynamie
lange von Patienten ignoriert werden und ein eigentlich notwendiger Arztbesuch unterbleibt, gibt es
kaum jemanden, der sich nicht beim Auftreten einer Hämoptoe sofort untersuchen lässt. Es gab bereits
viele Versuche der Abgrenzung Hämoptoe – Hämoptyse, wobei sich bisher keine Graduierung hat durch-
setzen können (Tab. 1).
Abb. 1
Die endobronchiale
Blutung entstammt in den
meisten Fällen den Bronchia-
larterien und ist daher oxy-
geniert. Eine Hämoptoe
beeinträchtigt den Gasaus-
tausch häufig erheblich und
bedarf der raschen interven-
tionellen Bronchoskopie.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...28