Berufspolitik
Nr. 5 • Mai 2013
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Im Bundestagswahlkampf der
SPD wird, wie aus ihrem kürzlich
vorgelegten Programm hervor-
geht, innenpolitisch die Sozialpo-
litik eine zentrale Rolle spielen.
Die SPD will die Systeme der
Sozialversicherungen neu ordnen
und unter dem Gesichtspunkt der
Verteilungsgerechtigkeit verein-
heitlichen. So soll ein neues
„soziales Gleichgewicht“ entste-
hen.
In einer Bürgerversicherung nach
SPD-Modell werden GKV und
PKV gleichgeschaltet. Alle Kassen
bekommen einen einheitlichen
und solidarischen Wettbewerbs-
rahmen, wobei die Kassen ihre
Beitragsautonomie zurück erhal-
ten und Zusatzbeiträge abge-
schafft werden. Für alle Neuversi-
cherten ist die Bürgerversiche-
rung Pflicht. Die bisherigen PKV-
Versicherten dürfen sich innerhalb
eines Jahres entscheiden, ob sie in die
GKV wechseln wollen. Die PKV hat
damit keine Zukunft mehr, wird also
de facto abgeschafft.
Die Versorgung soll primärärztlich
ausgerichtet und „die integrierte Ver-
sorgung zwischen haus-, fach- und
spezialfachärztlicher Versorgung“
ausgebaut werden. Als Maß aller
Dinge des dann gleichgeschalteten
Leistungskatalogs wird weiterhin das
„Ausreichende, Zweckmäßige und
Wirtschaftliche“ bestimmt. Für Leis-
tungen außerhalb dieses Systems,
auch Innovationen oder Igel-Leistun-
gen, wird kein Platz mehr sein.
Mit diesem SPD-Konzept einer Bür-
gerversicherung ist eine komplette
Neuordnung der ambulanten und
stationären Krankenversorgung ver-
bunden. Es beinhaltet eine Finanzie-
rungs- und eine Versorgungsreform.
Der Staat wird durch die vorgesehene
stetig ansteigende Steuerfinanzierung
allmächtig. Für Subsidiarität ist kein
Platz mehr vorhanden.
Eine Wahlfreiheit für freie Bürger ist
nicht vorgesehen. Es gibt keine Diffe-
renzierung zwischen Grund- und
Wahlleistungen, keine Zusatztarife,
keine Vielfalt im Angebot. Der Staat
bestimmt und weiß am besten, was
für seine Bürger gut ist! Die „soziale
Verteilungsgerechtigkeit von Sozial-
leistungen“, ein an ideologischen
Prinzipien orientierter Begriff, ist
oberstes und einziges Prinzip.
Da medizinische Leistungen ein
knappes Gut und die Nachfrage ange-
sichts Demografie und medizini-
schem Fortschritt rapide zunehmend
sind, ist mit diesem Modell eine
Schattenwirtschaft vorprogrammiert
Präsident
Dr. med. Wolfgang Wesiack,
Hamburg
und eine Mehrklassenmedizin
implementiert. Eine Staatsmedizin
nach – immer knapper - Kassen-
lage des Staates, die überdies auch
noch von staatlichen Gesundheits-
konzernen gelenkt sein wird, führt
an den Bedürfnissen von Versicher-
ten und Patienten vorbei. Diese von
der SPD geplante Bürgerversiche-
rung ist ein nach rückwärts gerich-
tetes, ideologisch verfestigtes und
sozialromantisch verbrämtes Kon-
zept. Da sind sogar die Grünen
Editorial
weiter, wie die Papiere der Hein-
rich-Böll-Stiftung zeigen. Aller-
dings ist zu befürchten, dass bei
jeder zukünftigen Regierungsbil-
dung die Gesundheitspolitik nur
geringgewichtete Masse in Koaliti-
onsverhandlungen sein wird, die
einer wie immer gearteten Koaliti-
onsarithmetik beliebig angepasst
werden wird.
Der Berufsverband Deutscher
Internisten, Ihr BDI e.V., wird bei
allen politischen Parteien unsere
gesundheitspolitischen Vorstellun-
gen vortragen und darlegen, dass
Gesundheitspolitik für unsere Bür-
gerinnen und Bürger alleroberste
Priorität besitzt.
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
Der
Berufsverband Deutscher Internisten e. V.
verleiht
Prof. Dr. med. Reinhard Büchsel
als Zeichen der Würdigung seiner hervorragenden Verdienste die nach seinem
ersten Präsidenten benannte
GÜNTHER - BUDELMANN - MEDAILLE
Der Berufsverband Deutscher Internisten e. V. verleiht Professor Reinhard Büchsel die Günther-Budel-
mann-Medaillle für seine außerordentlichen Verdienste für die Innere Medizin, speziell im Bereich der
Darmkrebsversorgung, sowie für seinen aktiven und herausragenden Einsatz für die internistische Fort-
und Weiterbildung.
Professor Büchsel studierte an der Albrecht-Ludwigs-
Universität Freiburg i.Br. und an der Christian-
Albrechts-Universität Kiel. Sein Weg als junger Arzt
führte ihn von Freiburg nach Aachen an die Rheinisch-
Westfälische Technische Hochschule, wo er als Ober-
arzt arbeitete. Seine Habilitation erfolgte im Jahr
1986, zum außerplanmäßigen Professor wurde Rein-
hard Büchsel 1991 ernannt. Seit 1991 ist er Chefarzt
der Medizinischen Klinik I des DRK-Klinikums Westend
in Berlin, wo er zusammen mit Kollegen ein interdis-
ziplinäres Darmkrebszentrum aufgebaut hat und bis
heute leitet.
Reinhard Büchsel vermittelt seit 1992 aktiv als Referent bei BDI-Kongressen internistisches Wissen und
Wissenschaft. Er leitet bis heute zahlreiche BDI-Kongresse und Intensivkurse und führte 2002 den „Inten-
sivkurs Innere Medizin“ ein. Dieses Konzept vermittelt prägnant alle Neuigkeiten in der Inneren Medizin
und dient als optimale Prüfungsvorbereitung unserer jungen Mitglieder auf die Facharztprüfung. Bis heute
entwickelte sich dieses Kursangebot zu einer der erfolgreichsten Fortbildungsveranstaltungen des BDI.
Prof. Reinhard Büchsel hat sich um die deutschen Internisten und die Innere Medizin verdient gemacht.
DER PRÄSIDENT
Wiesbaden, 6. April 2013
Prof. Dr. Eberhard Wille hielt bei der Delegierten-
versammlung einen Vortrag zum Thema: „Bür-
gerversicherung: Mögliche Struktur und Hono-
rierung der Ärzteschaft“.
Der BDI beim Internisten-Kongress in Wiesbaden
(Fortsetzung von Seite 1)
Gute Zukunftsaussichten
Die Befürworter der Bürgerversiche-
rung kritisieren vor allem Verteilungs-
probleme der GKV. Die Beitragsbe-
messungsgrundlage diskriminiere die
Löhne und Renten. Die beitragsfreie
Mitversicherung der Ehegatten sei
teilweise nicht gerechtfertigt. Es
komme zu einer intransparenten
Umverteilung als Folge sich über-
schneidender Kriterien wie Morbidi-
tät, Lohn bzw. Rente, Familienstand
etc. Die Pflichtversicherungskriterien
grenzten die Solidargemeinschaft will-
kürlich ab. GKV-Pflichtversicherte
haben keine Wahlfreiheit, privat versi-
cherte Beamte auch nicht. Es findet
eine Selektion zuungunsten der GKV
statt. Für privat und gesetzlich Versi-
cherte bestehen unterschiedliche
Wartezeiten. Die Dualität des Versi-
cherungssystems behindert laut Wille
einen effektiven Wettbewerb.
Aber auch die PKV hat ihre Probleme,
betonte er, teilweise durch die Politik
verursacht, teilweise hausgemacht. So
ist die Portabilität der Altersrückstel-
lungen eingeschränkt. Die Billigtarife
sind teilweise riskant kalkuliert, an
Vermittler werden astronomische
Zahlungen geleistet, und es gibt so gut
wie keine Möglichkeiten zur Leis-
tungssteuerung.
Bei den Möglichkeiten einer Reform
der geltenden Beitragsgestaltung wer-
den zahlreiche Varianten diskutiert.
Zu den politischen Optionen im
Verhältnis zwischen GKV und PKV
gehört die generelle Einführung einer
Bürgerversicherung mit vollständiger
Abschaffung der PKV, eine andere
Variante will nur die Beamten und
Selbstständigen in der PKV lassen, alle
anderen sollen in die GKV, ein drittes
Modell sieht ein Bleiberecht für PKV-
Versicherte vor, aber erlaubt keinen
Neuzugang mehr. Eine weitere Varian-
te will das Bleiberecht für PKV-Versi-
cherte; Beamte und Selbstständige
sollen ganz in die PKV, Angestellte
ganz in die GKV.
Bei einer Analyse der Modelle kommt
Wille zu der Aussage, dass die ersten
beiden Modelle aus verfassungsrecht-
lichen Gründen nicht in Frage kom-
men. Ein totaler Wegfall der PKV wie
im ersten Modell würde für die Ärzte
bedeuten, dass es keine GOÄ mehr
gäbe, sondern nur noch den EBM. Die
dadurch entstehenden Einnahmever-
luste der Ärzte müssten irgendwie
kompensiert werden. Beim zweiten
Modell würden die Ärzte die Hälfte
ihrer Privatpatienten verlieren. Aber
auch das dritte Modell wäre nach
Ansicht führender Verfassungsrechtler
verfassungswidrig.
Wille hält die Variante für realistisch,
die ein Anheben der Pflichtversiche-
rungsgrenze sowie eine dreijährige
1 3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,...28