Medizin
Nr. 5 • Mai 2013
11
▶ TSHom
▶ resistance to thyroid hormone
(RTH)
TSH-sezernierende Hypophysenade-
nome sind ausgesprochen seltene
Erkrankungen. Der Anteil an den
Hypophysenadenomen wird auf unter
2 % geschätzt. Die Inzidenz liegt bei
1:1 Million [3]. Zur Inzidenz der
Erkrankung in der Schwangerschaft
finden sich keine Literaturangaben.
Das Manifestationsalter wird zwi-
schen 8-84 Jahren angegeben [3, 7,
10].
Eine MRT der Hypophyse zur Diagno-
sesicherung wurde diskutiert. Wegen
der Schwangerschaft und fehlender
Hirndrucksymptomatik wurde aber
darauf verzichtet und geplant, diese
Untersuchung nach der Geburt des
Kindes vorzunehmen. Grundsätzlich
sind nach dem I. Trimenon MRT-
Untersuchungen auch in der Schwan-
gerschaft möglich. Kontrastmittel zur
besseren Darstellung können bei
strenger Indikationsstellung ebenfalls
angewandt werden. Für gadolinium-
haltige Kontrastmittel sind bisher
keine teratogenen Nebenwirkungen
bekannt. Iodhaltige Kontrastmittel
sind plazentagängig und könnten bei
Neugeborenen passager eine Hypo-
thyreose hervorrufen. In der Stillperi-
ode können beide Kontrastmittel ein-
gesetzt werden, denn die Konzentrati-
on wurde < 1 % in der Muttermilch
nachgewiesen [11].
Die veranlasste Perimetrie wies keine
Gesichtsfeldeinschränkung nach, so
dass davon ausgegangen werden
konnte, dass das zu vermutende
Hypophysenadenom das Chiasma
opticum nicht tangierte.
Eine maternale Hyperthyreose ist
auch in der Schwangerschaft eine
klare Behandlungsindikation [12].
Anzustreben ist immer die geringste
wirksame Dosis [2].
Propylthiouracil
(PTU) ist Mittel der
1. Wahl. Die Dosis sollte zwischen 50
bis 200 mg/Tag liegen. Unter Therapie
sollte das fT4 im oberen Normbereich
sein, Laborkontrollen werden je nach
Erfordernis alle (2)-4 Wochen durch-
geführt. PTU ist hepatotoxisch, sodass
eine regelmäßige Kontrolle der Leber-
enzymwerte erfolgen muss [8].
Thiamazol
ist Mittel der 2. Wahl. Die
Dosierung sollte zwischen 5 bis 20
mg/Tag betragen. Im I. Trimenon ist
Thiamazol embryotoxisch. Etwa 1:100
bis 1:1000 exponierte Kinder sind
betroffen. Verschiedene Fehlbildungen
wurden in etwa 200 Fällen publiziert
(u. a. Choanalatresie, tracheo-ösopha-
geale Fisteln, Aplasia cutis, hypoplas-
tische Brustwarzen mentale Retardie-
rung). Der Zusammenhang zur Sub-
stanz ist aber unklar. Im II./III. Trime-
non ist die Anwendung von Thiama-
zol möglich [9]
Im Einzelfall können
Betablocker
(Propanolol; 20-40 mg alle 6-8 h) zur
Hemmung der Konversion von T4 zu
T3 gegeben werden.
Thyroidektomie und Radioiodtherapie
sind weitere Therapieoptionen bei
schwer zu therapierenden Hyperthy-
reosen, die aber in diesem Fall keine
Relevanz hatten. Die Supplementation
von Iodid ist bei manifester Hyperthy-
reose kontraindiziert und wurde
beendet.
Durch die thyreostatische Therapie
wurden maternale Komplikationen
vermieden, insbesondere resultierte
keine Frühgeburt. Die initiale Hypo-
thyreose des Neugeborenen ist als
Nebenwirkung der Therapie zu inter-
pretieren. Dafür spricht die spontane
Normalisierung beim Neugeborenen
post partum. Die Therapiekontrolle
erfolgte durch regelmäßige klinische
Visite und Laborkontrollen (Abb. 1).
Während der Schwangerschaft konnte
keine exakte Differenzierung in
TSHom und RTH erfolgen. Wie ausge-
führt sind Patienten mit RTH in der
Regel euthyroit, bedürfen also keiner
Therapie. Wenn der Fet die gleiche
TSH-Rezeptormutation wie die Mut-
ter aufweist, wird er durch den
maternalen Schilddrüsenhormonex-
zess gefährdet. Das Risiko für Abort
und intrauterine Wachstumsverzöge-
rung ist erhöht und somit profitiert
der Fet indirekt von der Therapie der
Mutter [1, 16]. In diesem Fall wurde
das TSHom erst post partum bildge-
bend nachgewiesen.
Bei Nachweis in der Schwangerschaft
wären weiterhin eine medikamentöse
Therapie mittels Dopaminagonisten
oder Octreotid und eine chirurgische
Therapie mittels transsphenoidaler
Resektion zu diskutieren gewesen
[4–6]. Allerdings existieren zu dieser
Frage nur Einzelfallpublikationen und
keine systematischen Studien.
Nach Darstellung des Hypophysena-
denoms post partum wurde prompt
mit einer Somatostatinanalogathera-
pie begonnen, die sich als rasch wirk-
sam erwies. Deshalb wurde auf eine
Octreotid-Szintigrafie verzichtet.
Wegen der fetalen Risiken sind eng-
maschige Kardiotokogrammkontrol-
len und sonografische/dopplersono-
grafische Kontrollen des Feten not-
wendig und erfolgt. Das TSHom stellt
keine Indikation für eine primäre
Schnittentbindung dar.
Stillen
unter laufender Thyreostatika-
Therapie ist möglich. Die Propylthio-
uracil-Dosis sollte 150 mg/Tag nicht
überschreiten [13]. Seitens der ATA
(American Thyroid Association) wird
in der Stillperiode Thiamazol in einer
Maximaldosis von 20-30 mg/Tag als
Thyreostatikum der 1. Wahl favori-
siert [15].
Nach Abschluss der Stillperiode
wurde die Patientin einer kompletten
Hypophysendiagnostik unterzogen.
Störungen der somatotropen, cortico-
tropen und gonadotropen Achse wur-
den nicht nachgewiesen. Von einer
neurochirurgischen Operation möchte
die Patientin aktuell Abstand nehmen,
um eine 2. Schwangerschaft nicht
durch eine operationsbedingte Hypo-
physenfunktionsstörung zu gefährden
Hierzu ist kritisch anzumerken, dass
bei unbehandelter maternaler Hyper-
thyreose in der Schwangerschaft
maternale und fetale Komplikationen
möglich sind (Tab. 1). Diese Aspekte
wurden intensiv mit der Patientin
diskutiert.
Konsequenz für Klinik und Praxis
▶ Bei Schwangeren mit Hypertonie ist
differenzialdiagnostisch eine Hyper-
thyreose auszuschließen (Bestim-
mung von fT3, fT4, TSH, TRAK,
TPO).
▶ Als seltene Ursachen einer Hyper-
thyreose müssen TSHom und
„resistance to thyroid hormone“ in
Betracht gezogen werden, wenn
TRAK und TPO negativ sind. Diag-
nostik und Therapie sind entspre-
chend der klinischen Symptomatik
individuell festzulegen. Studien zu
dieser Fragestellung fehlen.
▶ Die definitive weitere Diagnostik
und Therapie ist nach Abschluss der
Stillperiode erforderlich.
Autorenerklärung: Die Autoren erklä-
ren, dass sie keine finanzielle Verbin-
dung mit einer Firma haben, deren
Produkt in diesem Beitrag eine Rolle
spielt (oder mit einer Firma, die ein
Konkurrenzprodukt vertreibt).
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M. Bolz 1 , S. Körber 1 , H.-C. Schober 2
1 Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am
Klinikum Südstadt Rostock
2 Klinik für Innere Medizin I am Klinikum
Südstadt Rostock
Korrespondenz
Dr. Michael Bolz
Universitätsfrauenklinik und Poliklinik
am Klinikum Südstadt Rostock
Südring 81
18059 Rostock
Telefon: 0381 / 4401 8454
Fax: 0381 / 4401 4599
eMail: michael.bolz@kliniksued-
rostock.de
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2013; 138:362–
366). Alle Rechte vorbehalten.
Abb. 4
MRT Kopf mit Kontrastmittel cc 3. Tag p. p. Pfeil: Hypophysenadenom.
Abb. 3
MRT Kopf mit Kontrastmittel seitlich 3. Tag p. p. Pfeil: Hypophysenadenom.