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Nr. 2 • Februar 2014
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Berufspolitik
Was bei der Erbringung von ärztli-
chen Leistungen im Zusammenhang
mit Gesundheitsuntersuchungen im
Bereich der gesetzlichen Krankenver-
sicherung (GKV) für rund 92 Prozent
der Bevölkerung gilt, ist uneinge-
schränkt auch Richtschnur für prä-
ventivmedizinische Leistungen und
Gesundheitsuntersuchungen im Pri-
vatbehandlungssektor. Denn Privat-
versicherte und Beihilfeberechtigte
haben grundsätzlich denselben
Anspruch auf die Inanspruchnahme
von Gesundheitsuntersuchungen wie
gesetzlich Versicherte. In der Regel
beziehen sich die Versicherungsbe-
dingungen der PKV-Unternehmen
und die Beihilferichtlinien bei Leis-
tungen zur Prävention, bei Früherken-
nungsuntersuchungen und allgemei-
nen Gesundheitsuntersuchungen auf
die Früherkennungsrichtlinien des
G-BA als untergesetzlicher Normen-
geber im Bereich der GKV. Für die
Erstattung oder die Kostenübernahme
durch die Kostenträger bei Privatbe-
handlung gelten deshalb die gleichen
Altersgrenzen und Zeitintervalle wie
bei gesetzlich Versicherten.
GOÄ-Abrechnungsnummer 29:
Zentrale Bedeutung
Maßgeblich für die Privatliquidation
solcher Untersuchungen ist GO-Nr. 29
der Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄ): „Gesundheitsuntersuchung
zur Früherkennung von Krankheiten
bei einem Erwachsenen – einschließ-
lich Untersuchung zur Erhebung des
vollständigen Status (Ganzkörpersta-
tus), Erörterung des individuellen
Risikoprofils und verhaltensmedizi-
nisch orientierter Beratung. Neben
GO-Nr. 29 sind die GO-Nr. 1, 3, 5, 6, 7
und/oder 8 nicht berechnungsfähig“
(Ausschluss-GO). Abrechnungsexper-
ten raten daher: Bei privat versicher-
ten Patienten, die das 36. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, oder bei
erneuter Erbringung einer präventiv-
medizinischen Leistung nach weniger
als zwei Jahren sollte in der Angabe
der Diagnose die Bezeichnung
„Gesundheitsuntersuchung“ nicht in
der Liquidation aufgeführt und des-
halb auch nicht nach GO-Nr. 29 GOÄ
abgerechnet werden.
Um eventuelle Kostenübernahme-
beziehungsweise Erstattungsausei-
nandersetzungen des Versicherten
mit der PKV/Beihilfe zu vermeiden,
sollte der Arzt darauf achten, ob prä-
ventivmedizinische Leistungen
zusätzlich oder außerhalb des
Umfangs der GKV-Richtlinien des
G-BA durch entsprechende (Ver-
dachts-)Diagnosen begründet sind.
In der Praxis ergeben sich oftmals
Möglichkeiten, erhobene Diagnosen
oder zumindest begründete Ver-
dachtsfälle in die Diagnoseangabe mit
aufzunehmen (beispielsweise „unkla-
re Erschöpfungszustände“, „vegetative
Dystonie“, „Nachtschweiß“ oder
„intermittierende Belastungsdyspno-
en“). Statt der GO-Nr. 29 GOÄ werden
dann die notwendigen und erbrach-
ten Einzelleistungen privat liquidiert.
Dies ist dann lückenlos in der Patien-
tenakte und in der Arztrechnung
exakt zu dokumentieren. Hält der
Arzt neben den vom Patienten gefor-
derten Gesundheitsuntersuchungen
und präventivmedizinischen Leistun-
gen zusätzliche Leistungen, die über
den Umfang der GKV-Richtlinien
hinausgehen, für erforderlich, etwa
EKG, Sonografie, erweitertes Labor, ist
eine definitive oder aber eine Ver-
dachtsdiagnose zur Begründung
erforderlich. Für die Erbringung einer
Sonografie bietet sich als Diagnosean-
gabe beispielsweise „abdominale
Resistenz“ oder „unklare Bauchbe-
schwerden“ an, für eine erweiterte
Blutfettdiagnostik beispielsweise
„Adipositas“.
Erweiterte Abrechnungsmöglich-
keiten nach der GOÄ
Ergeben sich bei einer Konsultation
aus der Gesundheitsuntersuchung
Hinweise auf tatsächliche Erkrankun-
gen, so ist deren Abklärung nicht
mehr Inhalt von Nummer 29 GOÄ; die
erbrachten Leistungen können neben
der Nummer 29 berechnet werden.
Sämtliche im Zusammenhang einer
Gesundheitsuntersuchung auffällig
gewordenen Krank-
heitsverdachtsmo-
mente, die thera-
peutische Maßnah-
men auslösen, sind
mit der dafür vor-
gesehenen Num-
mer berechenbar.
Zum Umfang einer
Gesundheitsunter-
suchung gehört
lediglich die Erörte-
rung des Risikopro-
fils, nicht aber die
einer bestimmten
Erkrankung. Ist im
Anschluss an wei-
terführende Unter-
suchungen in der-
selben Sitzung auch
eine Erörterung
nach GO-Nr. 34 GOÄ notwendig, kann
diese auch neben GO-Nr. 29 GOÄ
berechnet werden. In der Liquidation
muss die entsprechende Diagnose
angegeben werden.
Krankheitsfrüherkennungsuntersu-
chungen (etwa sogenannte Krebsvor-
sorgeuntersuchungen bei Frauen und
Männern) können bei Privatpatienten
neben der Gesundheitsuntersuchung
erbracht und privat berechnet wer-
den. Harnstreifentests bei Verdacht
auf Diabetes, einer Medikamenten-
neueinstellung Gesamtcholesterin-
und Glukosebestimmung sowie gege-
benenfalls eine rektale Untersuchung
sind separat neben GO-Nr. 29 GOÄ
berechenbar. Gesundheitsuntersu-
chungen beziehen sich im gesetzli-
chen wie privaten Behandlungssektor
auf die Früherkennung von Herz- und
Kreislauferkrankungen, Nieren- und
Stoffwechselerkrankungen und
Erkrankungen des rheumatischen
Formenkreises. Damit bezieht sich
eine Gesundheitsuntersuchung auf
andere Fahndungsinhalte als die
Krebsfrüherkennungsuntersuchun-
gen. Wenn die entsprechenden Unter-
suchungsinhalte einer ärztlichen Kon-
sultation nebeneinander erbracht
werden, sind deshalb die GO-Nr. 27
GOÄ (Krebsfrüherkennung Frau)
beziehungsweise Nummer 28 (Krebs-
früherkennung Mann) auch neben der
GO-Nr. 29 GOÄ berechnungsfähig.
Richtlinien-Standard
Prinzipiell ist der Umfang einer
Gesundheitsuntersuchung und deren
Berechenbarkeit durch die GKV-Richt-
linie des Gemeinsamen Bundesaus-
schusses (G-BA) bestimmt: Anamne-
se, Ganzkörperstatus, Harnstreifen-
test, Gesamtcholesterin und Glukose,
abschließende Beratung und Erörte-
rung des Risikoprofils mit dem Unter-
suchten. Für die Liquidation ist jedoch
nicht der medizinische Inhalt der
Gesundheitsuntersuchung entschei-
dend, sondern vielmehr das, was in
GO-Nr. 29 enthalten ist und was die
Abrechnungs-(Ausschluss-)Bestim-
mungen in GOÄ-Nr. 29, Absatz 2 vor-
schreiben. Wird gegebenenfalls eine
rektale Untersuchung neben der
Gesundheitsuntersuchung durchge-
führt, ist neben GO-Nr. 29 GOÄ auch
GO-Nr. 11 der GOÄ berechenbar.
Dr. rer. pol. Harald Clade
Regulative für die Privatbehandlung
Gesundheitsuntersuchungen
Die Qualitätssicherung in der Labor-
medizin begrenzt sich weitgehend auf
die Durchführung der Leistung. Eine
indikations- und ergebnisbezogene
Qualitätssicherung ist sinnvoll, findet
aber auch in der Labormedizin nicht
statt.
Die Vergütung im Deutschen Gesund-
heitswesen ist stark technikorientiert.
Die klinische patientenbezogene
Tätigkeit wird in der Regel unterbe-
wertet. Für die Fächer Endokrinologie
und Rheumatologie ist dies besonders
prekär, da bei Wegfall oder Kürzung
von Laborhonoraren die Quersubven-
tion der ärztlichen Tätigkeit nicht
mehr gewährleistet ist. Auch bei der
Privatliquidation spielt das Labor eine
nicht unwesentliche Rolle. Der dro-
hende Verfall durch eine EBM-orien-
tierte GOÄ-Reform auf diesem Sektor
wird zu einem weiteren Einnahme-
verlust führen, der nicht mehr ver-
kraftet werden kann.
Honorarverfall und Industrialisie-
rung der Leistungserbringung
Die Labormedizin ist übrigens das
Paradebeispiel, wie eine unkontrol-
lierte Mengenausweitung zu einem
Honorarverfall und zur Industrialisie-
rung in der Leistungserbringung
führt. Die Gründung von Laborge-
meinschaften in Kooperation von nie-
dergelassenen Vertragsärzten unter
Einbezug von Labormedizinern hat
die Leistungsausweitung des Labors
begünstigt. Dies muss unweigerlich in
einem System mit einer budgetierten
Gesamtvergütung zu einem drasti-
schen Verfall der Bewertung der ein-
zelnen Leistung führen.
Die im Speziallabor gleichzeitig beob-
achtete Leistungsausweitung wird
durch eine unkritische Anforderung
von Laborleistungen durch die Zuwei-
ser mit verursacht. Der gewünschte
Direktauftrag mit gezielter Anforde-
rung einer Leistung im Labor ist
durch allgemeine Fragestellungen
ersetzt worden. Die im EBM vorge-
nommene Begrenzung der Laborpara-
meter bei einer Fragestellung fängt
diese Entwicklung nur unzureichend
ab. Die derzeitige Versorgungssituati-
on muss deshalb nicht nur aus der
Sicht der Laborärzte, sondern auch
von den internistischen Schwerpunk-
ten Endokrinologie und Rheumatolo-
gie und der gesamten Inneren Medi-
zin durchleuchtet werden.
Ziel einer vernünftigen Laborreform
muss sein, die Leistungserbringung
wieder kooperativ zu organisieren
unter Berücksichtigung von der Indi-
kation und der Bewertung der Unter-
suchungsergebnisse am Patienten.
Nur auf diesem Weg wird es gelingen,
die Fächer Endokrinologie, Rheumato-
logie aber auch die Onkologie wieder
in die Labormedizin zu integrieren.
Nur so wird das Labor auch in der
Zukunft ärztliche Leistung bleiben
können. Ein Symposium auf dem
nächsten Deutschen Internistentag
wird eine Diskussion in diese Rich-
tung anstoßen.
HFS
Laborreform
Keine Innere Medizin
ohne Labor
Die Labormedizin ist ein wichtiger Bestandteil des Fachgebietes Inne-
re Medizin. Die Entwicklung in der Weiterbildung, aber auch bei der
Abrechnungszulassung in den Kassenärztlichen Vereinigungen
berücksichtigt diese Kompetenz nicht mehr ausreichend. Besonders
deutlich wird dies bei den internistischen Teilgebieten, bei denen die
Labormedizin eine zentrale Rolle spielt. Dies gilt insbesondere für
die Endokrinologie und die Rheumatologie, aber auch die übrigen
internistischen Fächer, angefangen von der Onkologie, sogar bis zur
Kardiologie und Angiologie benötigen labormedizinische Untersu-
chungen.
Was viele privat behandelnde Ärzte und Privatversicherte sowie Beihilfeberechtigte nicht immer präsent
haben: Das Leistungsspektrum von Gesundheitsuntersuchungen und anderen präventivmedizinischen
Leistungen im Privatbehandlungssektor richtet sich grundsätzlich nach dem Anspruch von GKV-Versi-
cherten, der in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) festgelegt ist.
BIld: DigitalVision
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