Berufspolitik
Nr. 2 • Februar 2014
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Ursprünglich hatte der Vorgänger, der
Ausschuss Ärzte und Krankenkassen,
nur zwei wesentliche Betätigungsfel-
der: neue ambulante Behandlungsver-
fahren und eine sinnvolle Arzneimit-
teltherapie. Dieser Ausschuss wurde in
den Gemeinsamen Bundesausschuss
(G-BA) überführt, wobei auch die
Krankenhäuser als dritte Bank in die
Entscheidung einbezogen wurden. Die
Gremien sind bis heute in der Regel
paritätisch besetzt: Je die Hälfte sind
sogenannte Leistungserbringer, die
andere Hälfte Kostenträger, sprich
Krankenkassen. Beteiligt werden auch
die Patientenvertreter, aber nur mit
beratender Stimme. Dies wird damit
begründet, dass im Vergleich zu den
Körperschaften Kassenärztliche Verei-
nigung oder Krankenkasse die Selbst-
hilfegruppen nicht demokratisch legi-
timiert sind. Sie bilden sich mehr oder
weniger zufällig.
Die Arzneimitteltherapie ist weiter
mit das wichtigste Aufgabenfeld des
Gemeinsamen Bundesausschusses.
Hier fällt insbesondere die Umsetzung
des AMNOG ins Gewicht. Auch die
neuen Behandlungsverfahren werden
weiter bearbeitet, aber mehr beraten
als entschieden. Besondere Bedeutung
gewinnen dabei in Zukunft Qualitäts-
vorgaben für operative und technische
Leistungen und die Umsetzung der
neu eingeführten spezialfachärztli-
chen Versorgung.
Entscheidungen nach wissen-
schaftlichen Studien – oder ökono-
mischen Vorgaben?
Der Gemeinsame Bundesausschuss
hat damit nahezu alle politischen Vor-
gaben mit Leben zu erfüllen und die
für die Praxis erforderlichen Details zu
beschließen. Er ist letzten Endes das
Organ, das den Leistungskatalog unse-
rer gesetzlichen Krankenversicherung
beschließt, definiert, was medizinisch
sinnvoll oder nicht sinnvoll ist und
über Qualitätsvorgaben indirekt oder
direkt beschließt, wer an der Versor-
gung der gesetzlich versicherten
Patienten beteiligt wird. Über die Ver-
teilung der Leistungen bestimmt er
automatisch auch über die Geldflüsse
im System für die verschiedenen Leis-
tungserbringer. Begründet werden die
Entscheidungen des Gemeinsamen
Bundesausschusses überwiegend mit
wissenschaftlichen Untersuchungser-
gebnissen, insbesondere nach den Kri-
terien der evidenzbasierten Medizin.
Der theoretische Ansatz dieses Kon-
zeptes ist klar: Wissenschaftlich
begründete Daten bestimmen, was,
wo und wie in der gesetzlichen Kran-
kenversicherung angeboten wird. Ver-
antwortlich sind damit nicht die Poli-
tiker und der Gesetzgeber, sondern die
Organe der Selbstverwaltung. Über
Honorare und Finanzierungen ent-
scheidet übrigens das Gremium G-BA
nicht und gibt sich damit den
Anschein, wertfrei zu arbeiten.
Jeder weiß, dass die inhaltlichen Ent-
scheidungen in unserem Gesundheits-
wesen unter Budgetierungsbedingun-
gen und stringenten Vorgaben einer
einnahmenorientierten Ausgabenpoli-
tik umgesetzt werden müssen. Auch
den Entscheidungsträgern, den soge-
nannten Bänken der Leistungserbrin-
ger und der Krankenkassen, ist dies
natürlich nicht verborgen geblieben.
Betrachtet man die Entscheidungspra-
xis im Gemeinsamen Bundesaus-
schuss, gewinnt man schon den Ein-
druck, dass ökonomische Vorgaben
doch den Ausschlag geben. Wissen-
schaft wird dann benötigt, wenn öko-
nomischen Zwänge scheinbegründet
werden müssen und Verteilungskämp-
fe zwischen den Versorgungsebenen
zu organisieren sind. Dies lässt sich
mit unterschiedlichen Ansätzen reali-
sieren.
Legt man z. B. die Messlatte der Evi-
denz bei der Auswertung von wissen-
schaftlichen Ergebnissen zu einer
neuen Untersuchungsmethode beson-
ders hoch, so kann man positive Ent-
scheidungen für das Behandlungsver-
fahren fast ausschließen. Andererseits
kann man auch durch Akzeptanz einer
Expertenmeinung eine niedrige Evi-
denz akzeptieren. Über die geforderte
Evidenzbasis lässt sich somit die Ent-
scheidung positiv wie negativ beein-
flussen.
Auch Empfehlungen von
Fachgesellschaften können
interessengesteuert sein
Besonders gerne werden Vorgaben,
insbesondere international abge-
stimmte sogenannte ESC-Leitlinien als
Entscheidungsgrundlage genommen,
meist interpretiert von wissenschaftli-
chen Gesellschaften, die mit den
berufspolitischen Fallstricken der Ent-
scheidungspraxis zunächst nicht so
vertraut sind.
Betrachtet man diese Leitlinien, so
fällt auf, dass sie in verhältnismäßig
kurzer Zeit immer wieder überarbei-
tet werden, da sich neue Erkenntnisse
und Studien ergeben haben. Ihnen
fehlt die notwendige Nachhaltigkeit.
Hinzu kommt, dass ein großer Teil der
Vorgaben in diesen Leitlinien nicht
durch Studien belegt sind und nur mit
einer Expertenmeinung hinterlegt
werden – mit der entsprechend nied-
rigeren Validität.
Auch wissenschaftliche Gesellschaften
haben inzwischen begriffen, dass
durch die Formulierungen von ESC-
Leitlinien und ihre Interpretation Ver-
teilungskämpfe zwischen Fachgrup-
pen, Versorgungsebenen und sogar
Klinikstrukturen ausgetragen werden
können.
Insbesondere die zur Zeit geführte
Qualitätsdiskussion über die katheter-
gestützte Aortenklappenimplantation
(TAVI), über die wir schon mehrfach
berichtet haben, demonstriert, dass
die ökonomische Betrachtung auch
den Fachgesellschaften nicht mehr
fremd ist. Im Klartext: Empfehlungen
von Fachgesellschaften sind zwar wis-
senschaftlich begründet, können aber
durchaus interessengesteuert sein.
Die wissenschaftlichen Gesellschaften
laufen dabei Gefahr, dass sie zuneh-
mend an Glaubwürdigkeit verlieren.
Sie benötigen deshalb Unterstützung
durch die in diesen Diskussionen
erfahrenen Berufsverbänden und soll-
ten sich deshalb bei der Diskussion
mit diesen in der Zukunft besser
abstimmen.
HFS
Wissenschaft und
Ökonomie
Entscheidungen im Gesundheitswesen
Eine gemeinsame Initiative von
Internisten und Chirurgen
Die Berufsverbände der Chirurgen und
der Internisten wollen sich stärker um
die Unterstützung der vor Ort in der
Weiterbildung tätigen Kollegen küm-
mern. Sie arbeiten an der Entwicklung
eines breiten Angebots von Maßnah-
men und Instrumenten für die weiter-
bildenden Ärzte und Assistenzärzte.
Mit einer gemeinsamen Initiative zur
Weiterentwicklung der Facharzt-Wei-
terbildung, dem Trainingskurs „Mas-
tertrainer“, wollen sie die Weiterbilder
auf die wichtigsten Instrumente der
strukturierten Weiterbildung schulen
und kontinuierlich begleiten.
Der erste Mastertrainer-Kurs hat Ende
November 2013 in Berlin stattgefun-
den. Die Teilnehmer – 18 Chef- und
Oberärzte aus der Chirurgie und der
Inneren Medizin verschiedener deut-
scher Kliniken – bekannten überein-
stimmend, dass sie sehr von dem Kurs
profitiert haben. BDI-Vorstandsmit-
glied PD Dr. Michael Denkinger, der
das Projekt gemeinsam mit Dr. Jörg
Ansorg vom BDC betreut, sieht sich
durch die Reaktionen der ersten Kurs-
Teilnehmer in seinem Ziel bestätigt,
die Weiterbildung in den Kliniken zu
optimieren. In der Person von Prof. Dr.
Marcus Siebolds, Spezialist im Medi-
zinmanagement an der Katholischen
Hochschule Köln, haben die Berufsver-
bände einen qualifizierten Leiter für
das Kursprogramm gefunden.
Das Mastertrainer-Modell
Das Mastertrainer-Modell ist ein klas-
sisches Train-the-Trainer-Konzept,
schildert Denkinger: 20 bis 40 erfah-
rene Weiterbilder sollen in einem ers-
ten Schritt zu Mastertrainern ausge-
bildet werden. Anschließend sollen sie
in ihren Abteilungen sechs Monate
lang die erlernten Instrumente und
Kompetenzen umsetzen. Die erworbe-
nen Kompetenzen können dann
sowohl in der eigenen Klinik bei der
Schulung der eigenen Kollegen als
auch bei überregionalen Ausbildungs-
veranstaltungen für Weiterbilder, die
BDC und BDI durchführen, genutzt
werden.
Die Grundausbildung ist stark trai-
ningsorientiert. Jeder Teilnehmer
erhält alle notwendigen Ausbildungs-
unterlagen in Form eines Trainer-Log-
buchs. Der Kurs beginnt mit der Vor-
stellung des Konzepts der Berufsver-
bände der Chirurgen und Internisten
zur Qualitätsentwicklung der Fach-
arzt-Weiterbildung und der Bearbei-
tung spezieller Fragen der Teilnehmer
zum Trainingskurs. Ein Impulsvortrag
zum Thema strukturierte Facharzt-
Weiterbildung erörtert die Grundpro-
bleme in Deutschland, die internatio-
nale Evidenzlage und beschreibt das
minimale Starterpaket für Chirurgie
und Innere Medizin.
Danach wird ein Kerncurriculum für
die Fachabteilungen der Teilnehmer
erarbeitet mit maximal vier Kernkom-
petenzen pro Jahr. Am Ende des Semi-
nars sollen die Teilnehmer weitgehend
über fertige Dokumente für das eigene
Weiterbildungsprogramm verfügen. In
einer Gruppendiskussion wird die
Rolle des Mastertrainers erörtert,
anhand der Erfahrungen mit dem
Tutorenmodell in der Kassenärztlichen
Vereinigung, der Erwartungen der
Teilnehmer an ihre neue Rolle und der
möglichen Probleme, die sie in ihren
eigenen Abteilungen erwarten.
In einer Lehreinheit werden Grundla-
gen der Einschätzung der Kompetenz-
entwicklung von weiterzubildenden
Ärzten mit Hilfe der Methode der
Lernstandsrückmeldung erarbeitet. Es
werden die Technik des Weiterbil-
dungsgesprächs sowie eine Lern-
standsrückmeldung trainiert, kom-
plettiert durch ein praktisches Trai-
ning eines Ausbildungsplanungsge-
sprächs auf Grundlage der Lernstands-
rückmeldung. Alle Dokumente sind
von Prof. Siebolds so konzipiert, dass
sie direkt in das Qualitätsmanagement
der Klinik eingebracht werden kön-
nen.
Ein bewusst auf Kernelemente
reduziertes Programm
Unter dem Motto „Was sich übt, das
prüft sich“ werden internationale
Modelle der Feedbackgabe zu klini-
schen Kompetenzen und Skills vorge-
stellt, die Technik des klinischen Tes-
tats erarbeitet und die Durchführung
eines Testats im Rahmen einer Simula-
tionsübung auf einer Benotungsskala
von 1 bis 5 praktisch trainiert. Der
Kurs endet mit der Erarbeitung einer
Strategie zur Umsetzung des Gelern-
ten in der eigenen Abteilung sowie der
Vorstellung und Diskussion der Ausbil-
dungsveranstaltung für interessierte
Weiterbilder, in der die Mastertrainer
mitarbeiten sollen.
Die Testate sollen belegen, ob und was
gelernt wurde. Arbeitsrechtlich haben
sie keine Auswirkungen, bekräftigt
Siebolds: „Es gibt keinen Druck und
keine Bestrafung.“
Am Ende soll das bewusst klein und
effektiv gehaltene Programm zu einer
spürbaren Optimierung der Weiterbil-
dung führen. Bei einem Aufwand von
etwa drei bis vier Arbeitstagen pro
Mastertrainer im ersten Jahr kann die
Qualität vor Ort in den Kliniken effek-
tiv und effizient verbessert werden.
Schließlich ist die qualifizierte Weiter-
bildung für die Kliniken eines der
wichtigsten Argumente, junge Ärzte
für ihre Häuser zu gewinnen.
Klaus Schmidt
Intelligentes Gerüst für
die strukturierte
Facharzt-Weiterbildung
Ein Workshop für „Mastertrainer“
(Fortsetzung von Seite 1)
Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält mit jeder neuen gesetzli-
chen Regelung in unserem Gesundheitswesen weitere Aufgaben und
wird allmählich zum mächtigsten Selbstverwaltungsorgan in der
Krankenversorgung. Er entwickelt sich zu einer Art Mammutbehörde.
Das Mastertrainer-Modell ist ein klassisches Train-the-Trainer-Konzept, erläutert BDI-Vorstandsmit-
gleid PD Dr. Michael Denkinger, der das Projekt mitbetreut. Der erste Kurs hat im November 2013 in
Berlin stattgefunden.