Berufspolitik
Nr. 2 • Februar 2014
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Dies vorausgeschickt klärt sich,
warum z. B. im Bereich der Gesund-
heitspolitik, entgegen der Wahlpro-
gramme, das eine oder andere Pro-
jekt ausgeklammert werden musste.
So wollte sich die Union für die Wei-
terentwicklung der elektronischen
Gesundheitskarte stark machen,
während dem Träger des Universi-
tätsklinikums Gießen-Marburg,
Rhön-Klinikum AG, seitens Bündnis
90/Die Grünen deutlichere Vorgaben
auferlegt werden sollten. Beide The-
men fanden keinen Eingang in den
Koalitionsvertrag.
„Gießkannenmethode“ bei
Investitionen”
Zu den zentralen gesundheitspoliti-
schen Aussagen hingegen gehören:
Die hessischen Krankenhäuser sollen
zukünftig bei ihren Investitionen
durch Zuweisung pauschaler Investi-
tionen unterstützt werden. Hierzu
soll das hessische Krankenhausgesetz
entsprechend überarbeitet werden.
Unter Versorgungsgesichtspunkten,
basierend auf einem zu entwickeln-
den Versorgungsatlas, soll ein Über-
gang von der Einzelförderung zur
Pauschalförderung unter Zuhilfenah-
me eines Sonderinvestitionspro-
grammes entwickelt werden. Bösar-
tig könnte man dieses Vorgehen auch
als „Gießkannenmethode“ bezeich-
nen, bei der es fragwürdig erscheint,
ob der durchaus richtige Gedanke,
dieses Thema zu ordnen, auch tat-
sächlich zur besseren Förderung der
Krankenhausinvestitionen führen
wird. Dabei ist in der Politik eine
Pauschalförderung je Bett oder
Abteilung statt den tatsächlichen
Investitionsbedarf zu berücksichti-
gen nicht grundsätzlich neu. Diese
Strategie entbindet die Politik von
dem Vorwurf, sie fördere nur Kran-
kenhäuser mit bestimmter Träger-
schaft. Sie signalisiert jedoch auch,
dass sich die Politik außerstande
sieht, eine gerechte Verteilung von
Investitionszuschüssen im Land zu
organisieren. Darüber hinaus ist
bemerkenswert, liest man den Koali-
tionsvertrag auch zwischen den Zei-
len, dass nicht der Gesamtbetrag von
notwendigen Investitionskosten zur
Verteilung kommen soll, sondern aus
einem Fonds ein Teil für die spezielle
Förderung vorgesehen ist. So könnte
es der Politik auch zukünftig ermög-
licht werden, aufgrund eventueller
politischer Zielrichtungen kommuna-
le Krankenhäuser stärker zu subven-
tionieren, sie damit vor Schließungen
zu bewahren und Wählerstimmen zu
sichern.
Förderung der wohnortnahen
Versorgung
Der Prozess von Zusammenschlüssen
der kommunalen Krankenhäuser soll
weiter aktiv unterstützt und beglei-
tet werden, um auch zukünftig eine
gewisse Vielfalt der Trägerschaft
unter Berücksichtigung von wirt-
schaftlichen Strukturen zu erhalten.
Außerdem werden der ambulante
und stationäre Bereich stärker ver-
zahnt und die Gesundheitskonferen-
zen zu regionalen sektorübergreifen-
den Versorgungskonferenzen weiter
entwickelt.
Eine nachhaltige Förderung der
ambulanten Versorgung soll fortge-
setzt werden, diese bezieht sich auf
Einzelpraxen, Gemeinschaftspraxen
oder Medizinische Versorgungszen-
tren. Darüber hinaus soll eine stärke-
re Kooperation aller Akteure vor Ort
unter Einbeziehung der Kommunen
angestrebt werden. Durch diese
Kooperation sollen Häuser der
Gesundheit entwickelt werden. Wel-
che Rollen die Kommunen in diesem
Zusammenhang spielen sollen (Geld-
geber, Betreiber, Kooperationspart-
ner?) wird nicht dargelegt. Insbeson-
dere durch die stärkere Einbeziehung
von Kommunen bei der Sicherstel-
lung der ambulanten Versorgung
werden diese Ansprüche bei der
Bedarfsplanung stellen, die sodann
auch erfüllt werden müssten. Hier-
mit wird vermutlich eine bessere
ambulante Versorgung nicht zu
erzielen sein.
Mit verschiedenen Ansätzen von
innovativer Versorgung wie z. B.
Telemedizin, rollende Arztpraxis
oder wohnortnahe Alten- oder Kran-
kenpflege soll den demografischen
Herausforderungen entgegengetreten
werden. Interessanterweise wurde
im Dezember 2013 das Projekt
„Patientenbus“ in Brandenburg von
den Protagonisten kleinlaut einge-
stellt, da im Schnitt nicht mehr als
30 Fahrgäste im Monat den Bus
genutzt hatten. Und die, die ihn
nutzten, taten dies nicht immer für
einen Arztbesuch. Insoweit bleibt es
abzuwarten, ob die hessische Bevöl-
kerung in ländlichen Gebieten eine
andere Wertschätzung einer rollen-
den Arztpraxis entwickeln kann.
Abschließend werden die Arbeiten
von Hospizen und Palliativstationen
und insbesondere das dort erbrachte
ehrenamtliche Engagement beson-
ders wertgeschätzt. Im Hinblick auf
den Aufbau von regionalen Kinder-
palliativ-Teams sollen Anschubfinan-
zierungen unterstützend greifen.
Nicht fehlen darf natürlich auch der
Hinweis auf die hohe Qualität. Hier-
zu wird ein hessisches Qualitätskon-
zept für eine hochwertige medizini-
sche und pflegerische Versorgung für
die Sicherheit der Patientinnen und
Patienten entwickelt.
Versöhnung von Ökonomie
und Ökologie
Gesundheitsminister bleibt weiter-
hin Stefan Grüttner, CDU, der die
gesundheitspolitischen Geschicke
bereits in der letzten Legislaturperi-
ode geleitet hat.
Unter dem Slogan „Hessen vorn“ soll
ein Neuanfang in dem zentral gelege-
nen Bundesland angestoßen werden.
Während dem Neuanfang in Berlin,
sieht man von der faustdicken, char-
manten Überraschung an der Spitze
des Bundesverteidigungsministeri-
ums ab, etwas Routiniertes anhaftet,
wirkt der bemerkenswerte Vorgang
in Hessen wie ein politischer Früh-
ling. Die Zusammenarbeit von
schwarz-grün könnte politisch auf
eine endgültige Versöhnung von
Ökonomie und Ökologie sowie auf
eine neue bürgerliche Mitte im poli-
tischen Spektrum hindeuten. Auch
wenn Bündnis 90/Die Grünen nicht
wie erhofft drei sondern nur zwei
Ministerien (Wirtschaft und Umwelt)
erhalten, kann abschließend von
einem durchaus tragfähigen Bündnis
für beide Seiten gesprochen werden.
Dipl.-Betrw. Tilo Radau
Geschäftsführer Berufsverband
Deutscher Internisten e.V.
Schwarz-grün in Hessen
Landtagswahl
Annette Widmann-Mauz bleibt parla-
mentarische Staatssekretärin und
sorgt für Kontinuität in der Führungs-
spitze. Sie hat Politik und Rechtswis-
senschaften studiert und ihre politi-
sche Heimat liegt in Baden-Württem-
berg. In den Vorstand der CDU wurde
sie mit über 80 % der Stimmen
gewählt.
Fischbach und Stroppe neue
Staatssekretäre
Weiter ist Ingrid Fischbach als parla-
mentarische Staatssekretärin berufen
worden. Wie der Minister stammt sie
aus Nordrhein-Westfalen. Sie hat
Deutsch und Geschichte studiert und
das Staatsexamen für das Lehramt in
der Sekundarstufe I abgelegt. Sie kam
über die Kommunalpolitik in den
Bundestag und war seit 2009 unter
anderen stellvertretende Fraktions-
vorsitzende mit den Bereichen Fami-
lie und Jugend, Arbeit und Soziales,
Arbeitnehmer und Kirche, in der sie
auch im Erweiterten Präsidium des
ZdK mitarbeitet. Sie ist neu im Ressort
Gesundheitspolitik.
Der seitherige Staatssekretär Thomas
Ilka wird durch Lutz Stroppe ersetzt,
der Geschichte und Politik studiert
hat und dessen Vorgeschichte eng mit
Helmut Kohl und der Konrad-Adenau-
er-Stiftung verbunden ist. Zuletzt war
er Staatssekretär im Familienministe-
rium.
Sozialpolitiker Laumann als
Pflegebeauftragter
Eine wichtige Rolle dürfte im neuen
Bundesministerium für Gesundheit
Karl-Josef Laumann spielen. Der
bekannte Sozialpolitiker aus Nord-
rhein-Westfalen ist zum Pflegebeauf-
tragten ernannt worden. Er war von
2005 bis 2010 Minister für Arbeit,
Gesundheit und Soziales in Nord-
rhein-Westfalen und dort von 2010
bis 2013 Fraktionsvorsitzender der
CDU im Landtag.
Laumann in ein erfahrener Sozialpoli-
tiker mit speziellen Kenntnissen im
Gesundheitswesen. Man kann sich
nur schwer vorstellen, dass er sich in
seinem neuen Amt nur noch auf die
Pflege konzentrieren wird.
HFS
Führungspositionen im Gesundheitsministerium
Das Personaltableau
Neben dem neuen Gesundheitsminister steht jetzt auch das Personal-
tableau bei den Führungspositionen seines Ministeriums.
BIld: Volker Zierhut, CDU-Fraktion NRW
Karl-Josef Laumann ist künftig im Bundes-
ministerium für Gesundheit für das Thema
Pflege zuständig.
BIld: Wikipedia
Im hessischen Koalitionsvertrag spielt Gesundheitspolitik nur eine untergeordnete Rolle. Zu den zentralen gesundheitspolitischen Aussagen gehört, dass
die hessischen Krankenhäuser zukünftig bei ihren Investitionen durch Zuweisung pauschaler Investitionen unterstützt werden sollen. Außerdem soll mit
verschiedenen Ansätzen von innovativer Versorgung wie Telemedizin, rollende Arztpraxis oder wohnortnahe Alten- oder Krankenpflege den demografi-
schen Herausforderungen entgegengetreten werden.