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Medizin
Nr. 2 • Februar 2014
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Die RE-MEDY- und RE-SONATE-Studie
Dagibatran wurde in der RE-MEDY-
und RE-SONATE-Studie untersucht.
Bei den beiden randomisierten Dop-
pelblindstudien wurden 2856 Patien-
ten mit tiefer Beinvenenthrombose
und/oder Lungenembolie mit mindes-
tens 3-monatiger konventioneller
Antikoagulation untersucht. Dabei
wurde in der RE-MEDY gegen eine
aktive Kontrolle (Warfarin) und in der
RE-SONATE gegen Placebo getestet.
Primäre Endpunkte beider Studien
waren Tod durch Thrombembolie oder
ein Rezidiv. Sicherheitsendpunkt war
jede aufgetretene Blutung. In der Stu-
die mit aktiver Kontrolle handelte es
sich auch um eine Nicht-Unterlegen-
heitsstudie von Dagibatran 2 × 150 mg
pro Tag gegenüber Warfarin nach INR
für maximal 3 Jahre. Im Untersu-
chungszeitraum war Dagibatran War-
farin nicht unterlegen (p=0,01). Bezüg-
lich des Auftretens von Blutungen
zeigte sich ein Vorteil für Dagibatran
(p < 0,001). In der Placebo-kontrollier-
ten Studie konnte eine deutliche
Reduzierung der Thrombembolierate
in der Dabigatran- im Vergleich zur
Placebo-Gruppe gefunden werden
(p < 0,001). Das Blutungsrisiko war in
der Dabigatran-Gruppe erhöht [21].
Die EMPLIFY-EXT-Studie
Auch der Wirkstoff Apixaban wurde in
einer großen multizentrischen, rando-
misierten, doppelblinden Studie mit
Placebo verglichen (EMPLIFY-EXT-Stu-
die). In dieser Studie wurden 2479
Patienten mit Beinvenenthrombose
und/oder Lungenembolie mit mindes-
tens 6–12-monatiger konventioneller
Antikoagulationstherapie eingeschlos-
sen. Danach sprachen ebenso viele
Faktoren gegen wie für die Fortfüh-
rung der Therapie. Im Weiteren wur-
den zwei Dosen von Apixaban (2 ×
2,5 mg oder 2 × 5 mg pro Tag) im Ver-
gleich zu Placebo für 12 Monate
untersucht. Von den 2479 eingeschlos-
senen Patienten wurde bei 840
(34,7%) initial eine Lungenembolie
diagnostiziert. Die primären Endpunk-
te waren eine erneute Thrombembolie
oder Tod sowie als Sicherheitsend-
punkt jede Blutung. In der Studie zeig-
te sich Apixaban in beiden Dosen
bezüglich des Auftretens erneuter
Thrombembolien oder dem Tod über-
legen (p < 0,001). Das Risiko der Blu-
tung war in den Therapiegruppen
niedrig oder gleich wie in der Placebo-
gruppe. Die Untersucher folgern
daraus, dass für VTE-Patienten mit
unsicherem Nutzen-Risiko-Profil für
eine Fortführung der Antikoagulation
die Gabe von Apixaban für weitere
12 Monate effektiv und sicher ist [1].
Aktuelle Zulassung zur Anwendung bei
VTE
Aktuell besteht nur für Rivaroxaban
eine Zulassung zur Anwendung bei
Lungenembolie mit und ohne tiefe
Beinvenenthrombose. Von Tag 1 bis
Tag 21 werden hierbei zunächst 2 ×
15 mg pro Tag appliziert. Ab dem
22. Tag 1 × 20 mg pro Tag. Die appli-
zierte Dosis ist unabhängig vom
Lebensalter, Geschlecht oder Körper-
gewicht.
Bei kreislaufstabilen Patienten mit
Lungenembolie kann bereits in der
Akuttherapie mit Rivaroxaban begon-
nen werden.
Lediglich bei einer Kreatininclearance
unter 15 ml /min besteht eine Kon-
traindikation. Bei einer Kreatininclea-
rance von 15–30 ml kann die normale
Dosis appliziert werden, allerdings
wird hier zur Vorsicht geraten. Ab
einer Kreatininclearance von 50
ml/min bestehen keine Risiken. Für
Patienten unter 18 Jahren sowie in
Schwangerschaft und Stillzeit liegen
keine Erfahrungen vor. Daher stellen
diese Konstellationen Kontraindikatio-
nen dar. Bei schwerer Leberinsuffi-
zienz im CHILD-Stadium B und C
bestehen ebenfalls Kontraindikatio-
nen.
Bei der Anwendung von Rivaroxaban
sind Interaktionen zu beachten: der
Wirkspiegel von Rivaroxaban sinkt bei
gleichzeitiger Therapie mit starken
CYP-3a-Induktoren, z.B. Rifampicin,
Antikonvulsiva und Johanneskraut.
Der Wirkspiegel von Rivaroxaban
steigt bei gleichzeitiger Therapie mit
starken CYP-3a-Inhibitoren, z.B. Azol-
Antimykotika und HIV-Proteasenhem-
mern.
kurzgefasst
Bei der stabilen VTE kann neben
der Therapie mit VKA oder NMH/UFH
jetzt auch von Beginn an ein direktes
orales Antikoagulans (Rivaroxaban)
eingesetzt werden.
Umstellung der Therapie mit
Rivaroxaban.
Sollten Umstellungen der Therapie bei
Lungenembolien im Rahmen der VKA-
Therapie erforderlich sein, kann Riva-
roxaban appliziert werden, sobald der
INR unter 2,5 gesunken ist. Umgekehrt
kann Rivaroxaban abgesetzt werden,
wenn in der Therapie mit VKA der
INR über 2,0 gestiegen ist. Bei der
Umstellung von Heparin auf Rivaroxa-
ban kann zum Zeitpunkt der geplan-
ten Injektion die Dosis appliziert wer-
den. Umgekehrt kann in der Umstel-
lung von Rivaroxaban auf Heparin
zum Zeitpunkt der nächsten Tablet-
teneinnahme die Heparindosis appli-
ziert werden.
Vor- und Nachteile der direkten oralen
Antikoagulanzien.
Die Vorteile der direkten oralen Anti-
koagulanzien sind sicherlich zum
einen die orale Gabe, die Einmalgabe
(nur bei Rivaroxaban), die sichere und
dauerhafte Wirksamkeit und vor
allem das erniedrigte Blutungsrisiko
im Vergleich zu VKA. Regelmäßige
routinemäßige Laborkontrollen sind
nicht erforderlich.
Nachteile der neuen Substanzen sind
die noch fehlenden klinischen Erfah-
rungen und die noch nicht vorhande-
nen Antagonisierungsmöglichkeiten.
Probleme bei der Niereninsuffizienz,
insbesondere bei Thrombin-Antago-
nisten, schränken die Anwendbarkeit
ein. Auch als nachteilig zu bewerten
ist der aktuell noch hohe Preis (ca.
2,00–3,50 Euro pro Tag).
Empfehlungen zur Lang-
zeit-Antikoagulation und
Sekundärprophylaxe
Die aktuellen Empfehlungen zur Lang-
zeit-Antikoagulation und Sekundär-
prophylaxe richten sich primär
danach, ob es sich um ein Erstereignis
handelt oder um ein Rezidiv. Bei Rezi-
div-Thrombembolien wird eine zeit-
lich unbegrenzte Antikoagulation
empfohlen. Bei einem Erstereignis
richtet sich die Therapiedauer (in der
Regel 3 Monate) nach den Risikofakto-
ren für ein Rezidiv, der Lokalisation
der Thrombose (distal oder proximal),
dem Vorhandensein einer aktiven
Krankheit (z.B. Karzinom) und dem
individuellen Blutungsrisiko.
Bei einer zeitlich unbegrenzten Anti-
koagulation sollte regelmäßig eine
Risiko-Nutzen-Analyse durchgeführt
werden [8].
In der aktuell gültigen Leitlinie bleibt
allerdings unklar, in welchen Interval-
len diese Nutzen-Risiko-Überprüfung
erfolgen soll. Aussagen zu Nachsor-
geinhalten bestehen ebenfalls nicht.
Was ist die optimale
Dauer der Antikoagulati-
on?
Aufgrund der hohen Rezidivrate von
bis zu 40% nach Beendigung der Anti-
koagulation bei VTE stellt sich die
Frage der optimalen Dauer der oralen
Antikoagulation [17]. In einer neueren
Arbeit wurde zum Thema der optima-
len Dauer der Antikoagulation nach
venöser Thrombembolie Stellung
bezogen. Als Risikofaktoren für ein
Rezidiv einer Thrombembolie wurden
folgende Konstellationen herausgear-
beitet [18]:
▶ Immobilisation
▶ Malignom
▶ COPD
▶ Männliches Geschlecht
▶ Übergewicht
▶ HDL-Cholesterin niedrig
▶ Familienanamnese positiv
▶ Thrombophilie: Antikardiolipin-
Antikörper positiv, Protein C und S-
Mangel
▶ Symptomatische Lungenarterienem-
bolie
▶ Erhöhte D-Dimere nach Absetzen
der oralen Antikoagulation
▶ Fehlende Rekanalisation der Beinve-
nen nach oraler Antikoagulation
Ein pragmatischer Ansatz zur Überwa-
chung von Patienten könnte folgendes
Vorgehen sein [10]:
▶ regelmäßige Anamnese
▶ Evaluation des Risikoprofils
▶ Bestimmung der D-Dimere nach
Ende der oralen Antikoagulation
▶ Echokardiographie zur Bestimmung
der Rechtsherzbelastung
▶ Thrombophilie-Diagnostik,
▶ Kontrolle der Auflösung der Throm-
ben im Bereich der Beinvenen
(Duplexsonographie der Beinvenen)
In ca. 3,8% der Fälle ist mit einer Ent-
wicklung einer chronisch thrombem-
bolischen pulmonalen Hypertonie
(CTEPH) nach einer oder mehreren
Lungenembolien zu rechnen [16].
Neben einer CTA hat sich als sensitives
Verfahren ohne Strahlenbelastung die
Spiroergometrie zum Nachweis eines
pathologischen Gasaustauschs bei per-
sistierender Lungenembolie erwiesen.
Ein Abfall der arterio-alveolären Gas-
druckdifferenz im Rahmen der Belas-
tungsuntersuchung und die Vermin-
derung des Sauerstoffpulses ebenso
wie die Verminderung des Abfalls des
VE/VCO
2
-Quotienten haben sich als
valide Parameter herausgestellt [16].
Fazit
Akute Lungenembolien stellen die
behandelnden Ärzte unverändert vor
zahlreiche diagnostische und thera-
peutische Überlegungen und Entschei-
dungen. Durch die Einführung der
neuen direkten oralen Antikoagulan-
tien hat sich vor allem in der Therapie
der stabilen akuten Lungenembolie
und in der Sekundärprophylaxe Ent-
scheidendes verändert. Hierbei steht
neben einer besseren Wirksamkeit vor
allem eine erniedrigte Blutungsnei-
gung in der Antikoagulanzientherapie
im Vordergrund. Bei niedrigem Risiko-
profil der Therapie mit dem direkten
oralen Antikoagulans gegenüber der
bisherigen VKA-Therapie muss über
die Dauer der Sekundärprophylaxe bei
hohem Rezidivrisiko von ca. 30–40%
der VTE neu nachgedacht werden.
Abb.2
CT-Angiographie der Lungenarterien: Repräsentative axiale (obere Reihe) und koro-
nare (untere Reihe) Bildrekonstruktion. Intraluminaler Thrombusnachweis mit Füllungsde-
fekten (weiße Pfeile) aller Lappenarterien sowie der zugehörigen Segment- und Subseg-
mentäste rechts und segmentaler Äste des linken Oberlappens [15].
1...,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...28
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