StartseitePresseKontakt

| Artikel

Warum die Weiterbildung ambulanter werden muss

Die geplante Krankenhausreform wird die ärztliche Weiterbildung erheblich beeinflussen. Die Level I- und Level II-Häuser werden nicht mehr die volle Weiterbildung in einem Fachgebiet anbieten können. Es braucht also ambulante Weiterbildungsverbünde. Junge Ärztinnen und Ärzte dürften das befürworten.

Wer die Entwicklungen der letzten Dekade in der ärztlichen Weiterbildung aufmerksam beobachtet, stellt fest: Vieles ist im Fluss, viele Änderungen wurden beschlossen, trotzdem bleibt die Unzufriedenheit bei Nachwuchsmedizinern groß. Bereits 2014 und 2016 waren bei Befragungen zur Weiterbildungssituation unter Internistinnen und Internisten erschreckende Defizite zutage gekommen. Zu wenig Personal, Mangel an kompetenten Weiterbildern, Mangel an Anerkennung und Unterstützung – um nur einige Punkte zu nennen.

Inzwischen wurde die komplette Weiterbildungsordnung umgekrempelt und eine neue (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) auf dem Ärztetag 2018 in Erfurt verabschiedet. Zentrale Elemente der mittlerweile in allen 16 Landesärztekammern umgesetzten WBO sind die kompetenzbasierte Darstellung der Inhalte (weg von strengen Vorgaben der Zahlen), die Flexibilisierung der Weiterbildungszeit und die Dokumentation im eLogbuch.

Kein Vorankommen?

Aber auch die neue MWBO steht in der Kritik: Nach einer Umfrage im Jahre 2020 bemängelte mehr als die Hälfte der Teilnehmer, dass die Kompetenzvermittlung nicht funktioniere und Rotationspläne nicht umgesetzt werden. Grund genug, um die jüngsten Entwicklungen genauer zu beleuchten und den Fokus auf den aktuellen Stand der internistischen Weiterbildung zu richten. Der BDI hat Anfang dieses Jahres eine Umfrage unter mehr als 2500 Weiterzubildenden gestartet, über 470 haben geantwortet, und dabei ähnliche Probleme wie aus den Jahren zuvor gefunden. Die genauen Ergebnisse des Weiterbildungsmonitors Innere Medizin werden auf den Seiten 8 und 9 dargestellt und diskutiert.

Wie aber ist es um die Zukunft der Weiterbildung bestellt? Welche kurzfristigen Lösungen sind in Sicht, wo bedarf es tiefer struktureller Veränderungen? Der Mangel an ärztlichem Nachwuchs, der Wunsch nach flexiblen Arbeits- und Weiterbildungszeiten sowie eine weitere Differenzierung der Fachgebiete haben zwangsläufig einen Anpassungsprozess in Gestaltung und Organisation der Weiterbildung zur Folge. Die Medizin wird komplexer und damit auch die Weiterbildungsinhalte. Selbst 52 Facharztqualifikationen bilden die zunehmende Differenziertheit der Medizin nur unzureichend ab. Die Zahl der beantragten Zusatzqualifikationen nimmt stetig zu, derzeit sind es 56.

Die Innere Medizin besteht neben dem Facharzt/der Fachärztin aus insgesamt neun Schwerpunkten. Innerhalb eines Fachgebietes wird der Segmentierungsgrad kontinuierlich feingranulärer. Beispiel Kardiologie: An großen Kliniken sind bereits die Schwerpunkte Rhythmologie, interventionelle Kardiologie und Devicetherapie etabliert. Durch Spezialisierung und Sub-Spezialisierung sind die komplexen Weiterbildungsinhalte für Assistenzärzte nur im Rahmen eines konsequenten Rotationsmodells zu erlangen. Dieses scheitert allerdings im Alltag häufig an Arbeitsverdichtung oder der Unterbesetzung von Stationen und Funktionsbereichen.

Wichtig wäre es, in den Kliniken Weiterbildungsteams mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu etablieren, die sich schwerpunktpunktmäßig um die strukturierte und qualifizierte Weiterbildung der Jungmediziner kümmern. Die dafür notwendigen Investitionen müssen im Krankenhausplan berücksichtigt werden.

Die von Lauterbach geplante Klinikreform wird in der vorgesehenen Version die ärztliche Weiterbildung erheblich beeinflussen. Die Level I- und Level II -Häuser werden mit den vorgegebenen Leistungsgruppen nicht mehr die volle Weiterbildung in einem Fachgebiet anbieten können. Dies führt unweigerlich dazu, dass Weiterbildungsverbünde entstehen, die den ambulanten Sektor mit einbeziehen. Schon jetzt sind viele Fachgebiete, wie die internistischen Schwerpunkte Rheumatologie, Endokrinologie oder Hämato-Onkologie ohne den ambulanten Sektor nicht mehr abzubilden. In der Konsequenz bedeutet das, dass zukünftig Modelle der ambulanten Weiterbildung geschaffen werden müssen, die angepasst strukturiert und nachhaltig finanziert sind.

Um die Ambulantisierung der Weiterbildung voranzubringen, bedarf es der Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingung. Der in der vertragsärztlichen Versorgung festgelegte „Facharztstatus“ müsste zugunsten eines „Facharztstandards“ aufgegeben werden.

Das Problem der Finanzierung

In Abhängigkeit von ihrer Weiterbildungszeit können approbierte Ärzte dann bestimmte Leistungen selbstständig erbringen, sogenannte anvertraubare professionelle Tätigkeiten. Dies würde helfen, den Nachwuchsmangel in einigen Fächern auszugleichen und gleichzeitig den Anforderungen an moderne Arbeitszeitmodelle gerecht werden.

Ein größeres Problem bleibt die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung. Während die Kliniken die Weiterzubildenden überwiegend aus DRG-Mitteln (und damit aus den Töpfen der GKV) finanzieren, stehen ähnliche Finanzierungsinstrumente im ambulanten Sektor nur unzureichend zur Verfügung. Im Versorgungs-Stärkungsgesetz von 2015 wurde die Förderung der Weiterbildung nach § 75a SGB mit den Vertragspartnern KBV, GKV, PKV und DKG eingeführt. Aktuell werden bundesweit 7500 Stellen in der Allgemeinmedizin und 1500 der grundversorgenden Fachärzte mit bis zu 5400 Euro monatlich gefördert. Ausbau und Erweiterung der Förderprogramme wären ein möglicher Weg, um die ambulante Weiterbildung breiter aufzustellen.

Ein Beitrag von Dr. Ivo Grebe, BDI-Vorstandsmitglied, erschienen in der BDI aktuell 07+08/2023