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Zielvereinbarung oder Zielvorgabe? Was arbeitsrechtlich gilt

Sie sind zentrale Instrumente in der Gestaltung variabler Vergütungssysteme im Arbeitsrecht: Zielvereinbarungen und Zielvorgaben. Doch ihre Anwendung wirft immer wieder arbeitsrechtliche Fragen auf. Ein aktuelles Urteil dazu stärkt die Rechte von Arbeitnehmern.

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Als zentrale Instrumente in der Gestaltung variabler Vergütungssysteme im Arbeitsrecht werfen Zielvereinbarungen und Zielvorgaben immer wieder arbeitsrechtliche Fragen auf, insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit einseitiger Zielvereinbarungen durch den Arbeitgeber. Zielvereinbarungen und Zielvorgaben unterscheiden sich in ihrer Definition grundlegend: Bei einer Zielvereinbarung legen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Ziele fest, die Grundlage für eine erfolgsabhängige Vergütung bilden. Dies erfordertVerhandlungen und die Möglichkeit, dass beide Parteien ihre Interessen einbringen. Mit einer Zielvorgabe legt der Arbeitgeber hingegen einseitig Ziele fest und greift dabei auf das ihm gemäß § 315 Abs. 1 BGB zustehende  Leistungsbestimmungsrecht zurück. Wie das Bundesarbeitsgericht betonte, ist bei Zielvereinbarungen eine ernsthafte Verhandlung erforderlich, während Zielvorgaben die Mitbestimmung des Arbeitnehmers ausschließen.

Ernsthafte Verhandlung zwischen Parteien nötig

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 10 AZR 171/23) konkretisiert die Rechtslage bezüglich Zielvereinbarungen und Zielvorgaben im Arbeitsrecht weiter und stärkt die Rechte von Arbeitnehmern. In dem Entscheidungsfall wurde im Vorfeld zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber folgende Vereinbarung getroffen:

„Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr, erstmals zum Ende der Probezeit, zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden. Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.“

Diese Formulierung verdeutlicht die potenziellen Konflikte zwischen Verhandlungspflicht und einseitiger Festlegung von Zielen. Der Arbeitnehmer hatte daraufhin im besagten Fall Schadensersatz gefordert, da der Arbeitgeber nach gescheiterten Verhandlungen die Ziele einseitig festgelegt hatte. Das Bundesarbeitsgericht erklärte diese Vorgehensweise für unzulässig und stellte fest, dass die Regelung zur einseitigen Zielvorgabe den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist. Der Arbeitgeber habe gegen die Pflicht zur ernsthaften Verhandlung verstoßen und damit einen Schadensersatzanspruch begründet.

Arbeitnehmer sollten aktiv an Zielsetzungen beteiligt werden

Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber bei Zielvereinbarungen verpflichtet sind, die Verhandlung ernsthaft zu führen und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, Einfluss zu nehmen. Wird dies unterlassen, können Schadensersatzansprüche entstehen. Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und darauf bestehen, aktiv an der Festlegung von Zielen beteiligt zu werden. Eine einseitige Zielvorgabe ist nur dann zulässig, wenn sie vertraglich klar geregelt ist und den Vorgaben des § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Eine Zielvereinbarung kann nicht einseitig in eine Zielvorgabe umgewandelt werden.

(Ergänzung vom 20.2.2025)

Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2025 (Urteil vom 19.02.2025 - 10 AZR 57/24) bekräftigt Schadensersatzansprüche bei fehlender oder verspäteter Zielvorgabe

Viele Arbeitsverträge sehen Bonuszahlungen vor, wenn Arbeitnehmer bestimmte Zielvorgaben erfüllen. Doch was ist, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine Ziele vorgibt oder dies erst sehr spät tut? Laut Bundesarbeitsgericht können Arbeitnehmer dann Schadensersatz verlangen.

Im aktuellen Fall war in einem Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers mit Führungsverantwortung ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Die Höhe der Bonuszahlungen wurde in einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen von Zielen (Unternehmensziele und individuelle Ziele) geknüpft, die die Arbeitgeberin den Mitarbeitern jeweils bis zum 1. März vorzugeben hatte. 2019 teilte die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern mit Führungsverantwortung die zu erfüllenden Unternehmensziele jedoch zu spät mit. Individuelle Ziele gab sie dem klagenden Arbeitnehmer gar nicht vor. Dieser erhielt für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.590 Euro – und klagte wegen unzureichender Zielvorgaben auf Zahlung weiterer 16.035 Euro.

Das Bundesarbeitsgericht bejahte einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in der geforderten Höhe. Die Arbeitgeberin habe ihre Verpflichtung zu einer Zielvorgabe, die den Regelungen der Betriebsvereinbarung entspricht, für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt. Dem Arbeitnehmer seien keine individuellen Ziele vorgegeben worden; die Unternehmensziele wurden erst verbindlich mitgeteilt, nachdem bereits etwa drei Viertel der Zielperiode abgelaufen waren. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele trägt. Ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Arbeitnehmers wegen fehlender Mitwirkung komme regelmäßig nicht in Betracht.

Damit stärkt die Entscheidung die Position der Arbeitnehmer, da sie auch dann Schadensersatz verlangen können, wenn die vorgegebenen Ziele letztlich verfehlt wurden – vorausgesetzt, die Ziele wurden nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig zu Beginn der Zielperiode festgelegt.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie interne Prozesse bei der Ausgestaltung von Bonussystemen sorgfältig anpassen müssen, um dem Zweck der Zielvorgabe – nämlich die Motivation und Anreize der Arbeitnehmer zu fördern – tatsächlich gerecht zu werden. Andernfalls drohen Schadensersatzforderungen auch dann, wenn letztlich keine Zielerreichung festzustellen ist.

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