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Nr. 11 • November 2013
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Berufspolitik
geschweige denn Informationen über
die Inhalte von Krankenhausplanung
erhalten.
„Krankenhausplanung“ ist jedenfalls
nicht „sexy“ und klingt nach Kolchose
und kommunistischer Planwirtschaft.
Aber auch manchen „Insidern“ ist
offensichtlich nicht klar, was Kranken-
hausplanung kann, soll und darf. So
hieß es im Anschreiben der Herausge-
ber eines Sonderhefts zur Kranken-
hausplanung an den Verfasser u.a.:
„Die erfolgreiche Einführung des DRG-
Systems hat bisher keine adäquate,
leistungsbezogene Krankenhauspla-
nung nach sich gezogen. So weist die
Zahl der erbrachten Leistungen und
ihre jährliche Steigerung deutlich über
eine morbiditätsbedingte Zunahme
hinaus.“
Ich bin daher dankbar, hier die Gele-
genheit zu erhalten, die Sicht eines
Ländervertreters zur Krankenhauspla-
nung einbringen zu dürfen. Freilich
würde ein ausschließlicher Blick auf
die Planung nicht ausreichen, den
komplexen Zusammenhängen der der-
zeitigen Dynamik im Krankenhausbe-
reich gerecht zu werden: „Alles hängt
mit allem zusammen“, das erklärte
nicht nur Bundeskanzlerin Merkel im
März 2011 in Bad Kreuznach und auch
Finanzminister Wolfgang Schäuble
beim G-20-Treffen im November 2009,
das gilt auch für die Krankenhausver-
sorgung, wo Planung, Betriebs- und
Investitionskostenfinanzierung sich
gegenseitig beeinflussen.
2. Grundsätze der Krankenhaus-
planung
Dass Krankenhausplanung notwendig
ist, wird nicht bestritten. Der Europäi-
sche Gerichtshof hat hierzu festge-
stellt: „So ist allgemein bekannt, dass
die Zahl der Krankenanstalten, ihre
geographische Verteilung, ihr Ausbau
und die Einrichtungen, über die sie
verfügen, oder auch die Art der medi-
zinischen Leistungen, die sie anbieten
können, planbar sein müssen. Eine
derartige Planung beruht im Allgemei-
nen auf verschiedenen Bestrebungen.
Zum einen bezweckt sie, im betreffen-
den Staat zu gewährleisten, dass ein
ausgewogenes Angebot qualitativ
hochwertiger Krankenhausversorgung
ständig ausreichend zugänglich ist.
Zum anderen soll sie dazu beitragen,
die Kosten zu beherrschen und, soweit
wie möglich, jede Verschwendung
finanzieller, technischer und menschli-
cher Ressourcen zu verhindern. Eine
solche Verschwendung wäre umso
schädlicher, als der Sektor der Kran-
kenhausversorgung bekanntlich erheb-
liche Kosten verursacht und wachsen-
den Bedürfnissen entsprechen muss,
während die finanziellen Mittel, die
für die Gesundheitspflege bereitge-
stellt werden können, unabhängig von
deren Art und Weise der Finanzierung
nicht unbegrenzt sind.“ Das Bundes-
verfassungsgericht hat in ähnlicher
Weise formuliert: „Zu den Gemein-
wohlbelangen von hoher Bedeutung,
die Vorrang vor der ungehinderten
Berufsausübungsfreiheit haben, zählt
die bedarfsgerechte und leistungsfähi-
ge Krankenversorgung der Bevölke-
rung sowie sozial tragbare Kranken-
hauskosten, dies schon wegen ihrer
Auswirkungen auf die Stabilität der
gesetzlichen Krankenversicherung.
Bezogen auf die Zielsetzungen sind die
gesetzgeberischen Mittel der Kranken-
hausplanung, besonders die Planzulas-
sungsvoraussetzungen, nicht unver-
hältnismäßig. Sie sind geeignet, erfor-
derlich und auch für die Betroffenen
zumutbar.“ Die Verantwortung des
Staates für die Krankenhausplanung
ergibt sich unmittelbar aus dem
Grundgesetz (GG). Auch hierzu hat das
BVerfG ausgeführt: „Das Grundgesetz
verpflichtet den Staat, menschliches
Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht
hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG; ihr
Gegenstand und – von ihm her – ihr
Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG
näher bestimmt.“ Die Würde des Men-
schen und das Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit sind somit
Maßstab jeder Gesundheitspolitik. Das
in Art. 20 GG verankerte Sozialstaats-
prinzip drückt zusätzlich die „unver-
rückbare Verantwortung“ des Staates
für die Versorgung der Bevölkerung
mit Krankenhausleistungen aus.
Die Zuständigkeit ergibt sich ebenfalls
aus dem GG: nach Art. 74 Nr. 19a, der
im Jahr 1969 ins GG eingefügt wurde,
obliegt dem Bund die Zuständigkeit für
die wirtschaftliche Sicherung der
Krankenhäuser und die Regelung der
Krankenhauspflegesätze. Da Kranken-
hausplanung nicht erwähnt wird,
ergibt sich im Umkehrschluss die
Zuständigkeit der Länder für die Kran-
kenhausplanung.
Die Aufgabe der Krankenhausplanung
ist die „bedarfsgerechte Versorgung
der Bevölkerung mit Krankenhausleis-
tungen“, das ergibt sich aus § 1 Abs. 1
i.V. mit § 6 Abs. 1 des Krankenhausfi-
nanzierungsgesetzes (KHG). Zur Ver-
wirklichung dieser Ziele haben die
Länder nach § 6 Abs. 1 Krankenhaus-
pläne aufzustellen. Die Aufnahme in
den Krankenhausplan ist eine Konzes-
sion und berechtigt zur Abrechnung
mit den gesetzlichen Krankenkassen,
wenn deren Patienten behandelt wur-
den, sie verschafft dem Krankenhaus
daneben einen Anspruch auf Förde-
rung seiner notwendigen Investitionen
gegen das Bundesland, in dessen Kran-
kenhausplan es aufgenommen ist (vgl.
§§ 4, 8 Abs. 1 KHG).
Doch was ist der „Bedarf“ einer Bevöl-
kerung? Ist er subjektiv – vom einzel-
nen Bürger aus betrachtet – oder
objektiv – nach festzusetzenden Krite-
rien – zu bemessen? Hierzu hat der
VGH Baden-Württemberg Folgendes
festgestellt: „Die Bedarfsanalyse ist die
Beschreibung des zu versorgenden
Bedarfs der Bevölkerung an Kranken-
hausbetten. Dabei kann zwischen der
Beschreibung des gegenwärtigen
Bedarfs und der Bedarfsprognose, also
der Beschreibung des voraussichtlich
in der Zukunft zu erwartenden
Bedarfs, unterschieden werden. In bei-
den Hinsichten aber ist unter dem
Bedarf der tatsächlich auftretende und
zu versorgende Bedarf und nicht ein
mit dem tatsächlichen nicht überein-
stimmender erwünschter Bedarf zu
verstehen. Dem Land ist nicht erlaubt,
bei der Ermittlung des zu versorgen-
den Bedarfs seiner Bedarfsanalyse
nicht den tatsächlichen Bedarf zugrun-
de zu legen, sondern davon abwei-
chende niedrigere Zahlen, und damit
eine Minderversorgung in Kauf zu
nehmen. Die Bedarfsanalyse als solche
ist kein Planungsinstrument.“ Das OVG
Lüneburg hat festgestellt, dass sich der
tatsächlich zu versorgende Bedarf aus
der Summe der Verordnungen für
Krankenhausbehandlung durch die
Ärzte und deren Anerkennung also
Abrechnung durch die jeweils zustän-
digen Krankenkassen ergebe.
Bedarf ist also das, „was ist“. Es ist
nicht Aufgabe der Krankenhauspla-
nung, Fallzahlsteigerungen zu verhin-
dern. Für jede Krankenhauseinweisung
muss nach § 39 SGB V der behandeln-
de Arzt beurteilen, ob sie notwendig
ist oder nicht. Ob dies begründet ist
oder nicht, kann von der Krankenhaus-
planungsbehörde überhaupt nicht
beurteilt werden. Dazu ist der Medizi-
nische Dienst der Krankenkassen da,
von dem wohl niemand behaupten
würde, er nehme seine Prüftätigkeit
unzureichend wahr, speziell bei der
Frage der primären Fehlbelegung.
Es wird keinesfalls verkannt, dass es
eine Vielzahl von unnötigen Operatio-
nen gibt. Die jüngsten Veröffentlichun-
gen des RWI hierzu sind überzeugend.
Im Krankenhausratingreport 2012
wird zu Recht darauf hingewiesen,
dass es folgerichtig ist, wenn sich
Marktteilnehmer entsprechend verhal-
ten, um ihre Erlöse zu optimieren.
Dass ihnen freilich teilweise gar keine
Wahl bleibt, als Fallzahlen um jeden
Preis zu steigern, wird weiter unten
diskutiert. Es wird auch nicht ver-
kannt, dass die heute üblichen Leis-
tungsanreize in Form variabler Vergü-
tungsanteile für Chefärzte dazu
herausfordern, auch dann zu operie-
ren, wenn man dies bei sich selbst
nicht tun würde.
Jedoch ist es nicht Aufgabe der Kran-
kenhausplanung, dies durch eine
Angebotsverknappung zu verhindern.
Das hieße, Unterversorgung in Kauf zu
nehmen, was gegen das Grundgesetz
verstieße, weil es weder Art. 2 Abs. 2
GG noch dem Sozialstaatsprinzip ent-
spräche.
Das BVerwG hat in seinem Urteil vom
25.9.2008 denn auch folgendes ausge-
führt: „Aus § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG lässt
sich ein Verbot der Überversorgung
mit Plankrankenhäusern nicht entneh-
men. Erst recht begründet die Vor-
schrift kein subjektives Recht eines
Plankrankenhauses auf Einhaltung
eines solchen Verbots. Ein Kranken-
haus hat keinen Anspruch darauf, dass
die Planungsbehörde eine Überversor-
gung mit Krankenhäusern, die nach
§ 108 Nr. 2 SGB V kraft Gesetzes zur
Versorgung gesetzlich Versicherter
zugelassen sind, vermeidet.“
Auch der Sachverständigenrat zur
Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesen spricht dafür aus,
von der Angebotsplanung zu einem
Angebotsmonitoring überzugehen.
Dabei solle man Unterversorgung ver-
meiden; ein Überangebot könne tole-
riert werden, wenn Investitionsanteile
in den DRGs enthalten seien. Kranken-
kassen und Ärztekammern müssten
einer angebotsinduzierten Nachfrage
entgegenwirken.
Krankenhausplanung wird sich immer
mit der Frage befassen müssen, wie
viel Regulierung sein muss und wie
viel Freiheit für die Akteure bleibt. Der
Staat hat die Grundlagen und die Spiel-
regeln vorzugeben, sollte aber ansons-
ten unternehmerische Freiheit belas-
sen. Das ist deshalb zwingend, weil
Regelungen in der Krankenhauspla-
nung immer auch Eingriffe in die
Berufsfreiheit der Betreiber sind.
Schon die Nichtaufnahme eines Kran-
kenhauses in den Krankenhausplan
stellt einen schwerwiegenden Eingriff
in die Berufswahl dar, der nur durch
Gemeinwohlbelange von hoher Bedeu-
tung gerechtfertigt sein kann. Erst
recht würde die – von den Kranken-
kassen oft geforderte – Herausnahme
eines Krankenhauses aus dem Kran-
kenhausplan vor Gericht nur mit aller-
größten Schwierigkeiten Bestand
haben. Soweit ersichtlich haben
schließlich auch Krankenkassen noch
nie von der Möglichkeit des § 110 SGB
V Gebrauch gemacht, den Versor-
gungsvertrag eines Plankrankenhauses
zu kündigen. Das Land könnte dem nur
widersprechen, wenn das Krankenhaus
für die Versorgung der Bevölkerung
unverzichtbar ist, was in Hessen für
nicht einmal die Hälfte der Plankran-
kenhäuser gilt.
3. Krankenhausförderung
Hier soll keineswegs behauptet wer-
den, die Höhe der von den Ländern
derzeit gezahlten Fördermittel sei aus-
reichend. Das sind sie nicht. Die der-
zeit gezahlten ca. 2,7 Mrd. Euro jähr-
lich sind zu wenig, notwendig wären
5–6 Mrd. Euro, davon ausgehend,
dass man alle deutschen Kliniken alle
25 Jahre neu bauen müsste (übliche
Abschreibungszeit). Bei einer Summe
von ca. 200.000 Euro pro Bett (ohne
die nicht förderfähigen Aufwendungen
für Erschließung. Grundstück, Instand-
haltung und Ambulanzen) ergäbe sich
bei 500.000 Betten ein Betrag von
100 Mrd. Euro, also 4 Mrd. Jährlich,
dazu kämen die Auswendungen für die
kurzfristigen Anlagegüter, also im
Wesentlichen Medizintechnik.
In der Tat beruht ein Teil der wirt-
schaftlichen Schwierigkeiten vieler Kli-
niken auch darauf, dass sie eigentlich
förderfähige Investitionen aus
Betriebsmitteln bezahlen. Die Investiti-
onsbewertungsrelationen nach § 10
KHG, die aktuell vom InEK kalkuliert
werden, werden Licht ins Dunkel brin-
gen, beinhalten sie ja nicht nur Investi-
tionsrelativgewichte, sondern werden
mit echten Zahlen unterlegt sein. Das
bedeutet, dass die investiven Relativge-
wichte, es auch erlauben, einen „Bun-
des- oder Landesbasisinvestitionsfall-
wert“ zu ermitteln, aus dem dann die
tatsächlich erforderlichen Mittel
ersichtlich werden. Ob das angesichts
der in Kürze greifenden Schulden-
bremsen in den Länderhaushalten für
eine Erhöhung der Fördermittel sorgt,
bleibt abzuwarten. Im Übrigen wird im
Krankenhaus Rating Report 2012
darauf hingewiesen, dass die Wirt-
schaftlichkeit der Krankenhäuser nicht
von der Höhe der erhaltenen Förder-
mittel abhängt. Der Verfasser plädiert
im Übrigen dafür, die Möglichkeiten
des § 10 KHG zu nutzen und die För-
derung auf Basis der Investitionsbe-
wertungsrelationen zu pauschalieren.
Hessen ist dazu entschlossen und hat
hierfür ein spezielles Konzept entwi-
ckelt. Die notwendige Gesetzesände-
rung soll ab 2016 greifen und wird
aktuell im Hessischen Landtag beraten.
4. Betriebskostenfinanzierung
Die Zahlen des Statistischen Bundes-
amtes belegen, dass die bereinigten
Kosten der Krankenhäuser für die sta-
tionären Leistungen seit Einführung
des DRG-Systems deutlich stärker
gestiegen sind als die Ausgaben der
Krankenkassen für die Krankenhäuser.
Noch deutlich geringer sind die Anstie-
ge der Landesbasisfallwerte in diesem
Zeitraum. Und dies, obwohl seit dem
Jahr 2009 die Bundesgesetzgebung
mehrfach reagiert hat und u.a. Tarif-
ausgleich sowie ein Pflegesonderpro-
gramm und ein Hygienesonderpro-
gramm aufgelegt hat.
Dennoch gilt: Kein Unternehmen kann
auf Dauer am Markt bestehen, wenn
die Preise weniger stark steigen als die
Kosten. Genau diese Situation haben
wir aber im Krankenhausbereich.
Die Veränderungsrate (oder der Orien-
tierungswert, also der vom Statisti-
schen Bundesamt ermittelte „Waren-
korb Krankenhaus, der aber im Herbst
2013 zum zweiten Mal veröffentlicht
wurde und wiederum tiefer als die
Veränderungsrate liegt) bildet die
Obergrenze für die Erhöhung des Lan-
desbasisfallwerts. Selbst diese wird
aber nicht immer erreicht, denn stei-
gende Morbidität und steigende Fall-
zahlen führen zu einer Absenkung des
Landesbasisfallwerts. Gleichzeitig wer-
den vereinbarte Mehrleistungen nur zu
75 % bezahlt, nicht vereinbarte nur zu
35%. Insgesamt resultiert daraus eine
Situation, die zutreffend mit „Hamster-
radeffekt“ bezeichnet wird. Ein Kran-
kenhaus verschlechtert seine wirt-
schaftliche Situation, wenn es im
nächsten Jahr gleichbleibende Fallzah-
len hat. Also versuchen fast alle Kran-
kenhäuser, Fallzahlsteigerungen um
jeden Preis zu erreichen, auch wenn
die Eingriffe nicht immer notwendig
wären. Sinnvolle und notwendige
Kooperationen finden nicht statt, weil
man den Konkurrenten lieber die
Patienten abwirbt, indem Konkurrenz-
angebote aufgebaut werden, statt
alternative Schwerpunkte zu bilden.
Man müsste insgesamt nicht mehr
Geld ausgeben, wenn die Fallzahlstei-
gerungen der letzten Jahre bei den ver-
muteten morbiditätsorientierten ca.
1% geblieben wären, die Landesbasis-
fallwerte dafür entsprechend stärker
gestiegen wären. Der Krankenhaus
Rating Report 2012 liefert hierzu über-
zeugende Berechnungen. Es spricht
Bände, wenn das InEK berichtet, dass
fast die gesamtem Fallzahlsteigerun-
gen der letzten Jahre auf leichte ortho-
pädische Eingriffe, Gallenblasenopera-
tionen, und elektive Herzkatheterun-
tersuchungen zurückgehen. Das InEK
arbeitet durch Splittung bei diesen
DRG ja teilweise daran, die Anreize zu
mindern, leider werden die schon jetzt
vorhanden Möglichkeiten des § 17b
Abs. 1 Satz 11 KHG von der Selbstver-
waltung nicht genutzt. Diese Vorschrift
bestimmt, dass die Relativgewichte für
Leistungen, bei denen in erhöhtem
Maß wirtschaftlich begründete
D
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...28
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