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Berufspolitik
Nr. 11 • November 2013
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2013 waren 63 Krankenkassen gemel-
det, von denen 33 Verträge außerhalb
der KV abgeschlossen haben. Auch
wenn 50% der Kassen Selektivverträge
als Versorgungskonzept akzeptieren, so
ist doch immer noch knapp die Hälfte
allein auf die budgetierte Gesamtver-
gütung einer KV festgelegt. Die meisten
Verträge werden nach 73 b, also im
hausärztlichen Bereich, abgeschlossen.
Dort sind 111 Vereinbarungen in Kraft,
während nach 73 c nur 89 abgeschlos-
sen wurden. Die Tendenz seit 2011 ist
nur leicht steigend, sodass eher eine
Stagnation der extrabudgetär abge-
schlossenen Selektivverträge beobach-
tet wird.
97% der abgeschlossenen Verträge sind
nicht befristet. Die Krankenkassen
haben wohl verstanden, dass zeitlich
befristete Verträge bei den Leistungser-
bringern eher Rechtsunsicherheit aus-
lösen und die Vertragsabschlüsse
dadurch erschwert werden. Große Dif-
ferenzen gibt es bei den KV-Bezirken.
An der Spitze der Vertragsabschlüsse
steht mit 22% Baden-Württemberg,
gefolgt von Bayern und Bremen mit
10%. Weiter abgeschlagen sind Hessen
mit 9 % und Schleswig-Holstein mit 8%.
Bei allen anderen KV-Bezirken spielen
Selektivverträge nur eine eher unterge-
ordnete Rolle. Die meisten Verträge
werden ohne Beteiligung der KV abge-
schlossen 40% beteiligen die KV. Die
Unterscheidung von Vollversicherung
oder nur teilweiser Abbildung der
Regelversorgung ist deshalb wichtig,
weil hier vermutet werden kann, dass
die nur teilweise die Regelversorgung
abbildenden Verträge auch Zusatzleis-
tungen außerhalb der GKV beinhalten
können. Hier sind die Krankenkassen
offensichtlich eher zurückhaltend. 67%
der abgeschlossenen Verträge bilden
die Vollversicherung ab. Bei den Fach-
gebieten, in denen Verträge abge-
schlossen werden, stehen die operati-
ven Fächer mit 33% im Vordergrund.
Hier werden offensichtlich bereits
extrabudgetär bezahlte Leistungen wie
ambulantes Operieren nochmals durch
Selektivverträge abgebildet. 17% der
Verträge müssen der Prävention zuge-
ordnet werden, 15% sind psychische
Erkrankungen. 8% bilden die Wundver-
sorgung ab.
Fasst man das Ergebnis der Zusam-
menstellung unter der Prämisse
zusammen, dass die Krankenkassen
auch alle Verträge gemeldet haben, so
besteht hier noch ein umfangreiches
Tätigkeitsfeld, das von Kassen und Leis-
tungserbringern selbstständig mit oder
ohne KV ausgefüllt werden könnte.
HFS
Selektivverträge in
der Stagnation
Verträge nach § 73 b und c
(Fortsetzung von Seite 1)
Die ALKK, der BNK und der BDI teilen
diese Übersetzung des für alle Länder
Europas mit unterschiedlichen Struk-
turen der kardiologischen Versorgung
eher allgemein zu verstehenden Termi-
nus „on-site“ durch den Deutschen Ter-
minus „institutionalisiert“ nicht, da sie
eine über die Begrifflichkeit hinausge-
hende ordnungspolitische Interpretati-
on beinhaltet.
Die Leitlinie der Europäischen Gesell-
schaft für Kardiologie kann in diesem
Punkt die speziellen zulassungsrechtli-
chen Definitionen der einzelnen
Gesundheitssysteme in den europäi-
schen Ländern und insbesondere in
Deutschland nicht ausreichend abbil-
den. Nebenbei wurden sie von der
Expertengruppe bereits zwischen 2010
und 2011 erarbeitet und schließlich
erst 2012 veröffentlicht. Entsprechend
kann sie prozessbedingt die neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse eines
in aktueller Entwicklung befindlichen
Verfahrens nicht berücksichtigen. In
Anbetracht dieser Kontroverse wird es
aus Sicht der ALKK, des BNK und des
BDI erforderlich, das oben genannte
Positionspapier der ALKK aus dem Jahr
2011 vor dem Hintergrund neuester
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu
aktualisieren.
Interdisziplinäre Indikationsstellung
und Durchführung der TAVI im Herz-
team
In Übereinstimmung mit den Leitlinien
der ESC sehen ALKK, BNK und BDI die
Bildung eines Herzteams bestehend
aus Kardiologen, Herzchirurgen, Echo-
und CT-Spezialisten, Gefäßchirurgen
und Kardio-Anästhesisten als notwen-
dige Grundvoraussetzung für die opti-
male individuelle Indikationsstellung
und Durchführung der TAVI an (Mudra
et al., 2011). Das Positionspapier von
2011 geht dabei sogar in weit detail-
lierterer Form auf die Einzelheiten der
gemeinsame Indikationsstellung zur
TAVI im Herzteam sowie der struktu-
rellen Voraussetzungen zur Durchfüh-
rung der TAVI ein, als dies die Leitlinien
der ESC tun. Eine Aktualisierung ist aus
Sicht von ALKK, BNK und BDI daher in
diesem Punkt nicht erforderlich. Es sei
hervorgehoben, dass die beteiligten
Verbände die persönliche Anwesenheit
eines herzchirurgischen Teams ein-
schließlich Herzchirurg und Kardio-
techniker sowie die Verfügbarkeit ent-
sprechender Operationsinstrumente
und einer Herz-Lungen-Maschine vor
Ort („on-site“) als notwendig ansehen.
Aber eben nicht das Vorhandensein
einer herzchirurgischen Abteilung am
Krankenhaus der Intervention. In Kran-
kenhäusern ohne eigene Herzchirurgie
existieren seit vielen Jahren enge
Kooperationen mit externen herzchi-
rurgischen Abteilungen zur Versorgung
von Patienten, die eine Herzklappen-
operation benötigen.
Es gibt nach Auf-
fassung von ALKK, BNK und BDI kei-
nen Grund zur Annahme und vor
allem auch keinerlei wissenschaftli-
che Daten, dass solche Kooperations-
Strukturen den Krankenhäusern, die
eine herzchirurgische Abteilung vor
Ort haben, unterlegen sind.
(Diese
von ALKK, BNK und BDI empfohlenen
Strukturvoraussetzungen stehen im
Übrigen nicht imWiderspruch zu den
Empfehlungen der ESC-Leitlinie: In
einer ergänzenden Leserbriefkommu-
nikation sind die Autoren der Leitlinie
der Meinung sind, dass die Organisati-
on des Herzteams zentrumsspezifisch
variieren kann.)
Herzchirurgische Konversion
während/nach TAVI
Es liegen mittlerweile Daten (ein-
schließlich der Bundesauswertung
2012 des AQUA-Registers) von fast
25.000 Patienten vor, die die Häufigkeit
der notfallmäßigen chirurgischen Kon-
version während/nach TAVI untersucht
haben. Demnach treten schwerwiegen-
de Komplikationen, die ein unmittelba-
res Eingreifen des Herzchirurgen wäh-
rend bzw. nach TAVI erfordern, ledig-
lich in ca. 1,2% aller Patienten auf. Im
dt. TAVI-Register (Hein et al. EuroInter-
vention 2013) wurde bei 24 von knapp
2000 Patienten (1,2%) eine Konversion
vorgenommen. Dabei war bei 12 von
13 teilnehmenden Zentren eine herz-
chirurgische Abteilung im Haus vor-
handen. Bei 2/3 der Patienten (16 der
24) erfolgte die Konversion im selben
Raum, d.h. im Herzkatheterlabor bzw.
Hybridraum; der Patient wurde nicht
mehr in den OP transportiert. Bei den
übrigen 8 Patienten betrug die Trans-
portzeit zum OP im Mittel 10 Minuten.
In einer Metaanalyse aller bislang
publizierten Studien (Eggebrecht H et
al. EuroIntervention 2013), die insge-
samt 9251 Patienten umfasste, lag die
Konversionsrate ähnlich niedrig bei
1,1%. In der europäischen Multicenter-
Studie (sog. ADVANCE-Studie, Daten
präsentiert beim EuroPCR Kongress
2012) zur Verwendung der Medtronic/
CoreValve-Klappe (1015 Patienten) war
eine notfallmäßige Konversion nur bei
einem einzigen Patienten erforderlich.
Die Komplikationsraten, die eine herz-
chirurgische Konversion erforderte, lag
in den „single-center“ Analysen der
Uniklinik Hamburg-Eppendorf (458
Patienten) sowie der Rhönklinik Bad
Neustadt a.d.S. (411 Patienten) etwas
höher (2,8% bzw. 4,9%). In der Analyse
der Uniklinik Hamburg-Eppendorf
zeigte sich eine Abnahme der Konversi-
onsraten mit zunehmender Erfahrung.
Nach einer initialen Rate von 1,7% bei
den ersten 115 TAVI stieg die Konversi-
onsrate vorübergehend auf 5,2% an. Bei
den letzten 112 Prozeduren verzeich-
neten die Autoren dann eine Konversi-
onsrate von 0,9%.
Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der ein-
zelnen Studien mit ihren Konversions-
und Mortalitätsdaten.
Angesichts dieser zwischenzeitlich
publizierten Daten sehen ALKK, BNK
und BDI die Einschätzungen des Positi-
onspapiers von 2011 bestätigt: Ein not-
fallmäßiges Eingreifen des Herzchirur-
gen während TAVI ist in der Realität
nur sehr selten erforderlich. Aufgrund
des durch vielfältige Begleiterkrankun-
gen bedingten Risikoprofil der betagten
TAVI-Patienten, aufgrund dessen eine
geplante offene Herzklappenoperation
dem Herzteam nicht möglich erschien,
ist die notfallmäßige Operation mit
einer so hohen Sterblichkeit versehen,
so dass realistischer Weise nur ca. 0,1-
0,3% der TAVI-Patienten von einer not-
fallmäßigen Operation profitieren.
Daten des dt. TAVI-Registers zeigen,
dass solche Konversionen in der Mehr-
zahl der Patienten im Herzkatheterla-
bor bzw. Hybridraum selbst stattfin-
den, so dass der OP-Saal einer herzchi-
rurgischen Abteilung auch im Notfall
gar nicht erst in Anspruch genommen
wird. Aufgrund der seltenen Konversi-
onsrate erscheint es wesentlich sinn-
voller die TAVI-Eingriffe unter optima-
ler Bildgebung und dem etablierten
Standard einer katheterinterventionel-
len Notfallversorgung eines Herzkathe-
terlabors/Hybridraums durchzuführen,
wie es auch an Krankenhäusern mit
ausreichender Infrastruktur und einem
herzchirurgische Team vor Ort, aber
ohne eigenständige Herzchirurgie,
gegeben ist.
Zusammenfassend ist zur Qualitätssi-
cherung der kathetergestützten Aor-
Voraussetzungen für eine TAVI
Stellungnahme der Sektionen des BDI, ALKK und BNK
(Fortsetzung von Seite 1)
Kommentar
Die transfemorale Aortenklappenimplantation ist ein wichtiger Fortschritt in der Ver-
sorgung unserer immer älter werdenden Bevölkerung. Seither konnten viele ältere
Patienten mit symptomatischer Aortenklappenstenose nicht ausreichend behandelt
werden, weil das Risiko aufgrund von Alter und Begleiterkrankungen für einen chirur-
gischen Klappenersatz zu hoch war. Das neue Verfahren ermöglicht es, auch diese
inoperablen Patienten so zu behandeln, dass sie eine einschneidende Verbesserung
ihrer Lebensqualität erfahren. Bei richtiger Indikationstellung handelt es sich somit
um ein additives Behandlungsverfahren, das damit auch zusätzliche Kosten im
Gesundheitswesen auslösen muss. Dies alles ist unbestritten und durch eine europäi-
sche ESC-Leitlinie abgesichert.
Der G-BA ist beauftragt, zu diesem Verfahren eine verbindliche Qualitätsvorgabe zu
beschließen, um ungerechtfertigt Mengenausweitungen zu verhindern. Somit ist ein
Verteilungskampf zwischen Leistungserbringern, in diesem Fall zwischen Kranken-
häusern vorprogrammiert. Nach längerer Diskussion hat man sich an der ESC-Leitlinie
orientiert. Am Ende geht es nur noch um die Frage, welche Rolle bei dem Verfahren
der Herzchirurgie zukommt. In der ESC-Leitlinie steht der Begriff „on site“", der von
der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie mit am Krankenhaus institutionalisierter
Herzchirurgie übersetzt wird – nicht verwunderlich, steht doch die wissenschaftliche
Gesellschaft zunehmend unter herzchirurgischem Einfluss.
Um die praktische Versorgung der Patienten nicht zu kurz kommen zu lassen haben
die Arbeitsgemeinschaft Leitende kardiologische Krankenhausärzte (ALKK), der
Berufsverband der Niedergelassenen Kardiologen (BNK) und der Berufsverband Deut-
scher Internisten eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zu diesem Thema
verfasst, die neben der Leitlinie auch die die zurzeit verfügbaren aktuellen Behand-
lungsdaten berücksichtigt und die Beteiligung der Herzchirugen relativiert. Das Gut-
achten ist dem G-BA zur Verfügung gestellt worden.
HFS
tenklappenimplantation eine enge und
partnerschaftliche Zusammenarbeit
zwischen Kardiologie und Herzchirur-
gie erforderlich. Dies beginnt mit der
gemeinsamen Indikationsstellung im
„Herzteam“, das den Patienten hin-
sichtlich seiner Beschwerden und
Begleiterkrankungen persönlich begut-
achtet, um so die Entscheidung für das
beste Therapieverfahren patientenindi-
viduell zu treffen und entsprechend zu
dokumentieren. Während der eigentli-
chen Durchführung der TAVI-Prozedur
muss für den einzelnen Patienten vor
Ort („on-site“) eine unmittelbare herz-
chirurgische Versorgung durch Koope-
ration mit einem herzchirurgischen
Team gewährleistet sein, um die wenn
auch seltenen Situationen, die ein not-
fallmäßiges Eingreifen des Herzchirur-
gen erfordern, beherrschen zu können.
Dazu ist es erforderlich, aber auch aus-
reichend, dass TAVI-Eingriffe in Kran-
kenhäusern ohne eigene herzchirurgi-
sche Abteilung in Anwesenheit eines
herzchirurgischen Teams (Herzchirurg,
Kardiotechniker, OP-Assistenz) im
Herzkatheterlabor, bzw. idealerweiser
im Hybrid-OP, mit entsprechender
apparativer Ausstattung (Narkose-/
Beatmungsgerät, Herz-Lungen-Maschi-
ne) durchgeführt werden.
Die Forderung nach einer herzchirurgi-
schen Abteilung am TAVI-Implantati-
onsort ist weder klinisch begründbar,
noch gibt es dazu unterstützende wis-
senschaftliche Daten.
Die Qualität der TAVI-Eingriffe wird vor
allem bestimmt
▶ von der Expertise des interventio-
nell tätigen kardiologischen Teams
und nicht von dem Vorhandensein
einer herzchirurgischen Abteilung,
sowie
▶ von einer sachgerechten Indikati-
onsbegrenzung auf Patienten höhe-
ren Lebensalters mit deutlich
erhöhtem operativen Klappener-
satzrisiko.
Nach Auffassung von ALKK, BNK und
BDI bietet genau dieser Ansatz auch die
Möglichkeit einer qualitätsbezogenen
Mengenbegrenzung.
Prof. Dr. D. Andresen, Vorsitzender ALKK e.V.
Dr. med. N. Smetak, Bundesvorsitzender
BNK e. V.
Prof. Dr. H. M. Hoffmeister, Vorstand im BDI,
Vorsitzender Sektion Kardiologie
Autoren
Konversion TAVI zu offene OP Sterblichkeit trotz Konversion
Linke A, ADVANCE-Studie, EuroPCR 2012
1/1015 (0,1%)
---
Eggebrecht H, EuroIntervention 2013
102 / 9251 (1,1%)
67,1%
Seiffert M, EJCTS 2013
13 / 458 (2,8%)
38,5%
Griese D, Cathet Cardiovasc Intervent 2013
20 / 411 (4,9%)*
30-Tage: 35%; In-hospital: 45%
Hein, EuroIntervention 2013
24 / 1975 (1,2%)
46%
Eggebrecht H, EuroIntervention, im Druck
27 / 2307 (1,2%)
51,9%
AQUA-Register 2012 **
109 / 9355 (1,2%)
k.A.
Gesamt
286 / 24772 (1,15%)
*4 Patienten wurden zu transapikaler TAVI mit HLM „konvertiert“, **„Konversion zu Sternotomie“
Tab.1
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...28
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