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Juni 2014
BDI aktuell
Schwerpunkt Diabetes
Diät und körperliche Bewegung sind
das A und O der Diabetes-Therapie,
doch wie soll die richtige Diät ausse-
hen? Eine jetzt beim Diabetes-Welt-
kongress vorgestellte, sehr sorgfältige
Studie liefert Argumente, dass Diabe-
tiker vor allem die Kohlenhydrat-Zu-
fuhr massiv einschränken sollten. Häu-
fig wird heute eine energie- und fettre-
duzierte Diät empfohlen ( 30 Pro-
zent Energieaufnahme durch Fett), die
zu 45 bis 65 Prozent aus hochraffinier-
ten Kohlenhydraten besteht. Aller-
dings haben diätetische Kohlenhydrate
den größten Einfluss auf den Blutzu-
ckerspiegel, während zugeführtes Fett
und Protein – beides unabhängig –
den Blutglukosespiegel absenken. Dies
spräche dafür, Diabetikern eine beson-
ders kohlenhydratarme Diät nahezule-
gen.
Fettreichere Diät erhöht LDL
In mehreren Studien zeigte sich jeweils
eine deutliche Absenkung des
HbA1c-Wertes um 0,6 bis 1 Prozent:
Limitationen bestanden aber darin,
dass jeweils kein integrierter Ansatz
einschließlich verstärkter körperlicher
Belastung verfolgt wurde und neuere,
prognostisch relevante Parameter wie
die Blutzuckervariabilität oder post-
prandiale Glukoseexkursionen nicht
untersucht wurden. Darüber hinaus
zeigten die Studien, dass zwar die Tri-
glyzerid- und HDL-Cholesterinwerte
verbessert werden konnten, gleichzei-
tig aber die LDL-Cholesterinwerte un-
ter einer fettreichen Diät anstiegen.
Dies lässt keine günstigen Effekte auf
das kardiovaskuläre Risiko erwarten.
Die Autorengruppe um Jeannie Tay
und Dr. Grant David Brinkworth von
der Universität in Adelaide in Australi-
en hat daher die Hypothese aufgestellt,
dass die beste Diät für Diabetiker sehr
wenig Kohlenhydrate ( 50 g/d) und
auch wenig gesättigte Fettsäuren (10
Prozent) enthalten sollte. Im Rahmen
eines randomisierten Parallelgruppen-
vergleiches motivierten die Studienau-
toren 115 Typ-2-Diabetiker (Durch-
schnittsgewicht von 101 kg, durch-
schnittlicher-BMI 34 kg/m
2
), ein hal-
bes Jahr dreimal wöchentlich an einem
60-minütigen überwachten kombinier-
ten Ausdauer- und Resistenztraining
teilzunehmen sowie eine von zwei Diä-
ten einzuhalten: Die Interventions-
gruppe erhielt sehr wenig Kohlenhy-
drate und wenig gesättigte Fettsäuren.
Sie ernährte sich zu 58 Prozent von
überwiegend mehrfach ungesättigten
Fetten, zu 28 Prozent von Proteinen
und zu 14 Prozent von Kohlenhydra-
ten. Die Kontrollgruppe erhielt viele
Kohlenhydrate und wenig Fett. Sie er-
nährte sich zu 53 Prozent von Kohlen-
hydraten, zu 17 Prozent von Proteinen
und zu 30 Prozent von Fetten. Auch
in dieser Gruppe wurde der Anteil der
gesättigten Fettsäuren auf unter zehn
Prozent begrenzt.
Die beiden Diäten waren isokalo-
risch und stellten jeweils eine mäßig-
gradige Energierestriktion dar. Beide
Gruppen erhielten in regelmäßigen
Abständen Mahlzeitproben sowie
Gutscheine für entsprechende Mahl-
zeiten. Die Studienpatienten wurden
regelmäßig gewogen. Ihre Therapiead-
härenz wurde penibel überwacht, z. B.
durch Bestimmung der Plasmaketone
alle vier Wochen oder siebentägige Ak-
zelerometrie. Diese zeigten, dass in
beiden Gruppen das Aktivitätsniveau
deutlich gehoben und in der Interven-
tionsgruppe tatsächlich die Kohlenhy-
drate massiv eingeschränkt wurden. 94
von 115 Patienten standen die Studie
sechs Monate durch.
Zwölf Kilo weniger in sechs Monaten
In beiden Gruppen verloren die Pati-
enten deutlich an Gewicht, im Schnitt
zwölf bzw. 11,5 kg. In beiden Grup-
pen nahmen Blutdruck, Insulinwerte,
Insulinresistenz (HOMA2-IR) und
CRP-Werte signifikant ab. Auch die
LDL-Werte veränderten sich gleich-
sinnig: Sie nahmen jeweils um
0,3 mmol/l ab. Bezüglich der diabeti-
schen Stoffwechselkontrolle erwies
sich kohlenhydratarme Kost jedoch als
signifikant überlegen: Die Patienten
dieser Gruppe konnten in weit deutli-
cherem Ausmaß ihre Diabetes-Medi-
kamente reduzieren. Bei den Patienten
mit HbA1c-Ausgangswerten über 7,8
Prozent fiel der HbA1c-Wert in der
Interventionsgruppe um satte 2,6 Pro-
zent und in der Kontrollgruppe um
1,9 Prozent. In weit deutlicherem Ma-
ße als in der fettreduzierten Diätgrup-
pe sank auch die Blutglukose-Variabi-
lität in der Gruppe mit kohlenhydrat-
reduzierter Diät. Auch auf die Triglye-
ride und das HDL-Cholesterin hatte
die kohlenhydratreduzierte Diät einen
günstigeren Einfluss.
Eine beim Diabetes-Welt-
kongress vorgestellte Studie
spricht dafür, den Patienten
vor allem eine stark einge-
schränkte Kohlenhydrat-
zufuhr anzuraten.
Low Carb bringt bei Diabetes
die besten Ergebnisse
Von Dirk Einecke
Bei Diabetes sollten zu viele Kohlenhydrate vermieden werden.
© FOTOLIA.COM
Kohlenhydratarme Kost ist zur Stoffwechselkon-
trolle einer fettarmen Diät signifikant überlegen.
Jeannie Tay et al., Universität Adelaide
Allein mit gesünderer Ernährungswei-
se kann ein Patient mit neu diagnosti-
ziertem Typ-2-Diabetes seine kardio-
vaskulären Risikofaktoren innerhalb
von zwölf Monaten etwas verringern,
und zwar unabhängig von der Medika-
tion und sportlichen Aktivitäten. Dies
haben Louise A. Savory et al. vom Na-
tional Health Service anhand von Da-
ten der Kohortenstudie ADDITION-
Cambridge herausgefunden (Diabet
Med 2014;31:148-155). 867 Patien-
ten, bei denen im Rahmen eines
Screenings Diabetes entdeckt worden
war, wurden eingeschlossen. Sie be-
richteten zu Beginn der Untersuchung
sowie nach einem Jahr u. a. über ihre
Essensgewohnheiten. Zudem wurde
der Vitamin-C-Wert im Plasma be-
stimmt und die kardiovaskulären Risi-
kofaktoren wurden überprüft.
Mit einer multivariaten Regressi-
onsanalyse berechneten die Forscher
unter Berücksichtigung der körperli-
chen Aktivität und der kardioprotekti-
ven Medikation den direkten Zusam-
menhang zwischen Ernährungsände-
rung und dem kardiovaskulären Risi-
ko. Bei der Eingangsuntersuchung
erwiesen sich die Patienten überwie-
gend als adipös (BMI durchschnittlich
33,4 kg/m
2
). Die Messwerte ergaben
ein kardiovaskuläres 10-Jahres-Risiko
von 31 Prozent.
Nach Ablauf eines Jahres berichte-
ten die Studienteilnehmer zwischen 40
und 69 Jahren erneut über ihre Ernäh-
rungsgewohnheiten. Ihre Kalorien-
und Fettzufuhr hatte sich signifikant
reduziert, und sie nahmen weniger
Natrium auf. Dafür aßen sie mehr
Obst und Gemüse (461,9 vs.
529,5 g/d) und ihre Nahrung war bal-
laststoffreicher (16,9 vs. 18,3 g/d). Die
eingesparten Kalorien entsprachen
etwa einem Schokoriegel, die gewon-
nene Vitaminzufuhr etwa einer Pflau-
me täglich. Insgesamt sank auch der
Alkoholverbrauch und einige Patien-
ten gaben das Rauchen auf.
Obst besser für Taille als Gemüse
Die Ernährungsumstellung führte da-
zu, dass nach einem Jahr Taillenum-
fänge und BMI (33,4 vs. 32,3 kg/m
2
)
abgenommen hatten. Außerdem erga-
ben sich niedrigere Werte beim Ge-
samtcholesterin (5,4 vs. 4,5 mmol/l),
beim systolischen Blutdruck (141,9 vs.
136,3 mmHg) sowie beim HbA1c (7,3
vs. 6,5 Prozent). Das berechnete kar-
diovaskuläre Risiko fiel entsprechend
ab. Eine genauere Betrachtung der
einzelnen Komponenten der neuen
Ernährungsweise zeigte, dass ein ver-
mehrter Obstverzehr Taille, HbA1c
und Cholesterinspiegel reduzierte.
Auch eine fett- und kalorienärmere
Kost war vorteilhaft für die Figur und
den Langzeitblutzucker. Packten die
Probanden dagegen mehr Gemüse auf
den Teller, nahmen BMI und Taillen-
umfang zu. Am deutlichsten profitier-
ten Patienten, bei denen ein höherer
Vitamin-C-Wert als zu Studienbeginn
gemessen wurde: Die Steigerung stand
in signifikantem Zusammenhang mit
der Reduktion von BMI, Taillenum-
fang, HbA1c und dem kalkulierten
kardiovaskulären Risiko. Auch der
sparsamere Kochsalzverbrauch beein-
flusste Gesamtcholesterin und Herz-
Kreislauf-Risiko positiv.
(st)
Schutz fürs Herz: Mehr Vitamine, weniger Kalorien
Mit gesunder Ernährung
kann ein Patient mit frisch
diagnostiziertem Diabetes
viel für sein Herz tun.
Jüngeres Erkrankungsalter = höhe-
res Risiko für Hyperglykämien:
Dieser Zusammenhang wurde in ei-
ner Studie mit 1438 Typ-2-Diabeti-
kern deutlich. Die Daten stammen
aus dem NHANES (National
Health and Nutrition Examinati-
on-Survey), in dem US-Bürger zwi-
schen 2005 und 2010 Auskunft zu
ihrer Ernährung und Gesundheit
gaben. Wie Seth A. Berkowitz et al.
von der Harvard Medical School
in Boston berichten (Diabetologia
2013;56:2593-2600), waren Typ-
2-Diabetiker, die vor dem 65. Le-
bensjahr erkrankten, deutlich stär-
ker gefährdet, kritische HbA1c-
Schwellenwerte zu überschreiten,
als Patienten mit der Erstdiagnose
jenseits dieser Altersgrenze.
An Krankheitsdauer liegt es nicht
HbA1c-Werte von 9 Prozent er-
reichten 14,4 Prozent der bei Diag-
nose jüngeren Patienten, aber nur
2,5 Prozent der bereits älteren. Ein
HbA1c von 8 Prozent wurde mit
Wahrscheinlichkeiten von 23,7 vs.
6,2 Prozent erreicht, für Werte 7
Prozent lagen die Raten bei 47,9 vs.
25,6 Prozent. Der Zusammenhang
blieb auch dann bestehen, wenn
man Einflussfaktoren wie BMI,
Taillenumfang, Diabetesdauer und
familiäre Belastung herausrechnete.
Unter diesen Umständen war die
Wahrscheinlichkeit eines HbA1c
9 Prozent bei den in jüngeren
Jahren diagnostizierten Patienten
um mehr als das Dreifache erhöht.
Für HbA1c von 8 Prozent war
das Risiko 2,72-mal, für einen Wert
von 7 Prozent 1,92-mal so hoch
wie bei denen, die erst ab 65 Jahren
erkrankt waren.
Das Risiko einer exzessiven Blut-
zuckerentgleisung (HbA1c 9 Pro-
zent) nahm mit jedem diabetesfrei-
en Lebensjahr ab (OR 0,94). In
Subgruppenanalysen mit Patienten
über 70 Jahren bzw. mit erst in den
letzten fünf Jahren neu diagnosti-
zierter Erkrankung war zudem die
Wahrscheinlichkeit eines HbA1c-
Werts von 7 Prozent bei denjeni-
gen deutlich erhöht, die vor dem
65. Lebensjahr erkrankt waren (OR
2,73 bzw. 1,91).
(eo)
Früher Beginn
und schlechtere
Karten?
Wer vor dem 65. Lebens-
jahr an Typ-2-Diabetes
erkrankt, hat in den
Folgejahren offenbar ein
besonders hohes Risiko
für Hyperglykämien.
HYPERGLYKÄMIEN
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...24
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