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In Sachen Versorgungsqualität will sich
der AOK-Bundesverband die Ärzte an
die Seite holen.
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BERUFSPOLITIK
Schon leichte Schädel-Hirn-Traumata
sind mit stärkeren Amyloidablagerungen
assoziiert.
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MEDIZIN
„Der Anfang war schwer, vor allem
wegen der Sprache.“
WIE EINE USBEKISCHE ÄRZTIN IN DEUTSCHLAND FUSS FASST
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MITGLIEDERZEITUNG BERUFSVERBAND DEUTSCHER INTERNISTEN BDI E.V.
PVST 58132 NR. 6, JUNI 2014
DIE INHALTE VON BDI AKTUELL FINDEN SIE AUF
300 Millionen Euro pro Jahr beträgt
ein Investitionsfonds, den die Koali-
tion einrichten will. Damit stehen für
die angedachten vier Jahre 1,2 Milli-
arden Euro zur Förderung innovati-
ver sektorübergreifender Versor-
gungsformen und für die Versor-
gungsforschung zur Verfügung. Der
Gemeinsame
Bundesausschuss
(GBA) soll einem Koalitionspapier
zufolge die Kriterien der Mittelver-
teilung, unter anderem durch Aus-
schreibungsverfahren, regeln.
Das Geld wird von den Kranken-
kassen und vom Gesundheitsfonds
zur Verfügung gestellt. Wie nicht an-
ders zu erwarten, hat dieser Betrag
sofort Begehrlichkeiten geweckt, un-
ter anderem auch bei wissenschaftli-
chen Instituten. Nicht frei von An-
sprüchen war auch der GBA, obwohl
er nach dem Willen der Koalition,
eher das Geld verteilen und nicht
ausgeben soll.
Die Autoren des Gesundheitska-
pitels des Koalitionsvertrags, SPD-
mann Karl Lauterbach und sein
CDU-Kollege Jens Spahn, sahen sich
deshalb genötigt, einige klärende
Worte für die Umsetzung des Inno-
vationsfonds zu sprechen. Demnach
sollen in innovative Strukturen 225
Millionen Euro pro Jahr investiert
werden. Als Innovation definieren sie
Versorgungsleistungen, die über die
heutige Regelversorgung hinausge-
hen. Besonders gewünscht ist der
sektorübergreifende Charakter der
Modellprojekte. Die Versorgungsfor-
schung wird mit 75 Millionen Euro
pro Jahr bedacht. Gefördert werden
sollen Projekte, die Versorgungslü-
cken analysieren, langfristige und
umfassende Versorgungsziele definie-
ren, auch die Begleitforschung insbe-
sondere bei der sektorübergreifenden
Qualitätssicherung wird einbezogen.
Wie sollen die Mittel verteilt wer-
den? Lauterbach und Spahn fordern,
dass ein effizientes und transparentes
Entscheidungsverfahren beim GBA
etabliert wird. Die Verwaltung der
Fördergelder soll aber nicht beim
GBA erfolgen, weil dieser darauf
nicht eingerichtet sei.
Man will die Finanzverwaltung
entweder beim GKV-Spitzenverband
oder beim Gesundheitsfonds, sprich
dem Bundesversicherungsamt, ansie-
deln. Von dort würden die Förder-
gelder ausgezahlt. In einem neu zu
gründenden Unterausschuss Innova-
tion und Versorgungsforschung unter
Beteiligung von Vertretern des Bun-
desgesundheitsministeriums werden
die Anträge bearbeitet.
Dem GBA wird nicht schmecken,
dass diese Entscheidungen in einer
neu einzurichtenden Arbeitseinheit
getroffen werden, die bewusst von
der Geschäftsstelle des GBA unab-
hängig sein soll, um ein neutrales
Verfahren zu gewährleisten. Offen-
sichtlich haben die Spahn und Lau-
terbach Bedenken, dass ein Teil der
Fördergelder im GBA selbst ver-
schwinden könnte.
Das Verfahren wird stark bürokra-
tisiert sein, da auch zusätzlich das
IQWiG und das noch zu gründende
Qualitätsinstitut eingebunden wer-
den sollen. Auch ein externer Zweit-
gutachter ist vorgesehen. Von ent-
scheidender Bedeutung ist die Frage,
wer antragsberechtigt ist. Die Mittel
der Innovationsförderung können
von folgenden Institutionen immer in
Verbindung mit mindestens einer ge-
setzlichen Kassen beantragt werden:
Vertragsärzte und -zahnärzte sowie
zur Versorgung der Versicherten be-
rechtigte Leistungserbringer oder de-
ren Gemeinschaften,
Träger zugelassener Krankenhäu-
ser, stationären Vorsorgerehabilitati-
onseinrichtungen sowie Träger von
ambulanten Rehabilitationseinrich-
tungen und deren Gemeinschaften,
Träger von Medizinischen Versor-
gungszentren,
Träger von Einrichtungen, die eine
Integrierte Versorgung nach Paragraf
140 SGB V anbieten,
Pflegekassen und zugelassene Pfle-
geeinrichtungen,
alle Gemeinschaften der hier be-
reits erwähnten Leistungserbringer
und deren Gemeinschaften,
Praxiskliniken.
Damit sind alle direkt oder indi-
rekt an der Versorgung von GKV-Pa-
tienten beteiligten Institutionen vor-
gesehen. Bewusst ausgeklammert hat
man die Arzneimittelindustrie und
die Hersteller von Medizinproduk-
ten. Die Mittel zur Versorgungsfor-
schung können im Übrigen zusätz-
lich auch von wissenschaftlichen Ins-
titutionen beantragt werden.
Fazit: Krankenkassen und Ge-
sundheitsfonds stellen erstmals hohe
Beträge zur Innovationsförderung
und
Versorgungsforschung
im
GKV-System zur Verfügung. Verwal-
tet wird das Ganze wie immer durch
den GBA. Nach den Vorschlägen der
Politiker Karl Lauterbach und Jens
Spahn soll aber verhindert werden,
dass das Geld in dieser Institution
selbst versickert. Geöffnet wird der
Fonds für nahezu alle Leistungser-
bringer. Wie immer in der GKV ist
mit einem hohen bürokratischen
Aufwand zu rechnen, sodass es wohl
noch eine Weile dauern wird, bis die
ersten Forschungsgelder fließen.
Wettlauf um Innovationsförderung
Der von Union und SPD in
Aussicht gestellte Innova-
tionsfonds hat allseits
Begehrlichkeiten geweckt.
Auch der GBA hofft auf
Zugriff – dem schieben die
Koalitionäre aber lieber
einen Riegel vor.
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Der Innovationsfonds hat bereits einen Ansturm auf die Fördermittel geweckt.
© ISTOCKPHOTO
Milliarden Euro
in vier Jahren
sollen über den Innovationsfonds
in sektorenübergreifende Versor-
gungsmodelle fließen.
Schwere Komplikationen infolge ei-
ner Narkose sind hierzulande zumin-
dest bei Patienten in gutem Allge-
meinzustand eine Seltenheit. Das
zeigt eine Auswertung des Kernda-
tensatzes Anästhesie, ein freiwilliges
System zur Qualitätssicherung. Auf
der Basis dieses Registers haben
Dr. Dr. Jan-Hendrik Schiff vom Kli-
nikum Stuttgart und Kollegen das
Narkoserisiko analysiert. Schwere
Komplikationen und Todesfälle sind
demnach bei ansonsten weitgehend
gesunden Patienten „ausgesprochen
seltene Ereignisse“, wie sie im „Bri-
tish Journal of Anaesthesia“ berich-
ten. Pro einer Million elektiver Ein-
griffe kamen sie auf etwa sieben gra-
vierende Komplikationen, die der
Anästhesie anzulasten waren.
Die aktuelle Analyse beruht auf
Patientendaten aus den Jahren 1999
bis 2010. Berücksichtigt wurden al-
lerdings nur Patienten mit einem
ASA-Score von 1 oder 2, die sich ei-
ner elektiven Operation außerhalb
des Herzens unterzogen hatten. Pati-
enten mit schlechterem Gesundheits-
zustand, mit Notfall- oder Herz-Ope-
rationen waren ausgeschlossen wor-
den, weil die kausale Zuordnung von
schweren Zwischenfällen hier mehr
Schwierigkeiten bereitet hätte.
Von den fast 1,4 Millionen Patien-
ten erlitten 36 perioperativ Kompli-
kationen, die zu gravierenden blei-
benden Schäden oder zum Tod führ-
ten. Die Komplikationsrate betrug
damit 26,2 pro Million Operierter,
bei Patienten mit ASA 1 lag sie bei
13,5 und mit ASA 2 bei 38,2. Das
bedeutet 7,3 narkosebedingte Kom-
plikationen bei einer Million Operati-
onen.
(bs)
Alles unter Kontrolle:
Deutschen Anästhesisten
unterlaufen nur selten
schwere Fehler. Das zei-
gen die Daten von fast
1,4 Millionen Eingriffen.
Narkose in Deutschland ist sicher
Patienten wollen durch Präven-
tion Erkrankungen und damit
verbundene Beschwerden ver-
hindern. Für Ärzte sind pro-
phylaktische
Behandlungen
auch eine zusätzliche Einnah-
mequelle. Kassen hoffen, dass
sie durch Prävention Kosten
sparen können.
Jedoch gibt es dabei einen
Haken: Wenige Vorsorgemaß-
nahmen sind wissenschaftlich
belegt – und der Kostennutzen
präventiver Maßnahmen ist
schwer zu beweisen.
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Prävention –
eine Frage des
Blickwinkels
DEUTSCHER ÄRZTETAG
Nach einem Herzinfarkt ist es of-
fenbar besonders ratsam, sich bal-
laststoffreich zu ernähren. In einer
großen Kohortenstudie, publiziert
in der Fachzeitschrift „BMJ“, hat-
ten Vollkornfans nach dem Ereig-
nis ein deutlich geringeres Sterbe-
risiko. So führte die Aufnahme
von gut 11 g mehr Ballaststoffen
pro Tag zu einer Abnahme des
kardiovaskulären Risikos um 35
Prozent gegenüber Teilnehmern,
die pro Tag um 4 bis 5 g weniger
als zuvor konsumierten.
(eo)
Nach dem
Herzinfarkt
viel Vollkorn!
US-EXPERTEN RATEN
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