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Juni 2014
BDI aktuell
Panorama
TOMICEK’S WELT
Google-Demenz
ZITIERT
Wir kehren diese
Fehler nicht unter
den Tisch, sondern
wir lernen aus ihnen
und wir setzen uns
dafür ein, dass den
betroffenen Patienten
schnellstmöglich
geholfen wird.
Professor Frank Ulrich Montgomery
Präsident der Bundesärztekammer
(BÄK), über die Behandlungsfehler-
statistik des Medizinischen Dienstes
der Krankenkassen. Die BÄK wird
Ende Juni ebenfalls eine Fehlerstatistik
veröffentlichen.
Zwillinge haben normalerweise den
gleichen Geburtsort und meist auch
den gleichen Geburtstag. Nicht so
die Kinder einer Frau aus Libyen.
Die 38 Jahre alte Hawa Sawki
brachte in einer Gesundheitsstation
in der kleinen Oase Rubajana erst
eine gesunde Tochter zur Welt. Die
vierfache Mutter, die gar nicht
wusste, dass sie noch ein zweites
Kind im Leib trug, klagte allerdings
nach der Geburt über starke Unter-
leibsschmerzen.
Wie das libysche Nachrichten-
portal „Al-Tadhamun“ meldete,
überwies sie daraufhin ein koreani-
scher Arzt an ein Krankenhaus in
der rund 150 Kilometer entfernten
Oasenstadt Al-Kufra. Nach einer
anstrengenden Fahrt über buckelige
Sandpisten stellte ein Arzt in Al-
Kufra schließlich fest, dass die Frau
mit einem weiteren Kind schwan-
ger war. Mehr als 24 Stunden nach
der ersten Geburt wurde ein Zwil-
lingsbruder geboren. Beide Kinder
seien wohlauf, hieß es.
(dpa)
Zwillinge an
verschiedenen
Orten geboren
AUCH DAS NOCH
Morgens macht sich Samira Shadma-
nova mit Bus und Bahn von Solingen
auf den Weg nach Düsseldorf. Dort
paukt sie deutsche Grammatik, übt
Briefe zu schreiben, versucht das deut-
sche Gesundheitssystem zu verstehen.
„Ich bin so dankbar, dass sie mir das
zutrauen“, sagt die 47-Jährige und
strahlt. Seit Anfang des Jahres ist sie
mit großer Begeisterung dabei. Wenn
alles gut geht, wird Ende des Jahres ihr
großer Traum wahr: als Ärztin auf der
Station für innere Medizin eines deut-
schen Krankenhauses zu arbeiten.
„Der Anfang war schwer“
Shadmanova ist Teilnehmerin eines
neuen Integrationsprojektes für aus-
ländische Ärzte in Nordrhein-Westfa-
len. Im Kampf gegen den Ärztemangel
will das Land Medizinern den Berufs-
einstieg erleichtern, die aus verschie-
denen Gründen bislang in Deutsch-
land nicht beruflich Fuß fassen konn-
ten. „Für uns alle ist es die letzte
Chance“, meint die Ärztin aus Usbe-
kistan.
Sie selbst ist seit 2004 in Deutsch-
land. Ihre Familie kam aus Samarqand
nach Wilhelmshaven, weil ihr Mann
dort eine Stelle in der Gynäkologie an-
treten konnte. Shadmanova, die in Us-
bekistan zuletzt als Werksärztin in ei-
nem großen Industriekomplex gear-
beitet hatte, kümmerte sich zunächst
um die beiden Kinder, ein drittes wur-
de in Deutschland geboren. „Der An-
fang war schwer, vor allem wegen der
Sprache“, erinnert sich die Medizine-
rin. „Ich denke noch heute in Rus-
sisch.“ In ihrem kleinen frie-
sischen Wohnort begegnete
man „Herrn und Frau
Doktor“ mit viel Respekt
– auch wenn Shadmano-
va gar nicht promoviert
hat.
Ihr erstes Erlebnis mit
einem deutschen Arzt
war dagegen eher ab-
schreckend: Es war ein Kinderarzt, ih-
re Kinder mussten übersetzen, was der
Mann sagte. „Er hat die ganze Zeit so
kritisch geguckt.“ Der Kollege habe
kaum Zeit gehabt und stellte nur
schnell ein Rezept aus. „Und ich dach-
te: Oh Gott, so sind also die Ärzte in
Deutschland, keine Empathie, wie Ro-
boter.“
Hürden für Nicht-EU-Ärzte
Mehrmals zog die Familie um, landete
schließlich in Solingen im Bergischen
Land. Dort reifte bei Samira Shadma-
nova vor drei Jahren der Entschluss,
wieder in ihren Beruf einsteigen zu
wollen. Sie erhielt eine befristete Ar-
beitserlaubnis und machte ein Prakti-
kum in der inneren Medizin des örtli-
chen St. Lukas-Krankenhauses. Diese
Zeit bestärkte sie in ihrem Vorhaben.
Mit ihren sprachlichen Schwierigkei-
ten seien die Patienten immer gedul-
dig umgegangen. „Wenn man Empa-
thie hat, kriegt man keine negative Re-
sonanz.“
Doch nach dem Praktikum ging es
erst einmal nicht weiter. „In Nord-
rhein-Westfalen ist es besonders
schwer für Nicht-EU-Ärzte.“ Ohne
Kenntnisprüfung gibt es keine Weiter-
bildung und keine Anstellung. Dass es
für EU-Ärzte viel leichter ist, trotz feh-
lender Sprachkenntnisse hier zu arbei-
ten, findet sie ungerecht, gibt sie offen
zu.
Die Ärztin bereitete sich selbst auf
die Prüfung vor, trat sie im Mai 2012
an – und fiel durch. Danach war sie
zunächst ratlos. Sie überlegte, alterna-
tiv eine Ausbildung im Gesundheits-
wesen zu beginnen. „Aber ich liebe
meinen Beruf.“ Daher suchte sie wei-
ter nach Möglichkeiten für den Ein-
stieg als Ärztin. „Ich will auf eigenen
Beinen stehen, den weißen Kittel an-
ziehen und sagen ,Ja, ich bin Ärztin.‘“
Dass sie Medizin studieren wollte, war
ihr schon mit zehn, elf Jahren klar. Ih-
re Mutter ist Krankenschwester, des-
halb verbrachte sie selbst viel Zeit im
Krankenhaus – und traf dort auf zwei
engagierte Ärztinnen, die ihr Vorbild
wurden.
Nach dem Schulabschluss folgten
sechs Jahre Studium und ein prakti-
sches Jahr. Gemeinsam mit elf ande-
ren Ärzten arbeitete sie in der werksei-
genen Praxis des Industriekomplexes
und war präventiv wie kurativ tätig.
„Das war interessant, wir kannten un-
sere Patienten gut.“
Im vergangenen Herbst ging dann
alles ganz schnell: Im Internet stieß
Shadmanova auf das Integrationspro-
jekt. Sie bewarb sich, hatte am Niko-
laustag ihr Vorstellungsgespräch und
wurde angenommen. Bis Ende Mai
sitzt sie nun täglich im Unterricht - ih-
re aktuelle Herausforderung: Kon-
junktiv II. Anschließend steht das
Praktikum an. Sie hat sich bereits bei
einer Reha-Klinik mit Spezialisierung
auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen be-
worben und freut sich auf die Zeit:
„Ich will von ganzem Herzen arbei-
ten.“
Die aus Usbekistan
stammende Ärztin Samira
Shadmanova will in
Deutschland als Ärztin
arbeiten. Durch die erste
Sprachprüfung rauscht
sie durch – und gibt nicht
auf. Wir begleiten die
Medizinerin auf ihrem Weg
ins deutsche Gesundheits-
wesen.
Kampf mit dem Konjunktiv: Vom
Hürdenlauf einer usbekischen Ärztin
Integrationsprojekt
Das Integrationsprojekt für Ärzte
aus Nicht-EU-Ländern
wird von
der Otto-Benecke-Stiftung in
Bonn geleitet und teilt sich in
drei Abschnitte: eine fachsprach-
liche Vorbereitung, ein dreimona-
tiges ärztliches Praktikum und ei-
ner abschließenden Vorbereitung
auf die Kenntnisprüfung.
Das Projekt finanzieren
das
Gesundheitsministerium Nord-
rhein-Westfalen und der Europäi-
sche Sozialfonds. Es gab viele
Bewerbungen, viele Zuwanderer
wollten aber nur ihre fachärztli-
che Weiterbildung absolvieren
und nicht dauerhaft in Deutsch-
land arbeiten. Am Ende wurden
zwölf Teilnehmer für das erste
Modul ausgewählt, das im
Dezember gestartet ist.
(kab)
Teilnehmerin eines Integrationskurses: Kampf mit der deutschen Sprache.
© ROLF VENNENBERND/DPA
„Ich will den wei-
ßen Kittel anziehen
und sagen ‘Ja, ich
bin Ärztin’“: Sami-
ra Shadmanova.
© KATRIN BERKENKOPF
Von Katrin Berkenkopf
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