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Sollte in Zukunft die Weiterbildung
vermehrt in ambulanten Praxen statt-
finden, muss über den obligaten Fach-
arztstatus bei der Leistungserbringung
nachgedacht werden. Muss man auch
hier analog zum Krankenhaus den
Facharztstandard zulassen?
Der Facharztstatus gilt in der am-
bulanten Versorgung uneingeschränkt.
Damit wird die persönliche Leistungs-
erbringung garantiert. Alle Leistungen
hat der niedergelassene Facharzt selbst
zu erbringen, was er bei seiner Quar-
talsabrechnung quittieren muss. Im
Krankenhaus gilt demgegenüber der
Facharztstandard. Dort werden nicht
alle Leistungen vom Facharzt selbst
erbracht, die „Aufsicht“ bei der Leis-
tungserbringung reicht aus – was im-
mer man in der Klinikpraxis darunter
versteht. Bei beiden Regelungen bleibt
der Facharzt aber letztendlich verant-
wortlich gegenüber dem Patienten.
Die Krankenhausregelung dient vor
allem dazu, die Weiterbildung zum
Facharzt zu ermöglichen. Es handelt
sich dabei nach seitheriger Lesart um
ein Abfallprodukt der täglichen ärztli-
chen Arbeit – neudeutsch: Learning by
doing. Dabei müssen auch fachärztli-
che Leistungen und Eingriffe am Ende
der Weiterbildung im Zeugnis gegen-
über der Ärztekammer bescheinigt
werden, die nur unter fachärztlicher
Aufsicht erbracht werden konnten –
eben nach dem definierten Facharzt-
standard.
Seither findet Weiterbildung bei
den Fachärzten überwiegend im Kran-
kenhaus statt. Es ist aber unbestritten,
dass Teile des Weiterbildungsinhaltes
oft nur noch in der ambulanten Praxis
angeboten werden, der medizinische
Fortschritt macht es möglich. Nicht
nur die Diabetestherapie und die
Rheumatologie sind hier typische Bei-
spiele.
Insofern wird man ungeachtet der
Finanzierungsprobleme bei der Be-
schäftigung von Weiterbildungsassis-
tenten in der Praxis um eine obligate
ambulante Weiterbildung allein aus in-
haltlichen Gründen nicht herumkom-
men. Dass dabei Qualitätsvorausset-
zungen in den Praxen einzuhalten
sind, ist selbstverständlich. Soll der
Arzt regelrecht weitergebildet werden,
muss er aber auch fachärztliche Leis-
tungen unter Aufsicht des Vertragsarz-
tes erbringen dürfen – wie zurzeit bei
der stationären Versorgung.
Ob der derzeitige Facharztstatus im
ambulanten Bereich dann in einer Pra-
xis mit Weiterbildungsassistenten noch
zu halten ist, muss damit bezweifelt
werden.
Ambulante Weiterbildung bringt
Facharztstatus ins Wanken
Während in den Kranken-
häusern der Facharztstan-
dard üblich ist, gilt im
ambulanten Sektor der
Facharztstatus. Das muss
hinterfragt werden, findet
die Weiterbildung künftig
vermehrt ambulant statt.
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Ein Arzt leitet eine junge Kollegin in der Weiterbildung an.
© SYDA PRODUCTIONS/FOTOLIA.COM
Facharztstandard –
eine Definition
Das zum Behandlungszeitpunkt
der ärztlichen Praxis und
Erfahrung bewährte, nach natur-
wissenschaftlicher Erkenntnis
gesicherte, von einem durch-
schnittlich befähigten Facharzt
verlangte Maß an Kenntnis
und Können.
Quelle: Patrick Weidinger.
Praxis der Arzthaftung.
Deutscher Ärzte-Verlag, 2010
Deutschland hat eines der besten Ge-
sundheitssysteme der Welt. Das soll
auch so bleiben. Im Mittelpunkt unse-
rer Bemühungen stehen die Patienten,
denn auf sie kommt es letzten Endes
an. „Wie schnell bekomme ich einen
Arzttermin? Habe ich Zugang zu den
modernsten Behandlungsmethoden?
Wird auch nur das medizinisch Not-
wendige getan? Das sind Fragen, die
aus Patientensicht die Qualität ausma-
chen. Das gemeinsame Ziel von Ärz-
ten, Apothekern, Pflegern, Politikern
und vielen anderen muss sein, diese
positiv zu beantworten.
Wir haben bereits in der letzten Le-
gislaturperiode die gute, flächende-
ckende und bedarfsgerechte medizin-
ische Versorgung der Bevölkerung ver-
bessert. Bereits im Koalitionsvertrag
haben wir vereinbart, dass gesetzlich
Versicherte bei Überweisung innerhalb
von vier Wochen einen Facharzttermin
vermittelt bekommen sollen. Gelingt
dies nicht, soll ein Behandlungstermin
im Krankenhaus angeboten werden.
Zudem werden künftig Arztpraxen
und Kliniken schrittweise besser ver-
zahnt, in dem wir die Zusammenarbeit
zwischen dem ambulanten und statio-
nären Sektor weiter voran treiben. Da-
zu gehört auch, dass wir die Schnitt-
stellen zwischen den beiden Bereichen
besser im Blick haben, indem wir Leis-
tungslücken überwinden. Die Kran-
kenkassen sollen eine Koordinierungs-
funktion erhalten, um das Entlassma-
nagement aus stationären Einrichtun-
gen weiter zu verbessern. Konkret wol-
len wir den Krankenhäusern ermögli-
chen, mehr Leistungen bei einer Ent-
lassung direkt zu verordnen.
Bei der ambulanten ärztlichen Ver-
sorgung ist es ein wichtiges politisches
Ziel, dem zunehmenden Ärztemangel
zu begegnen. Mit einem umfassenden
Katalog von Anreizen und finanziellen
Unterstützungen, haben wir es Ärzten
erleichtert, sich in ländlichen oder
strukturschwachen Regionen nieder-
zulassen. Eine leistungsgerechte Ver-
gütung soll bewirken, dass sich die Be-
dingungen für Ärzte in strukturschwa-
chen Gebieten wesentlich verbessern.
Unnötige bürokratische Anforderun-
gen sollen abgebaut und die Rahmen-
bedingungen für die Zulassung flexibi-
lisiert werden, einschließlich der Mög-
lichkeit zur Zulassung von Kranken-
häusern zur ambulanten Versorgung in
unterversorgten Gebieten.
Zur Verbesserung der Qualität der
Versorgung gründen wir ein fachlich
unabhängiges Institut für Qualitätssi-
cherung und Transparenz im Gesund-
heitswesen. Es soll im Auftrag des
GBA messbare Kriterien für die ärztli-
che Behandlung entwickeln und ent-
sprechende Daten sammeln und auf-
bereiten. Die Ergebnisse werden öf-
fentlich allen Patienten zugänglich ge-
macht. Ein gutes Krankenhaus und
ein guter Arzt scheuen den Vergleich
mit anderen Praxen und Häusern
nicht. Im Gegenteil: Auch die Ärzte
profitieren von der Chance, die Indi-
katoren für die gute Qualität ihrer Be-
handlung einfach erreichbar für alle
Versicherten bereitzustellen. Wissen-
schaftlich fundierte Kriterien dienen
nicht nur der Vergleichbarkeit unterei-
nander, sondern bieten auch die Mög-
lichkeit, Mängel in der ambulanten
und stationären Versorgung zu erken-
nen und die Versorgung der Patienten
gezielt zu verbessern. Damit die Pati-
enten sich darauf verlassen können,
dass eine Operation auch tatsächlich
notwendig ist, werden Patienten zu-
künftig regelhaft die Möglichkeit ha-
ben, eine Zweitmeinung einzuholen.
Der Auftrag an uns Gesundheitspo-
litiker und alle in der medizinischen
Versorgung Tätigen ist klar definiert:
Wir müssen uns dem Wesentlichen
widmen, indem wir die qualitativ
hochwertige und einwandfreie Versor-
gung noch mehr in den Mittelpunkt
unserer Arbeit stellen. Ich weiß: Jeder
gibt jeden Tag sein Bestes. Dennoch
passieren Fehler. Je weniger Fehler
passieren, desto besser ist das für die
Patienten – und für diejenigen, die mit
ihnen arbeiten. Lassen Sie uns also ge-
meinsam noch mehr anstrengen. Da-
mit wir auch in ein paar Jahren noch
sagen können: Deutschland hat das
beste Gesundheitssystem der Welt.
GASTKOMMENTAR
Arztpraxen und Krankenhäuser werden
schrittweise besser miteinander verzahnt
Deutschland hat eines der
besten Gesundheitssysteme
weltweit. Um die Qualität
der Versorgung weiter zu
steigern, müssen auch
Leistungslücken zwischen
ambulant und stationär
geschlossen werden.
Jens Spahn
ist seit 2009 gesundheitspolitischer
Sprecher der CDU/CSU im Bundestag.
Erstmals wurde er 2002 in den Bundes-
tag gewählt. Zuvor war er als Bankkauf-
mann bei der West-LB Münster tätig.
© TEAM SPAHN
Von Jens Spahn
Die Auffassung des Autoren deckt sich nicht
unbedingt mit der Meinung der Redaktion oder
des Berufsverbandes Deutscher Internisten e.V.
HINWEIS
Berufspolitik
BDI aktuell
Juni 2014
5
Es gibt gute Gründe dafür, dass
sich immer weniger junge Medizi-
ner in einer Praxis auf dem Land
niederlassen wollen, sagte der Präsi-
dent des Berufsverbandes Deut-
scher Internisten (BDI e.V.), Dr.
Wolfgang Wesiack, auf der Mitglie-
derversammlung des BDI im Rah-
men des 120. Internistenkongresses
Ende April in Wiesbaden. Die Nie-
derlassung werde zu einem unsiche-
ren Faktor, weil es keine Planungs-
sicherheit mehr gebe. Der Verband
fordert deshalb Korrekturen in der
Bedarfsplanung.
Wenn man sehe, wie viele Ärzte
in den nächsten Jahren ausscheiden
werden, laut BÄK-Ärztestatistik bis
2020 rund 24000 Ärzte allein im
hausärztlichen Versorgungsbereich,
müsse man sich fragen, woher dafür
Ersatz kommen soll. Kollegen aus
dem Ausland eignen sich nach We-
siacks Ansicht dafür aus vielerlei
Gründen kaum, nicht zuletzt wegen
der mangelnden Sprachkenntnis.
In der Bedarfsplanung sei daher
mehr Flexibilität statt Überregle-
mentierung gefordert. Wir müssen
uns fragen, wie qualitativ hochwer-
tig unser Gesundheitswesen sein
soll, betonte er. Noch hätten wir in
Deutschland ein hervorragendes
Gesundheitswesen, das sehr gut
funktioniere, im Vergleich etwa
zum nationalen Gesundheitsdienst
in Großbritannien. „Eine Zwei-
Klassen-Medizin wie dort, wo man
zeitnahe Termine beim Facharzt
nur gegen Bares bekommt, wollen
wir in Deutschland nicht“, sagte
der BDI-Präsident.
Bedarfsplanung:
BDI fordert
Korrekturen
Eine Niederlassung ist
jungen Ärzten oft zu unsi-
cher. Die Bedarfsplanung
muss flexibler werden.
BDI-PRESSEMITTEILUNG
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