Medizin
BDI aktuell
Juni 2014
11
Welche Patienten sind besonders ge-
fährdet? Dieser Frage gingen Dr.
Anastasia Falagkari und Kollegen vom
Sana Klinikum Remscheid nach. Sie
analysierten retrospektiv eine Daten-
bank aller von 1988 bis 2010 am Uni-
versitätsklinikum Schleswig-Holstein,
Campus Lübeck, durchgeführten
Herzschrittmacher- und ICD-Implan-
tationen, Aggregatwechsel und Revisi-
onsoperationen. Das Register umfasste
4254 Patienten, hiervon 3122 Herz-
schrittmacher-, 1132 ICD-, 119
CRT-P- und 337 CRT-D-Träger. Alle
Implantationen wurden nach einem
weitgehend unveränderten klinischen
Standard vorgenommen, der unter an-
derem eine staphylokokkenwirksame
perioperative Antibiotikaprophylaxe
beinhaltete. Bei Patienten mit febrilen
Temperaturen oder Verdacht auf ei-
nen floriden bakteriellen Infekt wurde
keine Implantation durchgeführt. Für
die Klassifikation einer Schrittmacher-
oder Defibrillator-Infektion und ihre
Definition als solche wurden die Krite-
rien nach Choo et al. angewendet.
2% der Patienten betroffen
Bei einem mittleren Nachverfolgungs-
zeitraum von 4,8±3,0 Jahren erlitten
114 Patienten (2,68%) eine gerätebe-
zogene Infektion. Bei 64 Prozent die-
ser Patienten wurde eine Infektion der
Schrittmacher- oder Defibrillatorta-
sche klinisch oder mikrobiologisch
nachgewiesen.
Eine Sondeninfektion ohne Nach-
weis einer Tascheninfektion trat häufi-
ger (39 von 46 Fällen) später als ein
Jahr nach der Implantation auf, wäh-
rend Tascheninfektionen überwiegend
innerhalb des ersten Jahres auftraten.
Bei allen Frühinfektionen im ersten
Monat nach der Implantation war
auch eine Infektion der Tasche nach-
weisbar.
Verschiedene Faktoren
In der univariaten Analyse waren die
folgenden Faktoren statistisch signifi-
kant mit einer gerätebezogenen Infek-
tion assoziiert:
Niereninsuffizienz (Stadien III–IV),
akute/chronische Dialysepflichtig-
keit bei normaler Nierenfunktion),
Diabetes mellitus,
Immunsuppression,
geringe Erfahrung des Operateurs,
längere OP-Dauer,
vorangegangene Device-Infektion
bei Patienten ohne diese Anamnese,
temporärer transvenöser Schrittma-
cher.
Die Infektionsrate bei De-novo-Im-
plantationen war geringer als bei Ag-
gregatwechsel- und Revisionsoperatio-
nen. Eine nahezu verdoppelte Infekti-
onsrate wurde in der ICD- gegenüber
der Schrittmachergruppe dokumen-
tiert. Auch eine vorangegangene Herz-
operation führte zu einer signifikant
höheren Frühinfektionsrate.
In der multivariaten Cox-Regressi-
ons-Analyse waren Niereninsuffizienz
im Stadium III, Diabetes mellitus,
pharmakologische Immunsuppression,
Aggregatwechsel, stattgehabte Elektro-
denrevision, Implantation eines ICD,
ein perioperativer temporärer transve-
nöser Schrittmacher und weibliches
Geschlecht statistisch signifikante Prä-
diktoren für eine Infektion.
Bei den Spätinfektionen ist auffäl-
lig, dass sich nur bei einem kleinen
Teil der Fälle eine Tascheninfektion
nachweisen ließ, während eine Infekti-
on der Elektroden häufig war. Aggre-
gatwechsel sollten durch Verwendung
möglichst langlebiger Systeme redu-
ziert werden. Günstig sind auch kurze
Implantationszeiten und Vermeidung
von Elektrodenrevisionen. Der bedeu-
tendste Risikofaktor waren periopera-
tive transvenöse passagere Schrittma-
cherelektroden, die möglichst vermie-
den werden oder eine zeitnahe defini-
tive Implantation triggern sollten.
Infektionsrisiko bei kardialen Implantaten
Noch Jahre nach der
Implantation von Kardio-
verter-Defibrillatoren
und kardialen Resynchroni-
sationssystemen können
gerätebezogene Infektionen
auftreten.
Von Dr. Anastasia Falagkari
Diesen in früheren Studien beob-
achteten Zusammenhang konnten
Dr. Michela de Martino von der
Medizinischen Universität Wien
und Kollegen jetzt in einer retro-
spektiven Studie bestätigen (BJU
Int 2014; online 4. April). Von den
Patienten waren 561 partiell und
306 radikal nephrektomiert worden,
bei 164 wurde zudem eine Lymph-
knotendissektion
vorgenommen.
Endpunkt der Studie war das krebs-
spezifische Überleben. Im Median
waren die Teilnehmer 64 Jahre alt,
der mediane Serumcholesterinspie-
gel lag bei 195 mg/dl. Das mediane
Follow-up betrug 52 Monate. Ins-
gesamt 116 Patienten starben an
den Folgen der Krebserkrankung.
Die Cox-Regressionsanalyse er-
gab eine signifikante Assoziation
zwischen präoperativen Choleste-
rinwerten und der krebsspezifischen
Mortalität mit einer Hazard Ratio
(HR) von 0,87 (95%-Konfidenzin-
tervall zwischen 0,84 und 0,91).
Das bedeutet nach Angaben der
Ärzte, dass mit jedem Anstieg des
Cholesterinwertes um 10 mg/dl die
krebsspezifische Mortalität um 13
Prozent sank. Dabei hatten Patien-
ten mit hohen Cholesterinspiegeln
( 161,5 mg/dl) ein um 76 Prozent
reduziertes Sterberisiko (HR: 0,24;
95%-Konfidenzintervall zwischen
0,16 und 0,34; p 0,001). Wurde
der Einfluss bereits bekannter Prog-
nosefaktoren herausgerechnet, war
jeder Anstieg um 10 mg/dl mit ei-
nem um 6 Prozent verringerten
krebsspezifischen Sterberisiko asso-
ziiert (p = 0,005).
(ple)
Cholesterin
niedrig, höheres
Sterberisiko?
Bei Patienten mit Nieren-
zellkarzinom sind niedri-
ge präoperative Choleste-
rinspiegel mit erhöhtem
Sterberisiko assoziiert.
NIERENKREBS
Jedem zweiten Patienten in den USA
wird während eines Klinikaufenthaltes
ein Troponintest verordnet. Dies spie-
gelt die aktuelle Popularität des Bio-
markers wider. Das kardiale Tropo-
nin I (cTnI) stellt eine Untereinheit
des Regulatorproteins Troponin dar
und wird bei kardialen Gewebeschä-
den freigesetzt. Als sensitiver Indikator
einer myokardialen Nekrose ist er etwa
im Schnelltest hilfreich bei der Diag-
nose des Myokardinfarktes. Doch der
Wert fällt auch bei Patienten mit ande-
ren Erkrankungen häufig positiv aus,
was zu diagnostischen Fehleinschät-
zungen führen kann.
Benjamin Stripe und Kollegen von
der University of California haben sich
Patienten ohne Infarktsymptome, aber
mit leicht erhöhten cTnI-Werten ge-
nauer angesehen und festgestellt, dass
nur bei etwa jedem zehnten mit leicht
erhöhtem Troponin I eine KHK nach-
gewiesen werden konnte. Alle anderen
der asymptomatischen Patienten litten
vorwiegend an Erkrankungen im Zu-
sammenhang mit Flüssigkeits- und
Drucküberlastungen.
Folgeuntersuchungen gut abwägen
In der retrospektiven Kohortenstudie
wurden 140 Patienten ab 18 Jahren
ohne klinische Anzeichen für ein aku-
tes Koronarsyndrom analysiert, bei de-
nen bis 30 Tage vor einer Koronaran-
giografie ein cTnI-Wert zwischen 0,05
und 2,0 ng/ml festgestellt worden war.
Als primärer Endpunkt der Studie war
das Vorhandensein einer koronaren
Herzkrankheit (KHK) definiert, als se-
kundäre Endpunkte die Revaskularisa-
tion durch perkutane Koronarinter-
vention oder eine koronare Bypass-
Operation. Lediglich bei 11 Prozent
der Studienteilnehmer mit erhöhtem
Troponin-I-Wert konnte per Herzka-
theter eine KHK bestätigt werden.
Keiner dieser Patienten war jünger als
49 Jahre, sie litten gehäuft unter Syn-
kopen oder neu aufgetretenen Ar-
rhythmien. In der Regressionsanalyse
ergab sich zudem ein Zusammenhang
zwischen einer KHK und dem Schlag-
anfallrisiko.
Bei den 124 Probanden mit erhöh-
tem Troponin I, bei denen keine KHK
festgestellt wurde, fand sich überwie-
gend eine kongestive Herzinsuffizienz
(58,9 Prozent). Insgesamt litten 81,5
Prozent der untersuchten Patienten an
Erkrankungen aus dem Bereich der
Druck- und Volumenüberlastung wie
Herzinsuffizienz, Hypertonie, Lungen-
hochdruck, hypertropher Kardiomyo-
pathie oder signifikanten Aortenklap-
penerkrankungen.
Um Kosten und Gesundheitsrisi-
ken zu vermeiden, sei es dringend er-
forderlich, betonen Stripe et al. in ih-
rem Beitrag (JAMA Intern Med
2013;173: 2088–2090), Patienten mit
nur gering erhöhten Troponinwerten,
die keine klinischen Anzeichen für ein
akutes Koronarsyndrom aufweisen,
vor unnötigen Folgeuntersuchungen
zu bewahren. Bevor man also einen
asymptomatischen Patienten mit er-
höhtem Troponin zur Herzkatheterun-
tersuchung schickt, sollte sowohl die
geringe Vorhersagewahrscheinlichkeit
des Troponin I für die KHK berück-
sichtigt werden als auch die Tatsache,
dass bei den wenigsten Patienten mit
erhöhtem Troponin tatsächlich eine
KHK nachgewiesen werden kann.
Ein erhöhter Troponin-I-
Wert kann einen guten
Hinweis auf ein akutes
Koronarsyndrom liefern.
Doch es gibt weitaus mehr
Ereignisse, die diesen
Marker ansteigen lassen.
Troponin: nicht gleich ins
Katheterlabor!
Werden bei Patienten ohne Infarktsymptome und erhöhtem Troponin I zu oft Herzkatheteruntersuchungen gemacht?
© PANTHERMEDIA
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Erhöhtes Troponin I
Nur bei 11 Prozent der Patienten
ohne Infarktsymptome fand sich
tatsächlich eine KHK,
bei 59 Prozent eine kongestive
Herzinsuffizienz,
bei 81 Prozent Erkrankungen
aus dem Bereich der Druck-
und Volumenüberlastung.
Von Christine Starostzik
Nach bariatrischer Chirurgie bes-
sert sich bei Frauen neben metabo-
lischen Parametern oft auch ein ko-
morbides Polyzystisches Ovarsyn-
drom (PCOS). Der Erfolg stellt
sich meist rasch ein, Kontrazeption
ist daher im ersten Jahr wichtig.
„Etwa fünf bis zehn Prozent der
Frauen im reproduktiven Alter ha-
ben ein PCOS“, konstatierte Pro-
fessor Christof Schöfl vom Univer-
sitätsklinikum Erlangen beim Sym-
posium der Deutschen Gesellschaft
für Endokrinologie (DGE) in Dres-
den. „Es ist gekennzeichnet durch
Zysten in den Ovarien, Oligo-/An-
ovulation und klinisch oder labor-
chemisch
nachweisbaren
Hy-
perandrogenismus, zwei der Symp-
tome müssen vorliegen.“ Der epi-
demiologische Zusammenhang zwi-
schen PCOS und Körpergewicht ist
lange bekannt. Schöfl gab ein Bei-
spiel aus seiner Sprechstunde: Von
104 PCOS-Patientinnen sind 29
normalgewichtig, 24 übergewichtig
und 51 adipös. Gerade letztere ha-
ben oft eine komorbide Insulinresis-
tenz, was die Spiegel an luteinisie-
rendem Hormon und die ovarielle
Androgensynthese steigert.
(sir)
Bariatrische OP
steigert meist
die Fertilität
PCOS